Massenspektakel in der Gemeinde Seefeld-Kadolz bei Hollabrunn. Bei Gulasch und Bier machten sich zahlreiche Schaulustige ein Bild davon, wie die Pioniere des Österreichischen Bundesheeres zur Ortspflege beitragen können. Von Alexander Glück.
Ein etwa 100 Jahre altes Mühlensilo, fest gemauert und mit reichlich Stahl angefüllt, hatte zuvor schon einige Abbruchfirmen ratlos abwinken lassen. Für die Gemeinde wurde das Bauwerk zum Problem, erst eine Anfrage des Bürgermeisters beim Verteidigungsministerium eröffnete neue Perspektiven.
Panzer statt Abrissbirnen
Das Militär hat bekanntlich in Friedenszeiten nicht viel zu tun, abgesehen von UNO-Missionen und ständiger Aus- und Weiterbildung. Nicht nur die Soldaten selbst sind dankbar für jede Möglichkeit, das Erlernte mal in der Praxis auszuprobieren; gerade die Ausbildner haben ein besonderes Interesse an praxisnahen Unterrichtseinheiten. So wurde das Abrissproblem kurzerhand zur Schulungssprengung umfunktioniert. Die Vorbereitung und Durchführung wurden generalstabsmäßig durchgeplant, die Vorbereitung dauerte zwei Wochen lang.
Kontrollierter Einsturz
Drei Tage vor der Sprengung wurde die ortsansässige Bevölkerung durch eine Vortragsveranstaltung auf das Ereignis eingestimmt. Im Umkreis von 500 Metern durften kurz vor Zündung keine Passanten mehr herumstehen. Unter den Augen der Neugierigen verteilten die wackeren Pioniere 76 kg Sprengstoff im Gebäude, insgesamt wurden 750 Sprengsätze eingebracht und verkabelt. Die Sprengungsführung zielte darauf ab, das Gebäude im Kern spröde zu machen und dann relativ kontrolliert zum Einsturz zu bringen. Zur Minderung von Erschütterungen hatten die Pioniere im Gebäudebereich etliche Gräben ausgehoben, außerdem wurden die Außenwände mit schweren Panzern unter Zug gesetzt. Dies sollte bewirken, dass die durch die Sprengung gelockerten Mauerteile in vorgegebene Richtungen auseinanderfallen sollten.
Gründliche und präzise Sprengung
Einen Countdown gab es für die Zuschauer leider nicht, dafür allerhand Ansprachen und Grußworte. Der gewaltige Schlag der ersten Explosion kam daher recht überraschend: Mit einem dumpfen, scharfen Knall wurde das wuchtige Bauwerk, einem Schuhkarton gleich, von innen her auseinandergedrückt. Holzbalken, Eisenteile und jede Menge Schutt flogen in die Luft, gefolgt von einer dichten Wolke aus Asche und Rauch, die sich erst Minuten später verzog. Im akzentuierten Licht der kräftigen Frühlingssonne gab das ein malerisches Bild, aus dem nach und nach die Schemen einer Ruine hervortraten. Das 25 Meter hohe Haus, Zentrum der Sprengung, war dahin. Eine zweite Sprengung legte kurz darauf ein Nebengebäude um.
Nicht nur die zahlreich erschienen Gäste waren von der militärischen Gründlichkeit und sprengtechnischen Präzision der Soldaten angetan, sondern auch die Veranstalter selbst. Hatte es zuvor noch Vermutungen gegeben, wonach das Gebäude vielleicht unvollständig demoliert oder womöglich nur in Schieflage gebracht werden könnte, zeigten sich die Verantwortlichen mit dem Ergebnis der Sprengung hochzufrieden. Dabei zeigte sich auch, daß der großzügig bemessene und auch kompromisslos eingeforderte Sicherheitsabstand keineswegs übertrieben war. Keiner der Zuschauer kam zu Schaden.
Unbezahlbarer Ausbildungswert
Was für die Gemeinde eine große Erleichterung brachte, erwies sich für das Bundesheer als seltene Chance, das Können der Sprengtruppe im Rahmen einer Echtsituation zu vervollkommnen. Oberstleutnant Walter Voglauer, Kommandant der Lehrgruppe Sprengdienst, rückte mit 20 Sprenggehilfen an. Für ihn war die gestellte Aufgabe eine »einmalige Herausforderung mit unbezahlbarem Ausbildungswert«, die auf Sprengplätzen nicht simulierbar sei. Zu dem, was die Pioniere dort lernen konnten, gehören die Einrichtung einer Sicherheitszone, Aufschüttung von Schutzwällen, Aushub von Gräben zum Minimieren der Erschütterungen, genaue Vermessung des Sprengobjektes, Berechnung der Sprengstoffmenge, Festlegung der Trennschnitte und der Ladungsplazierung sowie das Bohren von mehr als 500 Löchern.
Die Sprengung ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich bautechnische Maßnahmen sinnvoll in Ausbildungsprogramme integrieren lassen und zugleich eine kleine regionale Attraktion in eine ansonsten eher strukturschwache Gegend bringen. Lediglich die Parkplatzsuche war etwas verwirrend, weil verschiedene Posten unterschiedlich gut informiert waren. Hier hätte eine zentrale Zuordnung der Besucherströme zu verschiedenen Parkflächen deutliche Effizienzsteigerungen bringen können. Sei’s drum: Ortskundige wussten schon sehr früh, dass man den Schauplatz auf verschiedenen Wegen erreichen kann.
Im Frühling 2011 soll an derselben Stelle ein Jugend- und Familienhotel seinen Betrieb aufnehmen. Der Weg dorthin ist nun, zumindest abrisstechnisch, frei.