Bei der Produktion von Betonfertigteilen wird flüssiger Beton in eine Schalung aus Holz, Metall oder Kunststoff gegossen. Wenn der Beton ausgehärtet ist, kann die Gussform geöffnet und das Bauteil entnommen werden. Und das kann dauern. Bis zu zwölf Stunden muss man bei einer durchschnittlichen Umgebungstemperatur von 20 Grad Celsius einrechnen. Das ist wertvolle Zeit, in der die Formen nicht genutzt werden können. Daher wird der flüssige Beton oft mithilfe von Wasserdampf erhitzt. Das beschleunigt zwar das Aushärten, fordert jedoch auch viel zusätzliche Energie. Zudem kann es dabei zu inneren thermischen Spannungen, Verfärbungen und einer gröberen Oberfläche des fertigen Betonteils kommen. Diesem Problem soll eine Entwicklung des Chemiekonzerns BASF, die auf den Namen X-Seed hört, entgegenwirken. Dabei handelt es sich um einen Erhärtungsbeschleuniger, der die Wärmenachbehandlung weitgehend überflüssig machen soll.
»Mit X-Seed erhärtet Beton bei 20 Grad Celsius ebenso schnell wie sonst bei 60 Grad Celsius«, erklärt Michael Kompatscher, verantwortlich für den europäischen Betonfertigteilmarkt der BASF. Dafür wird dem Beton etwas zugefügt, was ohnehin schon enthalten ist: Calciumsilicathydrat. Eigentlich sind es Abermillionen winziger CSH-Kristalle von wenigen Nanometern Durchmesser, die in X-Seed in einer Flüssigkeit schweben. Aufgrund ihrer Nanogröße können hier bei gleicher Masse mehr Kristallisationskeime in sehr gleichmäßiger Verteilung untergebracht werden und so für schnelleres Wachstum sorgen. An diese CSH-Keime können sich dann beim Aushärten des Betons weitere Moleküle aus dem Zement anlagern. Die so entstehenden Kristalle verdichten und verhaken sich schließlich zum kompakten Zementstein.
Der Einsatz von X-Seed halbiert bei 20 Grad Umgebungstemperatur die Zeit bis zum Ausschalen laut BASF von zwölf auf sechs Stunden. Unterschiede am Endprodukt sollen keine feststellbar sein. Die größte Herausforderung war laut BASF-Forscher Luc Nicoleau »die synthetischen, nur wenige Nanometer großen CSH-Kristalle in einer flüssigen Suspension über lange Zeit in der Schwebe zu halten, ohne dass sie zusammenbacken und so an Wirksamkeit verlieren«.
Die Einsatzmöglichkeiten für X-Seed sind breit gefächert. So können etwa Betonfertigteilhersteller effizienter und schneller produzieren und Auslastungsspitzen flexibler bewältigen. Das Nanoprodukt kann aber auch die Bauzeit von Straßen, Tunneln oder Flugpisten verkürzen, selbst bei winterlichen Temperaturen. Dabei spart es nicht nur Kosten, sondern wirkt sich auch äußerst positiv auf die Energie- und Klimabilanz und damit auf die Nachhaltigkeit des Werkstoffs Beton aus.