Sonntag, Dezember 22, 2024

Gefühle können verführerisch sein. Österreich ist ein sicheres Land, denkt so manche Firma – und spart bei der Sicherheit. Oft passiert erst etwas, wenn etwas passiert ist. Dann kann der Schaden aber existentiell sein.

Text von Clemens Rosenkranz

Gerhart Ebner vom Bera­tungsunternehmen Risk­ Consult bestätigt die Asymmetrie: »Das subjektive Sicherheitsgefühl ist in Österreich sehr hoch, daher wird bei der Um­ setzung von Sicherheitsmaßnahmen oft nicht auf risikoerhöhende Dinge geachtet, haben diese doch Eintritts­ wahrscheinlichkeiten von 1:100 oder 1:1000. Mit so langen Zeiträumen hat kein normaler Mensch Erfahrungen.« Während Einbruch und Brand als Risiko klar identifizierbar sind und meist auch Gegenmaßnahmen gesetzt werden, ist die Sicherheit betriebsnotwendiger Daten oft zu wenig im Fokus. Dabei geht es nicht nur um Schutz vor Hackern, sondern darum, dass Daten oft zwar auf externen Trägern im Betrieb liegen, was im Brandfall aber nicht reichen kann. Diese Faktoren werde bei vielen Firmen zu wenig beachtet, sagt Wolf­gang Bruna, Vorstand des Verbands der Sicherheitsunternehmen Öster­reichs (VSÖ) und Geschäftsführer vom Tresor- und Safehersteller Wert­heim. Dass selbst eine gespiegelte Festplatte in einem Brandschutz­ raum zwei Stunden Feuer aushalten müsse, werde selten ausreichend einkalkuliert. »Wird die Firmen-EDV komplett zerstört, dann ist die Firma tot«, warnt Bruna vorm GAU-Risiko. Grundsätzlich sind nur die Kosten für Wiederherstellung der Daten ver­sicherbar.

Investitionen rechnen sich

Beim Brandschutz sind die Be­stimmungen in Österreich dank der strengen rechtlichen Vorgaben sehr hoch. Bei der Sicherheit des Ob­jekts gegen Einbruch, Datenklau oder Werksspionage gibt es dagegen keine rechtlichen Vorgaben. Genau deshalb plädiert Ebner von RiskCon­sult für die Erstellung eines umfassenden Sicherheitskonzepts. Denn eine Summe von Einzelmaßnahmen könne sehr teuer werden, ohne volle Wirksamkeit zu entfalten. »Die Kon­zeption wird absolut unterschätzt«, so Ebner. Habe man einen Betrieb auf die Risikominimierung sensibili­siert, seien die Kosten meist nicht das Problem.

Eines ist aber nahezu fix: Die Kosten für den Einbau adäquater Sicherheitseinrichtungen überwiegen fast immer den kurzfristigen mone­tären Nutzen, sprich niedrigere Versicherungsprämien, denn die ver­sicherten Ereignisse haben geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten. Da her rechnen sich Gegenmaßnahmen nur langfristig. Unterm Strich geht Ebner davon aus, dass weit unter 50 Prozent der Betriebe alle Schwachpunkte, ob Hintereingänge oder Fenster, mit der Widerstandsklasse 3 ausgestattet haben. Sie bestimmt, dass ein technisch mit einfachen mechanischen Hilfsmitteln ausge­rüsteter Täter fünf bis zehn Minuten damit »beschäftigt« ist.

Aber auch Betriebe, die aus Kostengründen kein umfassendes Sicher­heitskonzept haben, können sich ver­sichern lassen. Aber ein niedrigerer Risikostandard schlägt sich natürlich in der Vertragsgestaltung nieder, so Risikobewerter Markus Holub von der HDI. Konkreter könne man das wegen der Heterogenität der Betriebe nicht sagen. Klar sei aber, dass ein Papier- oder Kunststoffunternehmen ein höheres Prozessrisiko habe als ein Ziegelproduzent.

Sicherheitsbewusstsein steigt »Das Sicherheitsbewusstsein der Be­triebe ist meist extrem hoch ausgebildet, was sehr erfreulich ist«, berichtet Holub aus seiner Praxis. Er macht einen Hausbesuch, um gemeinsam mit dem Brand­schutzbeauftragten alle sicherheitsrelevanten Fakten zu erheben. Der daraus resultierende Bericht unterstützt bei der Gestaltung des Versicherungskonzepts. Holub sieht sich als Sicherheitsberater, Firmen könnten von seinem Know-how als Risikoingenieur profitieren, denn ein klassisches KMU habe keine Ressourcen, sich mit Sicherheitsfragen zu beschäftigen. Daher gibt es noch Betriebe, bei de­nen umfassende Sicherheit noch nicht gegeben ist, so Bruna: »Nachholbedarf besteht bei der zusätzlichen Absicherung mit Alarmanlagen, wobei mechanische dann besonders gut funktionieren, wenn sie mit elektronischen verbunden sind. Das gilt aber auch organisatorisch, sprich nur Berechtigte dürfen in den Raum, wo Geld gezählt wird«. Die drei Säulen (me­chanisch, elektronisch, organisatorisch) sind Basis jeden Sicherheitssystems.

Thomas Ollinger, Geschäftsführer des deutschen Familienkonzern Abus in Österreich, ist sowohl mit Lösungen für Endkunden als auch mit hochspeziali­sierten Produkten im Projektgeschäft tä­tig. Trotz aller Mängel im Einzelfall: »Im Gewerbe findet eine automatische Auf­rüstung bei der Sicherheitstechnik statt, im Durchschnitt beträgt die Anlagendau­er fünf Jahre. Dann gibt es ein neues Sicherheitskonzept und man rüstet wieder auf den neuesten Stand auf«, so Ollinger. Zugleich mahnt er eine ständige Über­prüfung ein. Die beste Alarmanlage helfe nicht, werde sie nicht regelmäßig benutzt und gewartet. »Das ist so wie bei einer Heizungsanlage.«

TÜV Austria Consult-Experte Alek­sandar Sekulic, der Bewertung, Bera­tung und Prüfung von Sicherheitssy­stemen anbietet, betont, dass es nicht reicht, ein bestimmtes Sicherheitslevel zu erreichen, sondern dass man die Systeme immer wieder evaluieren und an­passen müsse. »Sicherheit kostet Geld und absolute Sicherheit kann man nicht gewährleisten«, betont Sekulic. Und oft müsse eben erst etwas passieren, damit etwas passiert.

Boom bei Dienstleistungen

Ungeachtet der Lage machen Sicher­heitsdienstleister wie ÖWD, Securitas oder G4S gute Geschäfte. Sie werben mit eigenen Notrufzentralen und Mitar­beitern, die anders als die Polizei auch in ein Gebäude hineingehen können, selbst wenn äußerlich nichts auf einen Einbruch deutet. Christian Sageder vom ÖWD: »Wir können Alarme und Störungen über unser Personal abwickeln, das die nötigen Schritte einleitet. So rufen wir bei einge­schlagenen Fenstern den Glaserer oder bei Stromausfällen den Elektriker.« Einen anderen Vorteil betont Martin Kalchhau­ser, Geschäftsführer von G4S: Wer sein Alarmsystem bei der Polizei zuschaltet, zahlt für einen Einsatz 109 Euro, egal ob es ein Fehlalarm ist oder nicht. Um das Thema Täuschungsalarme in den Griff zu bekommen, sei es sinnvoll, eine Alarmanlage mit einer Videoverifizierung zu kombinieren und diese bei einer privaten Notrufzentrale aufzuschalten.

Größtes Problem beim Thema Sicher­heit ist der Faktor Mensch. Denn nach dem zehnten Fehlalarm nimmt man den elften einfach nicht mehr ernst, sondern stumpft einfach ab. Kaum verwunder­lich, sind doch laut Polizei 98 Prozent aller Alarme Fehlalarme.

Laut Sageder geht der Trend hin zu Komplettlösungen. »Schon jetzt werden bei Ausschreibungen für neue Objekte komplette Sicherheitskonzepte verlangt, der Sicherheitsaspekt ist bei Planung und Errichtung schon integriert.« Ähnlich die Botschaft von Kalchhauser: »Diesen Trend sehen wir seit fünf bis sechs Jah­ren, die Botschaft ›mehr Sicherheit‹ ist schon angekommen«. Davon spürt man bei Bauriesen Strabag noch nicht so viel. »Bei unseren Bauprojekten, die wir für Auftraggeber errichten, haben wir bisher keinen Trend in Richtung mehr Sicher­heit ausmachen können«, lässt der Kon­zern wissen. Dies belegt die Asymmetrie der Wahrnehmung.

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