Ob Neubau oder Sanierung, Baubedarf besteht immer. Das nötige Personal ist jedoch manchmal Mangelware. Der Bau&Immobilien Report hat dazu mit Unternehmen und Interessensvertretungen gesprochen.
Von Karin Legat
Etwa ein Drittel aller Baumeister hat die Karriere als Lehrling begonnen, ebenso wie viele Fachkräfte. »Ein guter Polier kommt idealerweise aus der Facharbeiterebene. Dort hat er genug praktische Erfahrung gesammelt, um Situationen gut einschätzen und Lösungswege entwickeln zu können«, stellt Peter Scherer, Referent Technische Betriebswirtschaft und Ausbildung in der Bundesinnung Bau, fest. Aber Lehrlinge, die heute nicht ausgebildet werden, fehlen später als Facharbeiter und Führungskräfte, beklagt die Gewerkschaft Bau-Holz. Der Bundesvorsitzende Josef Muchitsch nennt dazu Zahlen. »Von 2012 auf 2013 gab es in den Kern-Bauberufen um fünf Prozent weniger Lehrlinge, im ersten Lehrjahr sogar um 11,2 Prozent, also 1000 Lehrlinge weniger.« Laut BI Bau liegt das in erster Linie an der schwierigen wirtschaftlichen Situation und an unzureichender Berufsinformation. »Das Thema Fachkräftemangel ist in Ländern wie Deutschland, der Schweiz und den Benelux-Ländern wesentlich akuter«, betont Thomas Birtel, Vorstandsvorsitzender von Strabag. Betroffen ist v.a. der technische Bereich.
Falsches Bild
»Das Klischee von Bauberufen ist zum Teil noch immer mit Schmutz, Gesundheitsgefährdung und Hilfsarbeit verbunden«, so Peter Scherer. »Das ist aber nicht der Fall. Alle, die Einblick in das Bauwesen haben, wissen das. Der Maurer von heute ist ein gut ausgebildeter technischer Facharbeiter, der natürlich auch unter dem Einsatz körperlicher Kraft seine Erfahrung einbringt und organisiert arbeitet. Es werden heute keine 50-kg-Zementsäcke herumgeschleppt. Der Facharbeiter am Bau wird auf höchstem Niveau technisch unterstützt.« Zudem ist die Arbeit oftmals sehr anspruchsvoll. »Der Trend am Bau geht zwar Richtung Low Tech, gerade dann ist aber die Ausführung umso wichtiger und anspruchsvoller«, betont Univ.-Prof. Christian Hanus, Dekan der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur und Leiter des Departments für Bauen und Umwelt an der Donau-Universität Krems. Gebäude, die mit wenig Technik auskommen, müssen unglaublich ausgeklügelt und qualitätsvoll ausgeführt werden. Hier müssen die Professionisten exakt und sehr genau arbeiten und wissen, worauf es ankommt. Kleinste Ungenauigkeiten in der Ausführung werden bei Low-Tech-Gebäuden extrem negative Konsequenzen haben.
Vom Facharbeiter bis zum Bauingenieur
Die Lehre hat laut Bundesinnung Bau generell noch ein Imageproblem. Provokante Stimmen sprechen von einer beruflichen Sackgasse. »Das trifft aber gerade im heimischen Bauhauptgewerbe nicht zu«, zeigt Peter Scherer auf. »Wir haben in Österreich das triale Ausbildungssystem mit durchgängigen Karrieresstufen.« Muchitsch wertet es als Manko, dass die Facharbeiterausbildung von den Betrieben zunehmend zum Staat, d.h. in überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen ausgelagert wird. Wer die Facharbeiterausbildung im eigenen Betrieb nicht ernst nimmt, darf sich nicht über zu wenig Fachkräfte beschweren. Speziell am Bau sei der Lehrstellenmangel aber auch auf den restriktiven Spargedanken der öffentlichen Hand zurückzuführen.
Aus der Praxis
Thomas Birtel: »Fachkräfte fehlen vor allem im technischen Bereich, beginnend beim Facharbeiter bis zum Bauingenieur.« Gregor Kremsmüller vom Industrieanlagenbauer Kremsmüller geht ins Detail. »Wir erleben den Personalengpass bei qualifizierten und flexiblen Fachkräften, sowohl heimischen als auch bei gut deutschsprechenden ausländischen Spezialisten, z.B. im Anlagen- und Rohrleitungsbau sowie im Bereich der Elektro-, Mess- und Steuerungstechnik«, betont er und nennt weitere Personalschwierigkeiten. »Oftmals sind heimische Bau-Fachkräfte nicht bereit, Arbeiten im Ausland anzunehmen. Es wird immer schwieriger, Führungskräfte aus den eigenen Reihen zu gewinnen. Hier muss täglich viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Bei Jugendlichen nimmt das Interesse ab, auf Montage zu gehen. Wir würden gerne Universalschweißer auf internationalem Topniveau ausbilden, finden aber immer schwerer entsprechende Interessenten.«
Operation Bau
Unternehmen und Interessensvertretungen haben bereits erste Schritte gegen den Lehrlingsrückgang und Fachkräftemangel am Bau gesetzt. Die Bundesinnung Bau hat bereits 2004 eine bundesweite Lehrlingsinitiative ins Leben gerufen. Neben Imagewerbung und PR werden in allen Bundesländern sogenannte Lehrlingsexperten eingesetzt. Diese »Berufs-Coaches« besuchen Baubetriebe, um die Möglichkeiten der Bau-Lehre zu präsentieren. Aber auch Auftritte bei Berufs-Messen und Lehrlingscastings werden veranstaltet. »Beim letzten Casting der BAUAkademie Steiermark konnten über 80 neue Lehrlinge akquiriert werden«, zeigt sich Scherer erfreut. Aber auch bildungspolitisch wird ständig geprüft, inwieweit Rahmenbedingungen der Ausbildung angepasst oder neu ausgerichtet werden müssen und wie die künftige Entwicklung aussehen soll. Das Arbeitsmarktservice Österreich reagiert auf den Fachkräftemangel mit einer Qualifizierungsoffensive. »Durch die rasche technologische Entwicklung steigen die Anforderungen an alle ArbeitnehmerInnen«, betont Vorstand Johannes Kopf. Um den dadurch entstehenden Fachkräftemangel zu bekämpfen, unterstützen das AMS und der Europäische Sozialfonds Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu nachgefragten Fachkräften. »Zwei von drei Arbeitslosen, die an einer unserer Schulungen teilnehmen, haben nur Pflichtschulabschluss.« Im Vorjahr hat das AMS insgesamt 23.065 Jobsuchenden (plus 12 Prozent gegenüber 2012) mit Pflichtschulausbildung ermöglicht, den Lehrabschluss zu erwerben. GBH-Vorsitzender Josef Muchitsch berichtet von Initiativen wie Umwelt + Bauen oder Faire Auftragsvergaben, die Arbeitsplätze sichern sollen. »Neben der Fachkräftemilliarde mit einem Bonus-Malus-System für Firmen im Bereich der Lehrlingsausbildung fordern wir die Höherqualifizierung schlecht ausgebildeter Arbeitnehmer.« Im Bereich Schalungstechnik äußert sich Doka zu diesem Punkt. »Wir vermitteln in Seminaren aktuelles Wissen im Ortbetonbau vom Einfamilienhaus bis zum Hochhaus und gehen dabei auch auf neue Trends und Technologien ein«, betont Geschäftsführer Alfred Wolfschwenger. Laut GBH wären auch kontinuierliche Auftragsvergaben für eine verbesserte Ganzjahresbeschäftigung sinnvoll. Damit würde Arbeit über das ganze Jahr besser verteilt und einem möglichen Fachkräftemangel zu den Saisonspitzen im August und September entgegengewirkt.