2008 hatte die EU-Kommission die Rohstoffe entdeckt. Mit vielen Fanfaren wurde die EU-Rohstoffinitiative ins Leben gerufen und zu einem zentralen Grundstein der europäischen Industriepolitik erklärt. Was ist daraus geworden? Eine Spurensuche von Gilbert Rukschcio.
Gleich der erste Satz in der Mitteilung der EU-Kommission zur Europäischen Rohstoffinitiative aus dem Jahr 2008 liest sich eigentlich vielversprechend: »Rohstoffe sind essentiell für ein nachhaltiges Funktionieren von modernen Gesellschaften. Zugang und Leistbarkeit von mineralischen Rohstoffen sind entscheidend für ein gutes Funktionieren der europäischen Wirtschaft.« Er war das Ergebnis beharrlicher Überzeugungsarbeit, dass Rohstoffe für Europas Wirtschaft und Gesellschaft strategische Relevanz besitzen. Österreich spielte übrigens in der Ausarbeitung der EU-Rohstoffinitiative eine wesentliche Rolle, denn der Österreichische Rohstoffplan diente in weiten Strecken als Blaupause.
Von der Politik verwässert, aber noch nicht tot. Was damals jedoch als vielversprechender Startschuss gedacht war, musste dann schnell mit den politischen Realitäten Bekanntschaft machen. So entdeckte der – mittlerweile ehemalige – französische Präsident Sarkozy das Thema für sich und seine Anliegen. Da zu jener Zeit – 2009 bis 2011 – die Preise der Grundgüter wie Weizen oder Roggen an den Börsen rauf und runter gingen, erweiterte die EU-Kommission die Begrifflichkeit primär auf französischen Druck um die »commodities«. Sarkozy wollte damals auf diesem Wege eine Regulierung durchsetzen, die die ungezügelte Spekulation auf Rohstoffe unterbinden und somit die Volatilität einbremsen sollte – im Interesse der französischen Bauern und Lebensmittelkonzerne. Folge war jedoch, dass die EU-Rohstoffstrategie völlig verwässert wurde und seitdem auch mehr oder weniger orientierungslos vor sich hin dümpelt. Doch die Verschärfung der Wirtschaftskrise und die Suche nach einer neuen Industriepolitik könnten neuen Anstoß geben.
Zurück zu den Wurzeln als Neustart? EU-Industriekommissar Tajani hat erkannt, dass Rohstoffen auch in der Wiederbelebung der europäischen Industrie eine Schlüsselrolle zukommt. Erst jüngst rechnete er auf einer Konferenz in Brüssel vor, dass Rohstoffe im Wert von über 100 Milliarden Euro unter europäischer Erde liegen. Ob der Politik in Brüssel auch klar ist, dass es dafür geeignete Rahmenbedingungen geben muss, um diese zu fördern, wird unter anderem die Revision der Richtlinie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen zeigen. Diese soll noch vor der Sommerpause von der Kommission beschlossen werden.
Eine mögliche neue Initialzündung, um dem wichtigen Thema Rohstoffe neuen Schwung zu verleihen, bietet möglicherweise der Rohstoffkongress EUMICON 2012 Mitte September in Leoben, der internationale, europäische und österreichische Akteure und Politiker zusammenbringen wird. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Mal den Worten auch Taten folgen.
Zum Autor: Gilbert Rukschcio studierte Politikwissenschaft in Wien und Aix-en-Provence. Seine berufliche Laufbahn startete er 2005 im Europäischen Parlament. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter von peritia communications und als Politikberater mit Tätigkeitsschwerpunkt in Brüssel für verschiedene österreichische und internationale Unternehmen und Verbände tätig. In seiner Kolumne »Nachricht aus Brüssel« versorgt er die LeserInnen der Report-Fachmedien mit Hintergrundinfos zu europäischen Fragen.