Der Wohnungsneubau hängt in den Seilen. Jetzt geht es um kreative Finanzierungslösungen. Die Baupakt-Partner versuchen, die Länder zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu bewegen, die Gelder aus der Wohnbauförderung tatsächlich nur für den Wohnbau zu verwenden. Die Begeisterung bei den Landeshauptleuten hält sich in Grenzen. Nur ein Bundesland folgt dem steirischen Beispiel und spricht sich ganz dezidiert für eine gesetzliche Zweckbindung aus.
Der Wohnungsneubau ist weiter rückläufig. Was Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen schon im Herbst herausgefunden hat, wird jetzt auch vom Wirtschaftsforschungsinstitut bestätigt. Seit 2007 nehmen die Wohnbaubewilligungen in Österreich merklich ab. Und dieser Trend wird sich zumindest bis 2011 fortsetzen. 2009 sank die Zahl der Baubewilligungen gegenüber 2008 um 4 Prozent, dieselbe Rate wird für 2010 erwartet. 2011 dürfte der Rückgang mit rund 5 Prozent noch etwas stärker sein. In absoluten Zahlen bedeutet dies für 2010 rund 35.500 Baubewilligungen, für 2011 geschätzte 34.000 Baubewilligungen. Im internationalen Vergleich steht Österreich damit gar nicht mal so schlecht da. In Irland wurden in der Hochphase 2006 jährlich 90.000 Wohnungen fertiggestellt, für 2011 werden 10.000 Einheiten erwarten. In Spanien werden die Neuerrichtungen von 800.000 im Jahr 2007 auf 110.000 runterrasseln. Das Österreich dieses Schicksal erspart bleibt, liegt zu einem Gutteil an den Gemeinnützigen Bauträgern. »Das ist ein ganz exzellentes Instrument. Würde es den gemeinnützigen Sektor nicht geben, müsste man ihn erfinden«, sagt Amann.
Dennoch klaffen Angebot und Nachfrage immer weiter auseinander. Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel sieht Österreich auf eine »Wohnungsnot zusteuern, wenn die Politik nicht entgegenwirkt«. Denn im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Deutschland ist Österreich noch im Wachsen. Laut aktuellen Prognosen wird die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten auf knapp 10 Millionen anwachsen, Wien wird bis 2030 über zwei Millionen Einwohner haben. Dazu kommt der Trend, dass immer weniger Leute in einer Wohnung zusammenleben. »Wie wir in anderen Ländern beobachten können, führt Wohnungsnot zu sozialen Spannungen, Ghettobildung und erhöhter Kriminalität«, sagt Frömmel. Damit es nicht so weit kommt, müssen jetzt die richtigen Maßnahmen gesetzt werden, denn das Produkt »Wohnen« hat eine ziemlich lange Vorlaufzeit. »Kurzfristig kann man da kaum reagieren«, weiß Amann. Vom politischen Beschluss bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Wohnungen auf den Markt kommen dauert es erfahrungsgemäß bis zu sieben Jahre. »Die Finanzierung muss sichergestellt, Grundstücke und Bauträger gefunden sowie Wettbewerbe durchgeführt werden. Und schließlich muss auch noch gebaut werden«, rechnet Amann vor.
Rückschlag für die Baubranche
Der Rückgang im Wohnungsneubau hat aber nicht nur gesellschaftspolitische Auswirkungen. Auch die von der Krise ohnehin schwer gebeutelte Bauwirtschaft leidet beträchtlich unter der aktuellen Entwicklung. Für die Bauwirtschaft bedeutet die aktuelle Differenz zwischen dem Neubaubedarf und der tatsächlichen Neubauleistung einen Umsatzverlust von 2,5 bis 3 Milliarden Euro im Jahr. »Das heißt 25.000 weniger Beschäftigte und bedeutet für den Staat einen Entgang von 800 Millionen Euro an Lohn- und Umsatzsteuer, 300 Millionen Euro weniger Sozialversicherung und natürlich mehr Arbeitslose«, zeichnet Innungsmeister Frömmel ein düsteres Bild.
Von der Politik fordert die Branche ein rasches Handeln. »Der Wohnungsneubau muss dem Bedarf so rasch wie möglich angepasst werden. Die dafür notwendigen Mittel dürfen nicht auf dem Altar der Sanierung geopfert werden«, appelliert Carl Hennrich, Geschäftsführer des Fachverbands Steine Keramik, und spricht damit das zentrale Problem an: die Finanzierung. Im Moment weiß niemand so recht, woher das Geld angesichts von Sparvorgaben und Budgetkonsolidierung kommen soll. Ideen gibt es aber schon. Frömmel denkt an fiskalische Anreize, um Privatkapital zu mobilisieren. »Die Palette reicht von der 15tel-Abschreibung für Stadterneuerungsmodelle über Bauhandwerkerbonus, einen reduzierten Mehrwertsteuersatz bis zur Erweiterung des Sonderausgabentatbestandes für Errichtung oder Sanierung von Wohnraum.« Josef Schmidinger, Vorstand der s-Wohnbaubank, könnte sich eine Stärkung der Wohnbaubanken durch Einbeziehung der Pensionskassen vorstellen und für Wolfgang Amann wäre es sinnvoll, wenn die Wohnbaubanken auch den frei finanzierten Wohnbau finanzieren könnten. Carl Hennrich glaubt, dass vom Bund derzeit nicht viel zu holen ist. Der Hebel muss bei den Ländern angesetzt werden.
Wohnbau vs. Budgetlöcher
Es war der Kardinalfehler in der österreichischen Wohnbaupolitik. Mit der Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung im Zuge des Finanzausgleichs 2008 sind viele Millionen, die der Bund den Ländern zur Verfügung gestellt hat, in andere Kanäle geflossen. Und der Druck, diverse Budgetlöcher zu stopfen, ist in letzter Zeit nicht unbedingt geringer geworden.
Seit 2001 sind österreichweit über 10 Milliarden Euro an Wohnbaudarlehen verkauft worden. Der Erlös von rund 5 Milliarden Euro, das entspricht rund 40.000 Wohnungen und 120.000 Arbeitsplätzen, wurde dabei meist zweckentfremdet verwendet.
Jetzt hofft die Bauwirtschaft, dass sich in den Amtsstuben der Landesregierung die Vernunft durchsetzt. Vonseiten der Baupakt-Partner kommt der Vorschlag einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Länder, die Gelder aus der Wohnbauförderung tatsächlich nur für den Wohnbau zu verwenden. Im Zuge der Landeshauptleutekonferenz Mitte Mai in Klagenfurt wurde versucht, die Politiker von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen. Carl Hennrich berichtet von einem konstruktiven Gespräch mit dem Kärntner Landesrat Christian Ragger, der aktuell die Riege der Wohnbaureferenten der Landeshauptleute anführt. »Landesrat Ragger hat zugesagt, eine Sitzung mit allen Wohnbaureferenten zu organisieren, bei der wir die Möglichkeit haben, unsere Anliegen und Ziele darzulegen«, sagt Hennrich. Die wichtigsten Ziele lauten: Sicherung der Finanzierung über 2013 hinaus und eine ausreichende Dotierung, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert. In weiterer Folge sollen dann auch diejenigen angesprochen werden, die tatsächlich das Sagen haben, die Finanzreferenten und die Landeshauptleute. Und da wird es dann für die Bau-Lobbyisten deutlich schwieriger, ihre Anliegen durchzubringen.
Die Landeshauptleute sind mit der aktuellen Regelung ganz zufrieden. Sie haben weitgehend freie Hand und können mit den Geldern der Wohnbauförderung tun und lassen, was sie wollen. Einzige Ausnahme ist Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Sie spricht sich gegenüber dem Bau & Immobilien Report dezidiert für eine Zweckbindung der Wohnbauförderung aus, und das nicht auf freiwilliger, sondern auf gesetzlicher Basis. »Seit Wegfall der Zweckbindung sind die Begehrlichkeiten anderer Ressorts, die Wohnbauförderungsgelder für das Stopfen von Budgetlöchern oder die Finanzierung von diversen Projekten zu verwenden, sehr präsent«, sagt Burgstaller. Bei einer gesetzlich festgelegten und somit zwingenden Widmung der Wohnbaufinanzierungsmittel für den Wohnbau bestünde diese Möglichkeit nicht. Deshalb will die Salzburger SPÖ beim nächsten Bundesparteitag einen Antrag auf Wiedereinführung der Zweckbindung für die Wohnbauförderung einbringen. Damit folgt Burgstaller ihrem steirischen Amts- und Parteikollegen. Schon im Frühjahr hat der Landtag Steiermark beschlossen, die Zweckbindung auf Landesebene wieder einzuführen und auch den Bund zur Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbaufördermittel aufzufordern. »Ich erwarte mir davon eine Sicherung des sozialen Wohnbaus für die Zukunft«, sagt Voves.
In den anderen Bundesländern sieht man die Notwendigkeit nicht. Man argumentiert, dass das Geld auch ohne Zweckbindung zu 100 Prozent dem Wohnbau zufließt. Wo das nicht der Fall ist, wie etwa in Oberösterreich, wird eine freiwillige Selbstverpflichtung kategorisch abgelehnt.
Sonderfall Wien
Eine Zweckbindung gibt es auch in der Bundeshauptstadt nicht. Die ist auch nicht nötig, denn es fließt deutlich mehr Geld in den Wohnbau, als vom Bund kommt. Während 2009 in vielen Bundesländern die Bautätigkeit drastisch zurückging, konnte Wien mit einem Plus von 8,7 Prozent die höchste Steigerung im Bundesgebiet verzeichnen. 283 Millionen Euro wurden in den Neubau von rund 7.000 Wohnungen investiert. Dazu kommen 214 Millionen für die Sanierung und 93 Millionen für die Subjektförderung. Damit investiert die Stadt Wien insgesamt rund 600 Millionen Euro über das Instrument der Wiener Wohnbauförderung. Dies sind im Schnitt 150 Millionen Euro mehr, als vom Bund kommt. Außerdem löste die Stadt Wien durch die Investitionen in Neubau und Sanierung ein Bauvolumen von 1,425 Milliarden Euro aus, wie Wohnbaustadtrat und Vizebürgermeister Michael Ludwig erklärt.
Umfrage: Das sagen die Landeshauptleute
Der Bau & Immobilien Report hat sich bei den Landeshauptleuten umgehört, ob Sie sich – wie von den Baupakt-Partnern vorgeschlagen – eine freiwillige Selbstverpflichtung vorstellen können, die Gelder aus der Wohnbauförderung tatsächlich nur für den Wohnbau zu verwenden. Die Antworten fallen unterschiedlich aus und sind in der Regel sehr politisch. Es wird viel geplaudert und wenig gesagt. So richtig festlegen möchte sich eigentlich niemand. Schließlich steht immer irgendwo eine Wahl ins Haus und da will man es sich mit niemandem verscherzen. Nur der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, der seine Wahl schon im Vorjahr erfolgreich geschlagen hat, kann frei vom Kampf um Wählerstimmen sprechen. Seine entwaffnend ehrliche und erfrischend unpolitische Antwort: »Nein.«
Keine Antwort gab es vom wahlkämpfenden Hans Niessl aus dem Burgenland. In Kärnten herrschte bis Redaktionsschluss Uneinigkeit über die Zuständigkeit.
Für Aufsehen sorgt die Antwort aus Salzburg. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller will sich selbst Fesseln anlegen und spricht sich für eine gesetzliche Zweckbindung aus.
Zwei Sonderfälle sind die Steiermark und Wien. Die Steiermark hat auf Landesebene bereits die Wiedereinführung der Zweckbindung beschlossen. Voves sieht zwar »die Schwächen des bestehenden Fördersystems, das Prinzip bleibt aber unverzichtbar, um auch in Krisenzeiten leistbaren Wohnraum sicherzustellen«. Und Wien gilt in der Wohnbaupolitik nach wie vor als Musterschüler. 2009 wurden insgesamt rund 600 Millionen Euro über das Instrument der Wiener Wohnbauförderung investiert. Dies sind im Schnitt 150 Millionen Euro mehr, als der Bund im Rahmen der früher bereitgestellten Wohnbauförderungsmittel im Rahmen des Finanzausgleiches zur Verfügung stellte.
Hier die Antworten auf die Frage »Können Sie sich vorstellen, einer freiwilligen Selbstverpflichtung zuzustimmen, die Gelder aus der Wohnbauförderung tatsächlich nur für den Wohnbau zu verwenden?« im Wortlaut:
LH Gabi Burgstaller, Salzburg: »Freiwilligkeit ist gut, eine gesetzliche Verpflichtung der Zweckbindung der Mittel für den Wohnbau ist aber besser. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sich die Verantwortlichen bei der erst besten Gelegenheit bzw. im Fall von Budgetnöten sehr rasch von dieser freiwilligen Selbstverpflichtung verabschieden.«
LH-Herbert Sausgruber, Vorarlberg: »Die aus dem Wohnbauförderungsbeitrag gespeisten Mittel, die dem Land Vorarlberg zukommen, werden zur Gänze dem Wohnbau zugeführt. Darüber hinaus werden erhebliche Mittel aus den allgemeinen Steuermitteln für Zwecke der Wohnbauförderung verwendet.
LH Josef Pühringer, Oberösterreich: »Nein.«
LH Günther Platter, Tirol: »Das Regierungsprogramm für Tirol sieht vor, dass auch in Zukunft allen Tirolerinnen und Tirolern leistbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt wird und die Wohnbauförderung in der bisherigen Höhe mit Setzung neuer Schwerpunkte beibehalten wird.«
LH-STV Wolfgang Sobotka, Niederösterreich: »Wir brauchen weder eine Vorschreibung des Bundes noch eine freiwillige Selbstverpflichtung, weil wir ohnehin 100 Prozent der Wohnbauförderungsgelder für den Wohnbau verwenden. Wir möchten aber die Freiheit habe, die Gelder dort einzusetzen, wo es am besten für die Menschen ist.«