Holz ist längst mehr als ein Baumaterial für landwirtschaftliche Anlagen und Geräteschuppen. Mit Holz steht heute ein nachwachsender Baustoff für eine Vielzahl an architektonischen Anwendungen bereit, der eine Fülle ökologischer und ökonomischer Vorteile bietet.
Text von Karin Legat
Mit den Änderungen der bautechnischen Gesetzgebungen in den 1990er-Jahren setzte in Österreich eine Renaissance des mehrgeschoßigen Holzbaus ein – und damit eine Wiederentdeckung von Natürlichkeit, Wärme, positivem Lebensgefühl und angenehmer Haptik. »Wir sehen eine gewaltige Entwicklung im Bereich Holzbau«, betont Sylvia Polleres, Bereichsleiterin für den Holzhausbau an der Holzforschung Austria. »Seit der Jahrtausendwende hat sich das Volumen in Österreich verdoppelt, in Vorarlberg sogar verdreifacht«, schätzt Matthias Ammann von Holzbau Austria. »Es gibt fast nichts, wo man Holz nicht einsetzen kann. Das hat man sich vor 20 Jahren nicht gedacht.« Früher wurde mit einem massiven Stück Holz (Blockbohle) gearbeitet. Es gab Spanplatten. Heute stehen hoch vorgefertigte Holzelemente bereit, in denen vorwiegend technisch getrocknetes, keilverzinktes und/ oder verleimtes Holz eingesetzt wird. Modernes Brettschichtholz spannt zudem enorme Weiten. Holz lässt sich flexibel mit anderen Baustoffen wie Beton, Stahl und Glas kombinieren. Von technischer und bauphysikalischer Seite her ist im massiven Holzbau laut KLH alles gelöst. Trotzdem ist der Holzwohnbau über fünf Geschoßen in Österreich laut pro:Holz Austria im Vergleich zum Ausland benachteiligt, es gibt zahlreiche Auflagen.
Für Projektleiter Kurt Zweifel eine suboptimale Regelung, bestätigt doch die internationale Szene, dass Holzbau auch in großen Höhen ohne Komplikationen möglich ist. »Im Hafen von Melbourne steht mit 32,17 Metern der höchste Holzwohnbau der Welt. Das 29,75 Meter hohe Bridport House in London wurde mit Holz energieeffizient neu errichtet und ist eine wesentliche Maßnahme zur Erneuerung eines ganzen Stadtviertels. In Nor-wegen ist sogar ein 30-geschoßiges Holzhaus geplant.« Auch KLH kritisiert die Geschoßbegrenzung, die laut Geschäftsführer Bernd Oswald weder aus statischer Sicht noch aus Brandschutzgründen notwendig wäre.
Unzeitgemäßes Zeugnis
Im Bereich Brandschutz erhält Holz in der Regel – noch – eine nicht zeitgemäße Bewertung. Andreas Voit von holz. architekten: »Bei Massivholz verkohlt das Holz außen und bildet damit eine Schutzschicht. Nicht das Massivholz brennt, sondern Möbel, Vorhänge und Teppiche. Massivholz kann ich nicht so leicht entzünden.« Der Bereich Brandschutz ist laut Matthias Ammann in den nächsten Jahren zu evaluieren, denn die jetzige Situation ist für ihn nahezu pervers. »Heimische Holzindustriebetriebe wie Stora Enso, Mayr-Melnhof, KLH und Binder errichten im Ausland Hochhäuser aus Holz. In Mailand hat Stora Enso etwa neungeschoßige Holztürme gebaut, wo selbst der Liftschacht in Holz errichtet wurde.« Im Inland wird dem aber nicht Rechnung getragen. Die gesamte Holzindustrie fordert daher geschlossen eine Lockerung des Brandschutzes. Im Einfamilienhausbereich ist dies bereits geschehen.
Revival
Für Matthias Ammann ist Holz ein wieder zum Leben erweckter Baustoff. »Holz ist ein Hightech-Werkstoff. Der mögliche Vorfertigungsgrad ist enorm.« Dämmung, Technik, Innenverkleidung, Fliesen, Fenster und Installationen lassen sich problemlos schon in der Halle integrieren. Ein Einfamilienhaus lässt sich in einem Tag aufstellen. »Schon 1999 hat ein Vorarlberger Holzbaubetrieb ein 5-Sterne-Hotel in 48 Stunden errichtet.« Nicht nur wirtschaftlich, auch vom Faktor Lebensqualität her ist Holz interessant. Monatelange Beeinträchtigungen durch Staub und Betonmaschinenlärm entfallen. Dieter Lechner vom Fachverband der Holzindustrie: »Für Holz spricht neben der schnellen und trockenen Bauweise auch der Gewinn von Nettogeschoßfläche.« Holzwände sind schlanke Wände mit gleichzeitig hoher Dämmwirkung. Das spart Raum und sichert im Winter warme Wandoberflächen. Sylvia Polleres verweist auf den ökologischen Faktor. »Holz ist leicht, weist aber trotzdem enorme Festigkeit auf. Das ermöglicht Aufstockung und Nachverdichtung.«
Allerdings, gibt Matthias Ammann zu bedenken, muss immer die Sinnhaftigkeit des Materialeinsatzes bedacht werden. »Wenn ich eine Anlage in einer feuchten Gegend errichte oder in bzw. unter der Erde, werde ich auf Holz verzichten und auf Beton setzen.« Das trifft auch auf Hanglagen zu. In Erdbebengebieten ist die Entscheidung für Holz dagegen naheliegend, denn es kann beweglich gestaltet werden. Andreas Voit: »Wichtig ist auch, Speichermassen im Haus als sommerlichen Überwärmungsschutz miteinzuplanen. Das kann in Form von schwerer Dämmung in der Außenwand erfolgen oder im Innenbereich durch Estriche oder Massivlehmwände.« Dazu kommt, dass Holz in der Planung noch einen gewissen Mehraufwand erfordert. Der Start in größere Bauhöhen ist erst erfolgt. Über den Lebenszyklus betrachtet, rechnet sich aber auch da der Mehraufwand.
Leben in Holz
Generell ist das Bauverständnis der Zukunft laut Kurt Zweifel viel stärker von nachhaltigen Faktoren geprägt. »Diese sind z.B. die Herstellung des Gebäudes, der Energieverbrauch, die gesamten Reinigungs- und Wartungskosten, der Instandsetzungsaufwand und vor allem auch der Aufwand für den Rückbau und die Entsorgung.« Die Zukunft des Holzbaus liegt für ihn im urbanen Bereich. »International ist das bereits Normalität. Green Buildings aus Holz zählen zu Prestigeobjekten fortschrittlicher Städte. Sie verwirklichen den Traum von zeitgeistigen und dennoch ökologisch hochwertigen Trendbauten.« Grund und Boden werden immer knapper. In der Schweiz wurde schon vor längerer Zeit erkannt, dass Holz die Lösung bietet. »Städte wie Zürich und Winterthur erleben einen Hype im verdichteten Wohnbereich«, so Dieter Lechner. »In Österreich sind wir gerade dabei, in dieses Segment einzudringen.« Auch Holzbau Austria sieht viel Potential im Wohnbau – sei es als Lückenschluss oder Aufstockung. »Im Einfamilienhausbereich ist Holz schon etabliert, im mehrgeschoßigen Wohnbau besteht noch Potenzial. Mit Holz kann schnell, sauber, lärmarm verdichtet und aufgestockt werden. Hier muss die Politik die Rahmenbedingungen endlich ändern und hinsichtlich CO2 und Energieeffizienz Farbe bekennen«, fordert Ammann. »Man muss aber keine Angst haben, dass es in Städten künftig aussieht wie in einer Stall-Landschaft. Auf Holz lässt sich fast jede Fassade anbringen. Es geht darum, hochökologische Wand- und Deckenkonstruktionen blitzschnell einzubauen. Anschließend erhält das Gebäude das »urbane Gesicht« der Stadt – oder auch nicht. Eine konstruktive hölzerne Provokation kann durchaus einen Mehrwert an urbaner Lebensraumqualität bringen.«