Das Thema »Wohnen« ist derzeit in aller Munde. Fast jede Partei ist bestrebt, sich zum Schutzherrn von Mietern und/oder Eigentümern aufzuschwingen. Wohnen ist zur Chefsache geworden. Der Bau & Immobilien Report hat sich dort umgehört, wo die eigentlichen Experten der Parteien sitzen, und den Bautensprechern aller im Parlament vertretenen Parteien* zwei entscheidende Fragen gestellt.
1. Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie/Ihre Partei sicherstellen, dass in Zukunft genügend (leistbarer) Wohnraum zur Verfügung steht?
2. Bei welchen Themen ist Ihre Partei bereit, Kompromisse einzugehen, um zu verhindern, dass das Thema »Wohnen« im parteipolitischen Hickhack aufgerieben wird?
Ruth Becher, SPÖ
1. Grundsätzlich ist dafür ein Bündel an Maßnahmen sinnvoll. Die Zweckwidmung der Wohnbauförderung mit Rückflüssen ist sicher eine der effizientesten Maßnahmen und schnell umsetzbar. Ein großes Problem sind auch die hohen Grundkosten. Daher ist es wichtig, eine eigene Widmungskategorie »Sozialer Wohnbau« zu implementieren. Dies betrifft den Zuständigkeitsbereich der Länder und müsste daher in deren Wirkungsbereich erfolgen. Überbordende Normen bzw. Bauordnungen sind zu überprüfen, wie dies schon bei unserer Klubenquete im Herbst 2012 öffentlich breit diskutiert wurde. Um leistbaren Wohnraum zu ermöglichen, muss aber auch eine finanzielle Entlastung im Bereich der derzeit sehr hohen Richtwertmieten im privaten Wohnungssegment erfolgen.
2. Die SPÖ ist in jeder Form gesprächsbereit. Was jedoch nicht denkbar ist, ist eine nachhaltige finanzielle Mehrbelastung und rechtliche Schlechterstellung der MieterInnen. Konkret vorstellbar wäre etwa im thermischen Sanierungsbereich die Erweiterung des Erhaltungsbegriffs und Erhöhung des Finanzierungszeitraums. Bei der Frage der Erhaltung im Inneren liegt schon länger ein fertiges Kompromisspapier der Sozialpartner vor, das seitens der SPÖ mitgetragen wird.
Johann Singer, ÖVP
1.Wohnen bleibt dann leistbar, wenn die Nachfrage nach Wohnraum durch ein entsprechendes Angebot abgedeckt wird. Primäres Ziel der ÖVP ist daher, die Neubauleistung anzukurbeln. So sollen einerseits die Pensions- und Vorsorgekassen die Möglichkeit erhalten, verstärkt in den heimischen Wohnbau zu investieren. Andererseits ist die Raumordnung dahingehend zu ändern, dass bei Umwidmungen dem gemeinnützigen Wohnbau ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird. Wesentlich ist auch, die Bau- und Wartungsvorschriften auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen.
2. Die Österreicherinnen und Österreicher geben einen Großteil ihres Einkommens für Wohnen aus. Das Thema »leistbares Wohnen« ist daher viel zu wichtig, um es den Populisten zu überlassen. Die ÖVP hat ein umfassendes Wohnbaukonzept vorgelegt. Dass am Ende des Tages auch Kompromisse eingegangen werden müssen, ist in einem demokratischen System eine Selbstverständlichkeit.
Bernhard Vock, FPÖ
1. Die Ansprüche an den Wohnbau sind je nach Lebensabschnitt unterschiedlich. Singles suchen kleine Wohneinheiten, Familien große Wohneinheiten und Senioren kleine, barrierefreie Wohneinheiten. Sozialer Wohnbau soll daher intelligent und bedarfsorientiert sein. Die gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften verfügen über enorme Rücklagen, die laut Gesetz besteuert werden könnten, was aber in der Praxis nicht vorgeschrieben wird. Eine Einhaltung der Finanzgesetze würde die Rücklagen auflösen und dem Wohnbau zuführen.
Das derzeitige Mietrecht schützt auch jene Mieter, die bewusst Mietzahlungen unterlassen bzw. Wohneinheiten nicht ordnungsgemäß nützen. Um sich vor derartigen Mietern zu schützen neigen viele private Wohnungseigentümer dazu, Objekte für einen späteren Zeitpunkt leerstehen zu lassen. In der Stadt Mödling sind dies fast 10 % der vorhandenen Wohnungen. Eine Änderung im Mietrecht und raschere Räumungsverfahren könnten viele dieser Wohnungen auf den Wohnungsmarkt bringen und somit – aufgrund des größeren Angebotes – die Mieten senken.
Die Gebührenhaushalte der Gemeinden führen zu enormen Betriebskosten. Eine sparsame und wirtschaftliche Führung der Verwaltung sollte daher in diesem Bereich verstärkt kontrolliert werden.
2. Leider war das Thema Wohnen für die Regierungsparteien in dieser Legislativperiode kein Thema. Der Bautenausschuss im Parlament (zuständig u.a. für das Mietrecht) tagte im Schnitt nur einmal pro Jahr. Wir fürchten daher, dass das Thema Wohnen auch nach der Wahl kein Thema sein wird, sondern dass dies nur während des Wahlkampfes thematisiert wird.
Gabriela Moser, Grüne
1. Die Grundkosten betragen rund 40 % der Baukosten, deshalb ist hier der Hebel vorrangig anzusetzen. Wir fordern eine neue Widmungskategorie »sozialer Wohnbau« und dass bei der Umwidmung zu Bauland ein gewisser Anteil für den sozialen Wohnbau zu einem gedeckelten Preis abgegeben werden muss. Zudem sollen die Bauordnung vereinfacht, Normen entschlackt und die Stellplatzverordnung auf den Faktor 1:0,5 gesenkt werden. Die Wohnbauförderung soll ebenso zweckgebunden werden wie die Darlehensrückflüsse. Der Förderschwerpunkt muss auf Mietwohnungen im Geschoßwohnbau liegen, um den Bodenverbrauch zu reduzieren und die Grundkosten zu senken.
2. Kompromisse sind grundsätzlich in allen Aspekten möglich, die zu einer Vergünstigung des Wohnens führen. Außer im Bereich der Energieeffizienz, da darf es zu keinen Verschlechterungen kommen.
Rainer Widmann, BZÖ
1. Neben der zehnprozentigen Umsatzsteuer auf Mieten ist die Mietvertragsgebühr ersatzlos zu streichen. Weiters ist die Zweckbindung für Wohnbaufördermittel der Länder wiedereinzuführen, damit nicht wohnbaufremde Budgetlöcher gestopft werden können.
Zudem ist das bestehende Fördersystem zu reformieren, damit wirklich nur bedürftige Personen und nicht grüne Spitzenpolitiker in Sozialwohnungen leben dürfen – als ganz klares Signal an die Bevölkerung schlagen wir diesbezüglich einen Ehrenkodex für Politiker vor. Neben dem Mietrecht ist auch das System der Maklergebühren zu reformieren, da derzeit potenzielle Mieter und Käufer für die Vermittlung zahlen müssen.
2. Im Sinne der Bürger ist das BZÖ jederzeit diskussionsbereit. Am Beispiel unserer jüngsten Initiative im Nationalrat zur Zweckbindung der Wohnbauförderung haben wir gezeigt, dass wir im Gegensatz zur Regierung, die eine gemeinsame Initiative zwei Tage nach ihrer Ankündigungen ablehnte, zu sofortigen Kooperationen bereit sind. Aufgrund der Belastungssituation der Österreicher sprechen wir uns klar gegen das Verhalten der Regierung aus, den Themenbereich als Wahlkampfgetöse zu missbrauchen. Es gilt, die lang bekannten Probleme sachlich zu diskutieren, gemeinsame Initiativen umgehend zu setzen und nicht den Wahltermin abzuwarten.
* Vom Team Stronach kam trotz mehrmaliger Urgenz bis Redaktionsschluss keine Antwort.