Die Firma Delta mit Sitz in Wels und Wien ist seit 2006 auch in der Ukraine tätig. Im Interview* mit dem Bau & Immobilien Report spricht Geschäftsführer Wolfgang Kradischnig über die Auswirkungen der politischen Unruhen auf das Geschäft. Außerdem erklärt er, warum er auch mit dem heutigen Wissensstand wieder in der Ukraine investieren würde und warum er Sanktionen gegen Russland für wenig hilfreich hält.
Report: Sie sind seit 2006 in der Ukraine aktiv. Wann haben Sie erstmals erkannt, dass die politischen Unruhen größere Dimensionen annehmen könnten?
Wolfgang Kradischnig: Die politische Situation hat sich im Herbst letzten Jahres deutlich zugespitzt. Natürlich herrschte lange Zeit die Hoffnung auf eine durchgängig friedliche Lösung vor. Bedauerlicherweise kam es trotz dieser Hoffnung zu den bekannten Ausschreitungen. Der Vertrauensvorschuss aus der Wahl konnte in der Regierungszeit nicht erfüllt werden. Unglücklicherweise ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, echte demokratische Strukturen zu etablieren. Stattdessen ist Misstrauen gegenüber dem Präsidenten und der Regierung entstanden. Das Ungleichgewicht zwischen wohlhabenden und ärmeren Schichten wurde zunehmend größer. Da ist es nahe liegend, dass sich die Leute das irgendwann nicht mehr gefallen lassen.
Report: Wie stellt sich im Moment die Situation für ein ausländisches Unternehmen wie Delta dar?
Kradischnig: Wir haben 2006 in der Ukraine begonnen, können also schon auf eine gewisse Erfahrung im Land zurückblicken. Und man muss klar sagen, dass 2008 mit Ausbruch der Krise die wirtschaftliche Situation der Ukraine deutlich schwieriger war als in der momentanen Situation. Derzeit ist es so, dass bereits angelaufene Projekte planmäßig weiterlaufen. Lediglich in der Neuakquise hat die Dynamik etwas nachgelassen, weil viele natürlich zuerst die politische Entwicklung abwarten wollen.
Report: Sind Ihre Mitarbeiter alle noch vor Ort oder wieder nach Österreich zurückgekehrt?
Kradischnig: Wir sind aktuell mit 31 Personen vor Ort und haben auch niemanden abgezogen. Am Höhepunkt der Unruhen haben wir aber unser Büro vorübergehend geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns auch große Sorgen um unsere Kollegen gemacht. Uns wurde aber von vielen Seiten bestätigt, dass ein echter Flächenbrand sehr unwahrscheinlich ist. Deshalb gab es auch keine ernsthaften Überlegungen, die Kollegen zurückzuholen. Wir haben aber die Situation und die Entwicklungen sehr genau beobachtet. Es hat sich dann gezeigt, dass abseits vom Maidan-Platz der Alltag schnell wieder Einzug gehalten hat.
Report: Wie würden Sie die aktuelle Situation in Kiew beschreiben?
Kradischnig: Ich habe gerade eben noch mit einem Kollegen vor Ort telefoniert und der hat mir bestätigt, dass derzeit alles ruhig ist. Der Maidan-Platz ist natürlich symbolisch jetzt stark aufgeladen, aber schon ein paar Straßen weiter geht das Leben so etwas wie seinen normalen Lauf. Was man aber deutlich spürt, ist eine gewisse Aufbruchsstimmung. Es gibt derzeit einen ziemlichen Ansturm auf die Ukraine. Sowohl der Westen als auch Russland haben großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Land. Wir hoffen, dass das Land dank des politischen Prozesses an Stabilität gewinnt und davon profitiert. Man hat aber auch gesehen, dass im ersten Überschwang gravierende Fehler wie etwa das umstrittene Sprachengesetz gemacht wurden. Das wurde in der Zwischenzeit aber zum Glück rückgängig gemacht.
Report: Haben Sie momentan Projekte auf der Krim?
Kradischnig: Glücklicherweise nicht. Wir haben in der Vergangenheit schon Projekte auf der Krim realisiert, sind aktuell aber auf Kiew und die Westukraine fokussiert. Was Projekte auf der Krim betrifft, müsste man zuerst die Entwicklungen der derzeitigen Situation abwarten.
Report: Welche finanziellen Auswirkungen wird die aktuelle Krise auf Ihr Ukraine-Geschäft haben?
Kradischnig: Natürlich spürt man die Krise auch in den Büchern. Seit 2009 hat sich das Ukraine-Geschäft für uns sehr gut entwickelt, die Zahlen sind konsequent nach oben gegangen. Große Sprünge haben wir aber noch nicht gemacht. Die aktuellen Entwicklungen werfen uns jetzt zwar wieder etwas zurück, wir hoffen aber, eine schwarze Null zu erreichen.
Report: Würden Sie mit dem Wissen von heute wieder den Schritt in die Ukraine wagen?
Kradischnig: Auf jeden Fall. Wir glauben weiter an den ukrainischen Markt. Ich denke da auch mittel- und langfristig, nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten. Strategisch ist die Expansion in die Ostländer ganz wichtig. Da lernt man auch viel. Natürlich besteht in einem Markt unter derart dynamischen Rahmenbedingungen ein höheres Risiko, dafür sind aber auch die Chancen größer. Auch unsere Gespräche auf der MIPIM haben gezeigt, dass das Interesse am ukrainischen Markt ungebrochen ist. Das Potenzial über alle Wirtschaftszweige hinweg ist jedenfalls vorhanden.
Report: Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie in den nächsten Wochen und Monaten?
Kradischnig: Die ersten Signale in Richtung einer demokratischen Stabilisierung sind sehr positiv. Auch in Sachen Compliance und Bürokratieabbau tut sich einiges. Das ist für die Wirtschaft von großer Bedeutung. Die Stimmung generell ist gut. Ob Maßnahmen wie etwa Sanktionen ihre gewünschte Wirkung entfalten, muss die Zukunft zeigen – ich befürchte, das fördert im Gegenteil eher die Eskalation.
* Das Interview mit Wolfgang Kradischnig wurde am 13. März 2014 geführt.