Die Forschung im Bereich Beton und Betonbau wird seit einigen Jahren vor allem durch ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit geprägt. Im Fokus stehen primär die Dekarbonisierung des Betons bzw. des Bindemittels Zement und das Thema Kreislaufwirtschaft.
Die Österreichische Zementindustrie hat im Jahr 2022 ihre »Roadmap zur CO₂-Neutralität der österreichischen Zementindustrie bis 2050« präsentiert. In dieser Roadmap sind die einzelnen Bereiche und deren Potenziale angeführt, die zur Erreichung der »CO2-Neutralität« bis 2050 entsprechende Reduktionen umsetzen müssen. Fast ein Viertel, nämlich 22 % der erforderlichen Reduktion werden dem Bereich »Zement und Beton« zugeschrieben. Und gerade hier liegt ein Schwerpunkt der aktuellen Forschung in den Bereichen Zement, Bindemittel (= Zement/e + Betonzusatzstoff/e) und Beton. Der Einführung der neuen klinker- und damit CO2-reduzierten Zemente mit der Bezeichnung CEM II/C gingen umfangreiche Untersuchungen im Rahmen einer Forschungsaktivität voraus. Dabei wurden unter anderem Vergleichsprüfungen von Betonen durchgeführt, die einerseits mit dem neuen Zement und andererseits mit bisher bereits erprobten Zementen hergestellt wurden. Bei den Vergleichsprüfungen wurden unterschiedliche Umwelteinflüsse (z. B. Karbonatisierung) in Prüfverfahren simuliert, und es war nachzuweisen, dass die Betone mit den neuen CEM II/C-Zementen eine zumindest gleichwertige Leistungsfähigkeit wie die bisherigen Bindemittel aufweisen. Derartige Nachweise werden auch als »Performanceprüfungen« bezeichnet.
Eine Herausforderung, die sich hier zusätzlich ergibt, ist, dass bisher gut erprobte »Ersatzstoffe« für den Klinker im Zement bzw. Zementersatzstoffe im Beton entweder gar nicht mehr zur Verfügung stehen oder die Verfügbarkeit zunehmend eingeschränkt wird. Hier geht es primär um Stoffe wie Flugasche, die z.B. bei Kohlekraftwerken entsteht, und um Hüttensand, der als Nebenprodukt bei der Stahlerzeugung anfällt. Die Suche nach neuen geeigneten »Ersatzstoffen« stellt einen Schwerpunkt der Forschung im Bereich Zement und Bindemittel dar.
Nachhaltigkeits-Benchmarks
Die Chancen der Dekarbonisierung im Bereich Beton liegen in der Optimierung der Betonzusammensetzung und in der Verwendung CO2-reduzierter Ausgangsstoffe (Zement, Betonzusatzstoffe). Über viele Jahrzehnte wurde der Beton nach dem sogenannten deskriptiven Konzept zusammengesetzt. Über klar festgelegte Vorgaben der Zusammensetzung des Betons war in Verbindung mit den vorliegenden Erfahrungen zu den Ausgangsstoffen die Anwendbarkeit bei unterschiedlichen Umwelteinflüssen sichergestellt. Bei alternativen Betonzusammensetzungen und neuen Ausgangsstoffen sind, wie beim Zement, auch beim Beton neue Nachweisverfahren über Performanceansätze erforderlich. Hier liegt derzeit einer der Forschungsschwerpunkte im Bereich Beton. Neue Betonzusammensetzungen, neue Ausgangsstoffe und neue Prüf- und Nachweisverfahren werden in umfangreichen Forschungsprojekten untersucht.
Hervorzuheben ist hier ein vierjähriges Forschungsprojekt unter dem Titel »Nachhaltigkeits-Benchmarks für österreichische Betone, ein Baustein auf dem Weg zur CO2-Neutralität«, an dem neun österreichische Betonhersteller, vier akkreditierte Prüfstellen und die TU Graz als wissenschaftliche Leitung und Begleitung eingebunden sind. Vorrangiges Ziel des Projektes ist es, für Österreich repräsentative Festbetonkennwerte für unterschiedliche Umwelteinflüsse als Grundlage für zukünftige Performancenachweise zu ermitteln. Dabei werden derzeitige »Standardrezepte«, Normengrenzrezepte, aber auch alternative Betonzusammensetzungen mit teils neuen Nachweisverfahren untersucht. Einfließen werden die Erkenntnisse dieses Forschungsprojektes bei der zukünftigen Umsetzung der »Expositionswiderstandsklassen« nach dem neuen Eurocode 2 (Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken).
Beton im Kreislauf
Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich ist dem Thema Kreislaufwirtschaft gewidmet. Die Gesteinskörnungen machen rund 80 % der Masse von Beton aus. Die Wiederverwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen ist daher der größte Hebel bei der Herstellung von Beton für eine effektive Kreislaufwirtschaft.
Mit der Veröffentlichung der derzeit gültigen Betonnorm ÖNORM B 4710-1 im Jänner 2018 wurden erstmals normative Festlegungen für die Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen bei der Herstellung von Beton in Österreich fixiert. Dabei wurden die Empfehlungen der europäischen Betonnorm, Regelungen in anderen Ländern (z. B. der Schweiz) aber auch regionale Erfahrungen berücksichtigt. Vereinfacht und zusammengefasst kann gesagt werden, dass die derzeitigen nationalen Festlegungen aufbauend auf den nationalen Erfahrungen mehr Möglichkeiten bieten, rezyklierte Gesteinskörnungen bei der Herstellung von Beton anzuwenden, als in der europäischen Betonnorm vorgesehen. Allerdings gehen diese nicht so weit wie in der Schweiz, die hier europaweit sicher eine Vorreiterrolle einnimmt und dabei auf jahrzehntelange Erfahrung aufbauen kann.
Um die Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen bei der Herstellung von Beton weiter forcieren zu können, muss auf wissenschaftliche Grundlagen aufgebaut werden. Mehrere unterschiedliche Forschungsprojekte befassen sich derzeit mit genau diesem Thema. Bei umfangreichen Untersuchungen und Prüfungen werden die Möglichkeiten des Einsatzes rezyklierter Gesteinskörnungen bei unterschiedlichen Betonanforderungen ausgelotet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können die Grundlage für zukünftige normative Festlegungen bilden und damit die Kreislaufwirtschaft in der Betonbauweise weiter fördern.
Best Practice: Nachhaltiger Betondruck
Baumit und das Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Graz haben eine 3D gedruckte Deckenkonstruktion entwickelt, die bis zu 45 Prozent Gewicht und über 30 Prozent CO2 spart.
Der 3D-Druck gilt vielen als große Zukunftshoffnung der Branche. Ganze Häuser sollen aus dem Drucker kommen – und tun es zum Teil auch schon. Bei Baumit verfolgt man einen etwas anderen, pragmatischeren Ansatz. Nicht die ganz großen, spektakulären Zukunftsvisionen mit ungewissem Ausgang stehen im Fokus, sondern Anwendungen mit unmittelbarem Mehrwert und Praxispotenzial. So etwa das gemeinsam mit dem Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Graz entwickelte Rippendeckensystem. Dabei werden 3D-gedruckte Aussparungskörper – statisch optimiert – auf einer Schalungsplatte mit der offenen Seite nach unten aufgelegt, die Bewehrung und Ökobeton dazwischen eingebracht. Das Ergebnis ist eine zweiachsig gespannte Rippendecke, die bereits jetzt die CO2-Ziele von 2030 erfüllt.
In der Baumit-Zentrale in Wopfing kann man einen Blick auf die Funktionsweise des Systems werfen. Dort steht seit kurzem ein 80 m² großer Pavillon mit Rippendecke aus dem 3D-Druck-System »BauMinator«. »Es ist uns gelungen, rund 45 Prozent leichter als bei konventioneller Planung zu bauen und dabei über 30 Prozent CO2 einzusparen«, erklärte Robert Schmid, Eigentümer und Geschäftsleitung Baumit, im Rahmen, der offiziellen Eröffnung. Aber auch im großen Maßstab, mit Deckengrößen von über 700 m², wurde das Rippendeckensystem in Österreich und Deutschland inklusive aller notwendigen Prüfungen umgesetzt. Zu besichtigen sind diese Rippendeckensysteme in Lunz am See, Nördlingen sowie in Bludenz, Folgeprojekte sind bereits in Arbeit.
Beim BauMinator handelt es sich um ein optimal abgestimmtes Gesamtsystem aus Spezialmörtel, Roboter, Pumpen und Software. Obwohl Lage auf Lage gedruckt wird, ist das Material so homogen, wie gegossen. Bauteile in Größen von ca. 2 × 3 × 0,4 Meter sind in zwei Stunden fertig gedruckt.
Bild: Das von Baumit und dem Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz entwickelte neue Rippendeckensystem. Hier im Baumit-Pavillon in Wopfing.