Sonntag, Dezember 22, 2024
Tantalum. Wichtiger Rohstoff für Kondensatoren und Implantate.Sie sind nur wenigen ein Begriff, aber heiß begehrt.  Metalle, die unter dem Begriff »Seltene Erden« gehandelt werden, finden sich in iPhones und Flachbildschirmen ebenso wie in Hybridmotoren. 97 Prozent des Weltmarktes bestreitet China – und hat damit alle in der Hand.

Yttrium, Neodym oder Europium sind weder ferne Planeten noch Science-Fiction-Figuren.  Sie zählen zu 17 chemischen Elementen, die großteils in der dritten Gruppe des Periodensystems zusammengefasst sind. Wobei die Bezeichnung »Seltene Erden« eigentlich missverständlich ist: Thulium, das seltenste Element davon, kommt häufiger vor als Gold oder Platin. Cer, Yttrium und Neodym sind in der Erdkruste häufiger enthalten als Blei. Aufgrund der Ähnlichkeit ihrer chemischen Eigenschaften und des gemeinsamen Vorkommens in der Natur ist die Gewinnung und Trennung der seltenen Metalle aber sehr aufwendig und damit kostspielig. Zudem sind die Vorkommen nicht immer groß genug, dass sich der Abbau lohnt.

Bekannter als die Rohstoffe mit den seltsamen Namen sind die daraus hergestellten Produkte. Denn jedes der Elemente weist außergewöhnliche Eigenschaften auf, die es für die Hightech-Industrie begehrter denn je machen. Gadolinium etwa ist ferromagnetisch und wird für Plasma-TV-Geräte und CDs verwendet. Lanthan verliert bei sehr niedrigen Temperaturen jeglichen Widerstand gegenüber dem Stromfluss und wird als Supraleiter und bei der Herstellung von Nickel-Metallhydrid-Batterien eingesetzt. Mit Praseodym lassen sich extrem harte und gleichzeitig leichte Metalllegierungen produzieren. Neodym schmilzt bei 1.024 Grad und wird für die Herstellung von kleinen Magneten beispielsweise in iPods verwendet. Europium wird wegen seiner speziellen Lichtwellenlängen bei der Erkennung von Papiergeld und für Flachbildschirme eingesetzt, ebenso Terbium. Cer kommt ähnlich häufig vor wie Kupfer und ist besonders vielseitig: Das Metall­oxid findet als Zündstein in Feuerzeugen und als Polierstoff und Glasfarbe in der optischen Industrie ebenso Anwendung wie in Katalysatoren. Samarium wird in der Lasertechnik eingesetzt, Yttrium als Leuchtstoff in Fernsehern und Monitoren. Lutetium fungiert in Raffinerien als Katalysator für das Aufspalten der Kohlenstoffketten. Promethium wird als Energiespeicher bei Satelliten angewandt, die Elemente Dysprosium und Erbium in der Atomenergie. Ytterbium dient als Strahlungsquelle für Laser. Thulium findet sich in Mikrowellengeräten. Aus Scandium und Holmium wird tagesähnliches Licht, etwa für Stadionbeleuchtungen, erzeugt.

Begehrt und unersetzlich
Einen besonderen Nachfrageschub erhielten die Seltenen Erden durch den Boom der »grünen« Technologien. Die Rohstoffe sind für die Solar- und Windenergie sowie für die Herstellung von Hybrid- und Elektromotoren unentbehrlich. Ein Hybridfahrzeug enthält zehn bis zwölf Kilogramm Seltene Erden. 2010 sollen bereits 1,5 Millionen Stück ver­kauft werden, Tendenz stark steigend. Allein das Interesse an extrem leistungsfähigen Batterien hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. 2009 wurden rund 115.000 Tonnen Metalloxide aus Seltenen Erden verarbeitet. Die Rohstoffagentur Roskill in London prognostiziert für 2012 einen Bedarf von 185.00 Tonnen.

Die Kehrseite der Medaille: Für 97 Prozent der Gewinnung von Seltenen Erden zeichnet China verantwortlich. Mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion zieht das Reich der Mitte für den Eigenbedarf selbst ab. Zugleich steigt die Nachfrage jährlich um etwa zehn Prozent. Bereits ab 2012 rechnen Experten mit Engpässen bei einigen Metallen. China will seine Monopolstellung geltend machen und hat bereits die Exportzölle auf 25 Prozent erhöht und sogar Ausfuhrverbote für einzelne Rohstoffe angekündigt. Zwar werden die Metalle meist nur in sehr geringen Mengen benötigt, sie sind für die Herstellung eines Handys oder einer Energiesparlampe aber inzwischen unabdingbar.

Monopolist China
Größere Vorkommen gibt es außerhalb Chinas derzeit nur in der früheren Sowjet­union, den USA, Kanada und Australien. Für Indien und Malawi existieren Abbaupläne. Das US-Unternehmen Molycorp Minerals LLC, ehemals weltgrößter Produzent, hatte 2002 die unrentable Förderung in einer kalifornischen Mine eingestellt. Bis 1994 hatte die Produktion noch den gesamten Bedarf der amerikanischen Industrie abgedeckt. Die Magnequench International Inc. ver­kaufte ihre Neodym-Produktionsanlage nach China, zwei weitere Magnethersteller schlossen ihre Betriebe 2005. Molycorp will nun in Colorado 450 bis 500 Millionen Dollar investieren, um bis 2012 die Förderung wieder aufzunehmen.

Im Frühjahr sicherte sich das kanadische Unternehmen Bolero Resources weitläufige Liegenschaften in British Columbia, nachdem Probebohrungen die Gewinnung von 60-prozentigem Konzentrat aus Seltenen Erden erwarten ließen. Bereits 2011 will ­Great Western Minerals ebenfalls in Kanada, in Saskatchewan, eine Förderanlage starten.

Doch auch die Chinesen schlafen nicht: Die chinesische Regierung hat angekündigt, Ausbauprojekte der Baotou Steel Rare-Earth Company in der Inneren Mongolei mit umgerechnet rund zwei Millionen Euro zu unterstützen. Schon jetzt stammen 75 Prozent der Seltenen-Erde-Reserven Chinas aus der autonomen Region Baotou. In Australien, wo das kleinen Unternehmen Arafura Resources relativ große Vorkommen entdeckte, standen die Chinesen noch vor der Erschließung der Mine in der Tür. Ein Viertel des australischen Unternehmens gehört nun der Holding-Tochter eines chinesischen Staatsbetriebes, die bereits 22 Minen für diverse Rohstoffe betreibt. Ein anderer australischer Konzern, Lynas Corporation, entging im Vorjahr nur knapp einem chinesischen Übernahmeversuch.

Wie bei der Molycorp-Mine werden jedoch auch die Arafura-Anlagen frühestens Ende 2012 die Produktion aufnehmen können. Im australischen Fall besteht zudem die Gefahr, dass die geförderten Metalle dem chinesischen Liefermonopol zum Opfer fallen und still und heimlich ins Reich der Mitte entschwinden.

Riskante Investments
Parallel zur Nachfrage der Industrie wächst auch das Interesse der Anleger. Wie bei Gold und Öl existieren auch für andere Rohstoffe Zertifikate, so auch für Seltene Erden. Investments in derart volatile Märkte sind jedoch wegen des hohen Risikos bestenfalls als Beimengung zum Portfolio geeignet. Meist bilden diese Finanzprodukte lediglich die Marktentwicklung des Rohstoffes ab, bei den Seltenen Erden waren jedoch Preissteigerungen von 300 Prozent pro Jahr in der Vergangenheit nicht ungewöhnlich.

Die Schweizer EFG Financial Products bietet seit kurzem gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen Structured Solutions Zertifikate auf den Seltene-Erden-Index zur Zeichnung, der nicht die Preisentwicklung der Metalle abbildet, sondern die Wertentwicklung von sieben Minen-Gesellschaften. Für Steffen Scheuble, Vorstand der Structured Solutions AG, war ein Index-Zertifikat längst überfällig: »Das Thema der Seltenen Erden beweist definitiv Zukunftspotenzial, denn nicht zuletzt seit dem Klimagipfel und den Umweltkatastrophen ist der Ruf nach regenerativen Energien lauter denn je.«

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