Ein Überblick über die Sanktionen bei Verstößen gegen die Pflichten der EU-Lieferkettenrichtlinie.
Text: Mathias Ilg, Müller Partner Rechtsanwälte
Zuständigkeit der Behörden und Kontrolle.
Die Durchsetzung der Richtlinie obliegt den nationalen Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten, die Unternehmen zur Kooperation zu verpflichten und deren Einhaltung zu überwachen. Aufsichtsbehörden haben das Recht, Untersuchungen durchzuführen, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und bei Verstößen Sanktionen zu verhängen. Eine EU-weite koordinierende Stelle soll die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten fördern, um eine einheitliche Durchsetzung sicherzustellen.
Zwangsgelder und Haftung
Eine zentrale Säule der Durchsetzung der Richtlinie ist die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, ihre nationalen Aufsichtsbehörden zur Verhängung von Sanktionen zu ermächtigen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben hierbei grundsätzlich einen Spielraum, welche Sanktionen von ihren Aufsichtsbehörden verhängt werden können. Allerdings müssen diese »abschreckend, verhältnismäßig und wirksam« sein. In jedem Fall müssen die nationalen Aufsichtsbehörden Zwangsgelder verhängen können, deren Höchstmaß sich mindestens auf fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens belaufen muss. Die Entscheidung über Art und Höhe der Sanktionen hängt unter anderem von der Dauer und Schwere des Verstoßes sowie vom Engagement des Unternehmens zur Beseitigung der Verstöße ab. Konkret bedeutet dies, dass erhebliche Verstöße, wie etwa die bewusste Duldung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen, besonders hohe Bußgelder zur Folge haben können.
Neben diesen (Verwaltungs-)Strafen sieht die Richtlinie auch eine verschuldensabhängige zivilrechtliche Haftung vor, wenn Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nicht (ausreichend) nachkommen. Unternehmen sollen nach Maßgabe des nationalen Rechts für die vollständige Entschädigung von Schäden, die bei natürlichen oder juristischen Personen entstehen, haften. Keine Haftung besteht jedoch für Schäden, die ausschließlich von den Geschäftspartnern verursacht wurden.
Weitere Sanktionen und "Blame and Shame"-Ansatz
Neben Zwangsgeldern und zivilrechtlicher Haftung sieht die Richtlinie bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten weitere Maßnahmen vor. So verfügen die nationalen Aufsichtsbehörden über die Befugnis, Anordnungen zu treffen und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Zudem sind Beschlüsse der nationalen Aufsichtsbehörden über die Verhängung von Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen die Lieferketten-RL für fünf Jahre öffentlich zugänglich (»blame and shame«). Dies kann zu einem zusätzlichen (Image-)Schaden führen und das Vertrauen von Kunden und Investoren schwächen.
Darüber hinaus sieht die Richtlinie vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Einhaltung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie für öffentliche Auftraggeber als Teil der Vergabekriterien berücksichtigt werden. Öffentliche Auftraggeber können daher Bewerber bzw. Bieter von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn diese gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben.
Fazit
Das EU-Lieferkettengesetz stellt eine bedeutende Maßnahme zum Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards dar. Unternehmen sollen zur Verantwortung gezogen werden, ihre globalen Lieferketten auf Verstöße zu überprüfen und Abhilfe zu schaffen. Der EU-Gesetzgeber setzt dabei – wie auch in anderen Bereichen – vor allem auf eine »Selbstregulierung« der Unternehmen mit umfassenden Erhebungs-, Bewertungs- und Dokumentationspflichten, deren Verletzung drakonische Strafen, zivilrechtliche Haftung und Ausschlüsse von öffentlichen Aufträgen nach sich ziehen kann. Gerade hohe Verwaltungsstrafen sind vor dem Hintergrund der Haftungsbestimmung des § 5 VStG nach österreichischem Recht durchaus kritisch zu sehen.
Quelle: Müller Partner Rechtsanwälte