Für Männer stellt das Bauwesen einen wichtigen Beschäftigungsbereich dar, für Frauen ist er zahlenmäßig unbedeutend. Der Frauenanteil liegt bei 5,6 %. In manchen Bereichen können sich Frauen am Bau dennoch durchsetzen und dominieren sogar gewisse Sparten. Geben Frauen auch bei bestimmten Baustilen den Ton an? Unterscheiden sich Baustellen in Frauenhand von jenen ihrer männlichen Pendants?
Achtzig Prozent Frauenanteil in der Baubranche – ein Schreibfehler? Nein, auf einige wenige Sparten des Bauwesens trifft das zu, etwa auf die Sektoren Ziegel und Keramik. In der Baubranche selbst hat aber nach wie vor der Mann das Sagen. Hier stellen Frauen lediglich 5,6 % der Beschäftigten. Maria Epple, Bau-Landesinnungsmeisterin des Burgenlandes, begründet den geringen Frauenanteil vor allem mit Fehlinformation.
Der endlose Kampf gegen die Klischees
»Es braucht vor allem mehr Aufklärung. Natürlich ist man in manchen Baubereichen, z.B. im Maurergewerbe, Witterungen und körperlicher Arbeit ausgesetzt. Aber heutzutage bewegt sich das Ausmaß an schwerer Arbeit dank der technischen Hilfsmittel im Rahmen.« In diesem Zusammenhang wirft Epple einen Blick zurück in die Geschichte: »Was die körperliche Belastung betrifft, haben die Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, zu welch körperlicher Arbeit Frauen imstande sind.« Ausgelernte Facharbeiterinnen, die ihre Berufe in der Praxis ausüben, werden trotzdem wenige bleiben. Baumeisterin Sandra Höbarth begründet das so: »Die meisten jungen Frauen bilden sich nach der Lehrabschlussprüfung weiter und nutzen ihr praktisches Fachwissen an einem Büroarbeitsplatz.« Mehr Frauen sind in den hochqualifizierten Bauberufen zu finden. Bei Architekten, Bautechnikern, bautechnischen Zeichnern, Statikern, Kalkulanten, Bauphysikern und Bauleitern liegt der Frauenanteil bei 10 %. Etwas mehr als 50 % der Studienanfänger des Architekturstudiums sind Mädchen, etwas weniger als 50 % schließen das Studium ab. In den Büros steigt der Frauenanteil ebenfalls. Die Pyramide spitzt sich vor allem bei leitenden Positionen zu. Auf die Frage nach erfolgreichen Baufrauen fällt neben dem Namen Maria Epple, Baulandesinnungsmeisterin des Burgenlands, unter anderen auch DI Brigitte Jilka, Stadtbaudirektorin Wien, DI Sabine Gretner, Landtagsabgeordnete der Grünen für Stadtplanung, Architektur und Bauen in Wien, und Baumeisterin Isabella Leeb, ÖVP Stadträtin in Wien. »Professuren von Frauen im Architektur- und Raumplanungsbereich gibt es verschwindend wenige«, dokumentiert Dorothea Patzl, Obfrau des Vereins frauen bauen. Eine, die sich durchgesetzt hat, ist Univ.-Prof. Dörte Kuhlmann von der TU Wien, Architekturtheorie und Genderthemen. »Dieses Manko findet sich in allen Branchen und Wirtschaftszweigen. Im Bau- und im technischen Bereich ist es jedoch stärker vorhanden, da diese traditionell Männerdomänen sind.« Über das gesamte Bauwesen hinweg gesehen erzielen Frauen einen Anteil an den Beschäftigten von 14 % (Zahlen 1. Quartal 2010). Ing. Maria Lantzberg von FF Fassaden relativiert das ein wenig. »Ich glaube, der Frauenanteil am Bau ist höher. Frauen stehen nur leider nicht in der ersten Reihe. Ich erlebe das sehr oft in meinem Tätigkeitsbereich.«
In qualifizierten Bauberufen konnten Frauen erst im 20. Jahrhundert Fuß fassen. 1919 hat Margarethe Schütte-Lihotsky als erste Architektin ihr Studium abgeschlossen. Seit damals hat sich viel geändert. Die Frauensituation am Bau hat sich deutlich verbessert. »Als ich in den 70er-Jahren maturiert habe, waren an der HTL Mödling von 2.000 Schülern sieben Mädchen. Heute ist dieses Ungleichgewicht nicht mehr so ausgeprägt, ca. ein Drittel der Schüler sind Mädchen«, berichtet Baumeisterin Lantzberg. »Insbesondere die Zahl der Technikerinnen (HTL, FH und TU) ist spürbar gestiegen«, ergänzt Dipl.-Päd. Ing. Thomas Prigl von der BAUAkademie Wien. »Die Hemmung der Mädchen sinkt, einen typischen Männerberuf zu erlernen. Auch ist die Toleranz und der Respekt gegenüber dem weiblichen Geschlecht in technischen Beruf gestiegen«, wertet Sandra Höbarth. »Im Angestelltenbereich gibt es immer mehr junge Frauen, die einen technischen Lehrberuf erlernt oder eine HTL absolviert haben. Frauen dürfen sich nicht hinter ihrem Fachwissen verstecken. Sie müssen zeigen, dass sie locker mit ihren männlichen Kollegen mithalten können. Je mehr Frauen als positives Beispiel voran gehen, desto normaler wird es, dass Frauen im Baubereich erfolgreich sind«, ist Höbarth überzeugt.
Dass der Respekt Frauen gegenüber gestiegen ist, bestätigen zahlreiche erfolgreiche Baufrauen. Ein gewisses Maß an dicker Haut ist aber auf jeden Fall nötig. »Im Berufsalltag ist es für Frauen wesentlich schwerer, die gläserne Decke zu durchbrechen«, weiß Patzl. Baumeisterin Höbarth dagegen berichtet von positiven Erfahrungen: »Für Jungbaumeister ist es nichts Außergewöhnliches, mit Frauen auf einer Ebene zu arbeiten. Die älteren Herren müssen von der Fachkompetenz der Frau am Bau aber oft erst überzeugt werden. Wenn man mit den Facharbeitern respektvoll umgeht, kommt das auch zurück – unabhängig davon, ob der Chef ein Mann oder eine Frau ist.« Neben einem Quäntchen dicker Haut raten Baufrauen der nächsten Generation, folgende Eigenschaften zu pflegen: Durchhaltevermögen, fachliche Kompetenz, Zielstrebigkeit, den Willen zur Weiterentwicklung, auch der persönlichen, und vor allem Freude an der Arbeit. Für Dorothea Patzl von frauen bauen steht fest: »Alle Baubranchen eignen sich genauso gut für Frauen wie für Männer. Den eigenen Interessen und Neigungen zu folgen, ist immer der beste Weg. Man darf sich nicht von traditionellen Rollenbildern beirren lassen.« Laut Höbarth stehen Frauen bereits in vielen Baubereichen am Sprung nach oben. »Frauen sind nicht nur im klassischen Bereich, wie dem Hochbau, aktiv. Auch in konstruktiven und statischen Bereichen, wie z.B. Tunnelbau, Brückenbau oder Wasserbau, sind Frauen auf dem Vormarsch.«
Mit Empathie näher an der Praxis
Einen wesentlichen Unterschied gibt es in der Bauplanung. »Frauen haben für manche Dinge ein besseres Gespür. Sie planen nutzungsorientierter und können sich besser in den späteren Nutzer hineinversetzen als ihre männlichen Kollegen«, stellt Höbarth ihren Kolleginnen und sich selbst ein gutes Bauzeugnis aus.
Und Lantzberg ergänzt: »Von meiner Warte als Baumeisterin gesehen, muss alles praktisch sein. Natürlich zählt auch der optische Aspekt. Aber was nutzt die perfekte Optik, wenn sich Fenster in drei Meter Höhe befinden? Wer soll die putzen? Oder wenn sich Fensterflügel nicht öffnen lassen?« Für Baumeisterin Epple bringen Frauen einfach ihre eigenen Erfahrungen am Bau besser ein. »Bei einem Einfamilienhaus wird eine Frau bei der Planung dafür sorgen, dass die Garage möglichst nah beim Hauseingang ist, um die Besorgungen für die Familie schneller ans Ziel zu bringen.« Spezielle Materialien werden von Frauen nicht bevorzugt, »jedoch erkenne ich vermehrt eine Tendenz zu energiesparendem und nachhaltigem Bauen«, bemerkt Höbarth. Das bestätigt auch frauen bauen-Obfrau Dorothea Patzl.
Kaum Aussicht auf Besserung
Eine Tendenz zu mehr Frauenpower am Bau ist nicht zu erkennen, auch europaweit nicht. Einer Statistik des Frauenministeriums zufolge lag der Anteil der weiblichen Beschäftigten im Baubereich EU-weit bei 8,8 %. Österreich wird mit 13,44 %
zwar die Pole Position zugewiesen, Ausbaupotenzial gibt es aber weiterhin genug. Schlusslicht sind die Slowakei mit 4,65 %
und Griechenland mit 3,28 % Frauenanteil, Malta wird in der Statistik nicht angeführt.
Eine stärkere Positionierung von Frauen am Bau kann aus Sicht von Wirtschaftsexperten und Frauenorganisationen nur durch Aufklärung und Motivation erreicht werden. »Das Bild, dass am Bau nur Ziegel geschupft werden, stimmt einfach nicht mehr. Frauen können sich spezialisieren, wie zum Beispiel auf Innenputz und Fassaden. Da sind Frauen vielleicht sogar besser geeignet«, resümiert Maria Epple abschließend mit einem Lächeln.