Ein Vorstoß von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hat das Thema »leistbares Wohnen« in den Fokus der Politik gerückt. Das ist auch dringend nötig, wie die aktuellen Bilanzzahlen des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen zeigen. Denn dem Wohnungsmarkt droht eine gefährliche Schieflage.
In der Baubranche ist das Thema seit Jahren heiß. In der breiten Öffentlichkeit hat ÖVP-Obmann Michael Spindelegger der »Zweckbindung der Wohnbauförderung« zum Durchbruch verholfen. Von allen möglichen Seiten gab es Zustimmung für den ÖVP-Vorstoß. Die SPÖ-Regierungsriege von Faymann abwärts freute sich ebenso wie die Wirtschaftskammer, die Wiener Stadtregierung, die Bundesinnung Bau, die Gewerkschaft Bau Holz, die Gemeinschaft der Dämmstoffindustrie und viele andere Interessenvertretungen. Nur ein paar Landeshauptleute murrten und waren »not amused«. Aus Vorarlberg, Ober- und Niederösterreich kamen mahnende Worte, man dürfe den Ländern die Zweckbindung nicht ohne Kompensationsleistungen aufs Aug drücken. Daraufhin wurde erstmals Tempo zurückgenommen und das Thema von Spindelegger in die nächsten Finanzausgleichsverhandlungen gelegt. Sehr zum Unmut des Koalitionspartners, der das Thema lieber heute als morgen im Parlament behandelt hätte. Eine Umsetzung ist damit frühestens 2015 zu erwarten. Aber zumindest eines ist dem ÖVP-Obmann mit seinem Vorstoß gelungen: das Thema »leistbares Wohnen« – wieder – in die Politik zu holen. Keine Partei wird im Wahlkampf für die Nationalratswahl jetzt noch an diesem Thema vorbeikommen. Und das ist auch dringend nötig, wie die aktuellen Zahlen des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV belegen. Im Jahr 2012 haben die Gemeinnützigen 13.900 Wohnungen fertiggestellt. Das ist gegenüber 2011 ein sattes Minus von 3.300 Wohnungen bzw. 19 Prozent. Die aktuellen Daten der Schnellerhebung des GBV-Verbandes bei seinen 192 Mitgliedsunternehmen lassen zudem befürchten, dass die Flaute im gemeinnützigen Wohnbau auch 2013 weiter anhalten wird. »Zu Jahresbeginn waren 23.200 Wohnungen in Bau, das sind 1.700 oder 7 % weniger als ein Jahr zuvor«, berichtet Verbandsobmann Karl Wurm. Selbst wenn die anvisierten Realisierungszeiträume eingehalten werden können, ist für 2013 lediglich mit 13.700 Neubauwohnungen zu rechnen. Ein leichter Aufschwung kündigt sich erst für 2014 an: Von 24.100 Wohnungen, an denen zu Jahresbeginn die Arbeiten in Gang sind, sollten dann rund 14.300 fertig werden, was ein Plus von 4 % bzw. 600 Wohnungen gegenüber 2013 bedeuten würde.
Konstant hoher Bedarf
Auch wenn die hohe Politik das Thema erst in den letzten Wochen wieder aufgegriffen hat, die Bausozialpartner und viele andere Interessensvertretungen schlagen schon lange Alarm, dass die Schere von Angebot und Nachfrage immer weiter auseinanderklafft. Der jährliche Neubaubedarf liegt laut Experten bei 48.000 bis 50.000 Einheiten. Zwar wurden im Jahr 2012 laut aktuellem Datenmaterial auch knapp 48.000 Einheiten errichtet, die tatsächliche Nachfrage kann aufgrund der deutlichen Verschiebung vom geförderten hin zum frei finanzierten Wohnbau damit aber kaum befriedigt werden. Angesichts der Krise und des historisch niedrigen Zinsniveaus ist viel privates Kapital in den als sicher eingestuften Immobilienbereich geflossen. Jede Menge Vorsorgewohnungen wurden errichtet, die aber zu deutlich höheren Mieten am Markt angeboten werden. »Für die Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen stellt dieses Wohnungssegment keine leistbare Alternative dar«, ist Wurm überzeugt. Ein ausreichendes Angebot an leistbaren Wohnungen setzt ein aktives Handeln der Politik voraus. Laut Wurm werden derzeit rund 7.000 Neubauwohnungen zu wenig gefördert. Mehr als die Hälfte des Fehlbestands entfällt auf den Mietwohnungssektor.
Auch in Wien, der Stadt mit dem größten Wachstum in Österreich, ist der Engpass bei den Wohnungen spürbar. 2012 haben die Wiener gemeinnützigen Bauträger 2.900 Wohnungen fertiggestellt, das ist gegenüber dem außerordentlich guten Baujahr 2011 ein Minus von 43 %. Um den Druck auf den Wohnungsmarkt zu lindern, hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig unter anderem die Wohnbauinitiative gestartet und den Fokus auf grundrissoptimierte Smart-Wohnungen gelegt. Außerdem hat die Stadt Wien den Wohnbaufördertopf für 2013 um 62,4 Millionen Euro auf 619,2 Millionen Euro aufgestockt. Damit hebt sich Wien positiv von den meisten anderen Bundesländern ab. 295,2 Millionen Euro entfallen 2013 auf den Neubau, 211,1 Millionen Euro fließen in die Sanierung und 113,5 Millionen Euro werden für die Subjektförderung aufgewendet.
Aktuell befinden sich in Wien 11.000 geförderte Wohnungen sowie 3.000 Wohneinheiten der Wohnbauinitiative in Bau. 2012 wurden rund 5.000 geförderte Wohneinheiten fertiggestellt, heuer sollen zwischen 5.000 und 6.000 folgen. Zudem soll 2013 der Bau von knapp 6.000 geförderten Wohnungen und rund 2.000 Wohnbauinitiativen-Einheiten eingeleitet werden
Das liebe Geld
Um die steigende Nachfrage nach leistbarem Wohnraum zu sichern, müssten laut Wurm österreichweit jedes Jahr rund 30.000 geförderte Mietwohnungen errichtet werden. »Dafür brauchen wir aber gesicherte und ausreichend dotierte Förderungsbudgets.« Dabei kann Wurm den von ÖVP-Obmann Spindelegger eingebrachten Forderungen durchaus einiges abgewinnen. Neben der Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung spricht sich Wurm auch für die Erschließung neuer Finanzierungsformen unter Einbindung von Pensionskassen und einer Wohnbauagentur aus. Mit dem Ruf nach einer Bundeswohnbauagentur greift er eine Forderung der überparteilichen Nachhaltigkeitsinitiative »Umwelt+Bauen« auf, die sich in ihrem jüngst präsentierten Strategiepapier »Wohnen 2020« für die Schaffung einer derartigen Einrichtung ausspricht. Diese Agentur soll die Grundfinanzierung in der Höhe von 25 bis 30 Prozent der Investitionskosten bei Neubauwohnungen bereitstellen.
Zusätzlich müsse laut Wurm der »Sanierungs-Hype« beendet werden, der immer mehr Gelder aus dem Neubau abziehe und diesen »aushungere«. Die Neubauförderungszusicherungen bei den Gemeinnützigen sind seit 2009 um 21 Prozent zurückgegangen. Die geförderten Sanierungen sind von Einsparungen nicht nur verschont geblieben, sondern haben in den letzten Jahren vielmehr eine beträchtliche Ausweitung erfahren. Zwischen 2009 und 2011 sind die durch Förderungsmittel ausgelösten Sanierungsinvestitionen real um 6 % auf 2,4 Milliarden Euro angestiegen, seit 2001 haben sie sich real gar um 40 % erhöht. Die Zahl der Wohnungen, an denen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, ist um 35 % auf 100.000 Einheiten angestiegen. »Es zeigt sich eine Umschichtung der Förderungsmittel vom Neubau- in den Sanierungssektor«, mahnt Wurm und hofft, dass mit neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Fokus wieder auf den Neubau gerichtet wird.