Smart Buildings sparen Energie und Kosten, außerdem schaffen sie ein besseres Umfeld zum Leben und Arbeiten. Doch nicht alle Lösungen werden vom Menschen akzeptiert.
Von Stefan Mey
Gute neue Gebäude zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie aus der Stadtlandschaft durch außergewöhnliches Design hervorstechen oder dass sie durch eine vernünftige Dämmung bei der Reduktion der Heizkosten behilflich sind – sondern sie sind auch sogenannte »intelligente Gebäude«, auch bekannt als »Smart Buildings«, bei denen die verschiedenen Komponenten zusammen spielen, um Energie zu sparen sowie das Leben und Arbeiten in diesem Umfeld angenehmer zu gestalten. Sichtbar wird dies etwa im Fraunhofer-inHaus-Zentrum in Duisburg. Hier erproben die Wissenschaftler gemeinsam mit Herstellern und Dienstleistern neuartige Konzepte für Immobilien jeder Art. Der neueste Coup ist das, was sich die deutschen Forscher unter dem Büro der Zukunft vorstellen: Im »in-Raum-Systemprojekt« werden Akustik, Luftqualität, Behaglichkeit und Optik in einem lichtdurchlässigen Bauteil, das sich beliebig in die Architektur des Raumes integrieren lässt, vereint; eine LED-Beleuchtung sorgt zum Beispiel in Kombination mit einer mattierten Glasoberfläche für eine blendfreie und flächige Ausleuchtung und eine behagliche Atmosphäre, besondere Glasinnenwände verhelfen durch Umwandlung von Luftschadstoffen zu einer besseren Luftqualität. Eine spezielle Glasoberfläche wirkt gar schallabsorbierend und reduziert somit störende Geräusche. Elektrisch ansteuerbare Türdichtungen ermöglichen zeitweise einen automatischen Luftaustausch zwischen den Räumen, ohne dass dazu eine Tür geöffnet werden muss. Hintergrund dieser Bemühungen ist, dass 33 Prozent der Büroangestellten die Raumtemperatur als nicht optimal empfinden, 30 Prozent sind mit der Geräuschkulisse nicht zufrieden und 19 Prozent ärgern sich über die Lichtverhältnisse – und diese Unzufriedenheit wirkt sich auf die Produktivität aus. Zudem wird das Büro der Zukunft, so das Modell von Fraunhofer, dem Trend zum mobilen Arbeiten entgegenkommen: Arbeitsplätze lassen sich flexibel an die gerade anwesenden Personen anpassen, IT-getriebene Lösungen zur Zusammenarbeit ermöglichen Teamwork auch mit Personen, die sich am anderen Ende der Welt aufhalten.
Integrierte Lösung
Und Lösungen dieser Art gibt es längst nicht mehr nur im Versuchsstadium. Das Industrieunternehmen Siemens bietet mit dem Geschäftsfeld der »Total Building Solutions« bereits Modelle, bei denen verschiedene Elemente eines Gebäudes miteinander kommunizieren – und so nicht nur effizienter, sondern auch sicherer agieren. Erkennt etwa ein Feueralarm einen Notfall in einem Gebäude, so interagiert er mit dem Belüftungssystem und anderen Teilen der Gebäudesteuerung; dadurch wird ein Ausbreiten des Feuers durch IT-Systeme verhindert, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Am besten funktioniert eine derartige Lösung, wenn Schnittstellen reduziert werden und eine gemeinsame Basis für die verschiedenen Elemente des Systems geschaffen werden; das funktioniert einfach, wenn alles – meist bei großen Unternehmen wie Siemens oder ABB – aus einer Hand kommt und offene Plattformen verwendet werden, die alle Hersteller unterstützen. So stellte Siemens in der ersten Jahreshälfte etwa den Desigo CC vor – eine Gebäudemanagementstation, deren offene Plattform sämtliche Einzelsysteme im Gebäude von der Gebäudeautomation über Sicherheitsdisziplinen wie Zutrittskontrolle, Videoüberwachung und Brandschutz bis hin zum Energiemanagement integriert. Laut Eigenangabe ist Siemens damit als erster Anbieter überhaupt in der Lage, alle Anforderungen, die heute an effizient und sicher betriebene Gebäude gestellt werden, aus einem einzigen System abzudecken. Das ist für Gebäudebetreiber ein Effizienzgewinn – und Planer tun sich bei der Ausschreibung leichter.
Energie sparen
Zudem können Geräte wie das Desigo CC zur Steuerung und Optimierung der Energieeffizienz genutzt werden – und in diesem Feld schlummert wohl das größte Potenzial der Intelligenten Gebäude: Laut der Website von ABB sind Gebäude noch vor Verkehr und Industrie mit einem Anteil von 40 Prozent der insgesamt verbrauchten Primärenergie der größte Energieverbraucher – und schreien somit nach der Aufmerksamkeit von Kostenrechnern und Umweltschützern. Laut ABB können Gebäudeautomatisierungssysteme den Energieverbrauch von Beleuchtungs-, Heizungs- und Klimaanlagen je nach Gebäudeart um 30 bis 60 Prozent reduzieren. Eine Funktion solcher Lösungen ist, dass die Elemente innerhalb eines Gebäudes miteinander kommunizieren und somit Energie nur dann verbraucht wird, wenn sie nach Ansicht des Systems benötigt wird. Im Bereich der Beleuchtung misst ein Helligkeitssensor etwa die aktuelle Beleuchtungsstärke und passt die Leistung der aktuellen Leuchtmittel dementsprechend an – das soll gegenüber manueller Lichtsteuerung 30 bis 40 Prozent einsparen. Im Sommer werden zudem Jalousien automatisch geschlossen, wenn niemand im Raum ist – das verhindert ein unnötiges Aufheizen und spart somit 40 Prozent der Kühlenergie. Der Präsenzregler steuert außerdem die Beleuchtung – so dass kein Licht brennt, wenn niemand im Raum ist – und regelt die Raumtemperatur was besonders im Winter Einsparungspotenzial bietet: Laut ABB zeigt die praktische Erfahrung, dass die Verringerung der Raumtemperatur um ein Grad Celsius den Heizenergieverbrauch um sechs Prozent senken kann.
Smarte Zähler
Eine andere Funktion der intelligenten Gebäude ist das Messen des eigenen Energieverbrauchs und die Abstimmungen mit den Stromanbietern – denn nur wer weiß, wie viel Strom er verbraucht, kann wirklich sinnvolle Optimierungsmaßnahmen treffen; und über die intelligenten Stromnetze – »Smart Grids« – wird im Idealfall genau dann Strom bezogen, wenn er am günstigsten ist. Dabei helfen die so genannten »Smart Meter« – intelligente Stromzähler, die den Stromverbrauch zeitabhängig messen und anzeigen. Nach einer Verordnung der europäischen Kommission sollen sie bis zum Jahr 2020 in 80 Prozent aller Haushalte der EU eingebaut werden. Damit werden Daten über Angebot und Nachfrage im Stromverbrauch sowie der aktuelle Preis erfasst und vom Gerät an das Gebäudemanagement weitergeleitet – dieses soll dann Empfehlungen dazu geben, ein bestimmtes Gerät ein- oder auszuschalten. Ist der Strompreis etwa gerade niedrig, so sollen sich Geräte wie die Waschmaschine oder Trockner in einem Wohnhaus einschalten; im Gegenzug darf sich eine Tiefkühltruhe für eine gewisse Zeit abschalten, solange eine gewisse Temperatur nicht unterschritten wird. »Wenn Smart Home seine gesamten Stärken ausspielen soll, dann muss auch noch mehr intelligente Technik in die Endgeräte hinein «, wird dazu Christian Struwe, bei ABB Gesamtprojektkoordinator für das Thema Smart Home, auf der Website des Unternehmens zitiert: Denn die Tiefkühltruhe muss diese Grenzwerte verlässlich erkennen können; und eine Waschmaschine darf sich nicht während des Waschvorgangs plötzlich ausschalten, nur weil der Strompreis kurzfristig steigt. In Österreich weht dem Projekt der Smart Meter edoch ein starker Wind entgegen, wie Medien Anfang des Jahres berichteten: Die EVN gibt etwa gegenüber dem Kurier an, dass bei bisherigen Feldversuchen 30 Prozent der Bezieher das Gerät verweigert hatten; die Regierung beschloss bereits im Sommer 2013, dass der Einbau des digitalen Zählers auch abgelehnt werden kann. Viele Kunden möchten anscheinend ihre Daten zum Stromverbrauch nicht mit dem Netz austauschen und sehen keinen zusätzlichen Nutzen in den smarten Zählern.
Lohnende Investition
Anders als bei Smart Metern für Privathaushalte verhält es sich jedoch mit Smart-Building-Lösungen für Gewerbeimmobilien – denn hier stehen nicht nur Umweltschutz, Mitarbeiterzufriedenheit und Effizienz im Vordergrund, sondern auch die Kostenersparnis: »Bei vielen Systemen ist die Amortisationsdauer auch aus kaufmännischer Sicht akzeptabel«, erläutert Ernst Vejdovszky, CEO der S Immo AG: »Aber wenn man Energieeffizienz und Ressourcenschonung anstrebt, lohnen sich diese Investitionen immer.« Man solle jedoch darauf achten, dass die aufwendigen Energieeinsparungen nicht durch Unaufmerksamkeiten in anderen Bereichen – etwa energieverschwendende Server-Räume – wieder zunichte gemacht werden. Vor einer Bindung des Investitionsbudgets müssen sich die Kunden außerdem nicht fürchten: Siemens bietet etwa ein Modell mit Energiespar-Contracting an, wodurch die eingesparten Kosten alle Maßnahmen finanzieren und es somit kein Investitionsrisiko gibt.
Viele Hausaufgaben
Herausforderungen gibt es im Bereich der Intelligenten Gebäude aber noch immer – denn während Gebäudesteuerung, Lichtsteuerung und Klimatechnik reibungslos funktionieren, wird es problematisch, wenn die Systeme zu vernetzt und zu komplex sind, denn dann ist der Nutzer oft überfordert, und die Systeme sind nicht selten fehleranfällig, erläutert Vejdovszky. »Die größte Herausforderung ist sicherlich, die Systeme userfreundlich zu gestalten«, sagt er: »Gleichzeitig muss die Kompatibilität unter den einzelnen Bauteilen sichergestellt sein und die Wartung sollte nicht zu aufwendig sein.« Er unterscheidet zwischen Hightech-Lösungen, bei denen alles automatisiert ist und der Nutzer aus der Verantwortung genommen wird, und Lowtech-Lösungen, die schon bei der Planung der Immobilie alle relevanten Faktoren mit einbeziehen. Diese Lösung erfordere zwar eine komplexe und integrale Planung, sei aber langfristig robuster und langlebiger als Hightech-Lösungen. Denn, egal wie intelligent ein Gebäude auch sein mag: Letzten Endes muss es harmonisieren mit den Menschen, die darin leben und arbeiten.