2022 hat die Asfinag mit der Errichtung einer Lärmschutzwand entlang der A2 ein erstes Lean-Pilotprojekt abgewickelt. Treiber dahinter war nicht das Management, sondern das Baustellenteam vor Ort. Die positiven Erfahrungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in der Asfinag. Heute kommt Lean österreichweit zum Einsatz, aktuell in 23 Projekten. Und es werden laufend mehr.
"Die Asfinag nimmt in Österreich die Rolle ein, die die Deutsche Bahn in Deutschland innehat", sagt Martin Stopfer, Geschäftsführer der Lean Baumanagement GmbH. Anders als im Personenverkehr ist das in der Projektabwicklung durchaus als Kompliment zu verstehen. Die Deutsche Bahn gilt als äußerst innovativ, arbeitet mit Allianzverträgen und ist hauptverantwortlich dafür, dass sich Lean Baumanagement im Nachbarland großflächig durchgesetzt hat. "Diese Pionierrolle hat in Österreich die Asfinag inne", ist Stopfer überzeugt.
Seit zwei Jahren begleitet Stopfer Lean-Projekte der Asfinag. Den Anfang machte 2022 eine Lärmschutzwand entlang den A2 zwischen Laxenburg und Biedermannsdorf. "Die Entscheidung, das Projekt lean abzuwickeln, wurde nicht vom Management getroffen. Es war Projektleiter Alexander Hanisch, der mit der Idee an uns herangetreten ist", blickt Andreas Fromm, Geschäftsführer Asfinag Baumanagement, zurück. Aufgabe des Managements sei lediglich gewesen, die Idee zu unterstützen. "Wir haben die Chance und das Engagement des Baustellenteams genutzt und ein Pilotprojekt gestartet", erklärt Fromm. Mit an Bord als externer Lean-Experte war auch Martin Stopfer. "Obwohl es sich um ein Pilotprojekt handelte, war es kein Lean light. Wir haben gleich das volle Programm umgesetzt", erinnert sich Stopfer. Lean wurde seitens der Asfinag in der Ausschreibung verankert. Von Anfang an war laut Stopfer eine andere Form der Kultur spürbar. "Es wurde von beiden Seiten sehr offen und transparent gearbeitet und kommuniziert", sagt Stopfer. Positive Rückmeldung von Projektleitung der Asfinag erhielt auch Andreas Fromm. Um sich selbst ein Bild zu machen, besuchte er gemeinsam mit seinem Geschäftsführer-Kollegen Alexander Walcher die Baustelle. "Es war genial zu sehen, was da passierte. Da war eine ganz andere Dynamik spürbar", sagt Fromm. Die positiven Eindrücke hielten laut Fromm auch einer genaueren Überprüfung nach Projektende stand. Durch die umfangreichen Vorarbeiten konnte der Zeitplan ohne Probleme eingehalten werden. In den Lean-Besprechungen im eigens geschaffenen Lean-Raum wurden alle Gewerke aufeinander abgestimmt und die einzelnen Schritte eng getaktet. Trotzdem gab es keine unvorhergesehen Zwischenfälle, die zu einer Störung des Projektablaufs geführt hätten, weil jeder wusste, was zu tun war. Die Bauarbeiten fanden mit wenigen verkehrsbedingten Ausnahmen zwischen 7 und 17 Uhr statt. Bildlich festgehalten wurde das alles mit einem Zeitraffervideo, das nach Projektende erstellt wurde. "Das hat ausgesehen wie Fließbandarbeit. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt. Das hat uns alle wirklich beeindruckt", sagt Fromm.
Nach dem Pilotprojekt
Mit dem Pilotprojekt konnte die Asfinag intern und extern zeigen, dass Lean funktioniert und beide Seiten nach dem Motto "Best for Project" profitieren. "Als Auftraggeber wollen wir wirtschaftliche Angebote für die von uns geforderte Leistung. Diese Leistung gelten wir auch gerne ab", sagt Fromm. Es gehe bei einem laufenden Projekt nicht darum, Kostenreduktionen zu erzielen, sondern bestmögliche Qualität zu erhalten. Die Sorge mancher Auftraggeber, das die Auftragnehmer kein gesteigertes Interesse an Lean und dem "Best for Project"-Gedanken haben, kann Stopfer nehmen. "Jeder Auftragnehmer will effizienter und ressourcenschonend arbeiten." Mit Lean können Personal, Geräte und Material eingespart werden. Es gibt weniger Mängel und weniger Nacharbeiten. "Durch die Ressourcenschonung ist Lean gelebte Nachhaltigkeit", sagt Stopfer.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts zeigten schnell auch andere Regional- und Projektleitungen der Asfinag Interesse. "Wir schreiben Lean nicht vor, wir bieten österreichweit Unterstützungsleistungen an, die abgerufen werden können", sagt Fromm und berichtet von laufend steigendem Interesse. Aktuell werden 23 große Projekte der Asfinag mit Lean abgewickelt. Mittel- und langfristig sollen alle komplexeren Projekte, wie etwa Rastplätze mit vielen verschiedenen Gewerken oder umfassende Sanierungsmaßnahmen, lean sein. "Die Entscheidung trifft aber immer der Projektleiter", bekräftigt Fromm.
Es gibt viele unterschiedliche Lean-Werkzeuge und -Methoden. Bei den Lean-Projekten der Asfinag kommt vor allem das Last Planner System zum Einsatz. "Das beinhaltet auch viele andere Werkzeuge und Methoden wie die Wertstromanalyse, Kanban, 5W, Taktplanung und -steuerung", erklärt Stopfer (siehe auch Kasten).
Die nächsten Schritte
Mit dem österreichweiten Lean Roll-out hat die Asfinag einen wichtigen Schritt gesetzt, ist aber längst nicht am Ende der Reise. Aktuell wird an einem Statistiktool gearbeitet, das Lean-Projekte mit anderen, ähnlich gelagerten Projekten vergleicht, um so valide Daten für den Nutzen und Mehrwert des Lean-Einsatzes zu bekommen. Es soll mehr internes Know-how aufgebaut und die Anzahl der Lean-Projekte deutlich gesteigert werden. "Unsere Erfahrungen mit Lean sind schon jetzt sehr positiv. Wir wissen aber auch, dass noch einiges vor uns liegt", so Fromm.
___________________________________________
Lean-Werkzeuge und -Mehoden bei der Asfinag
Bei der Asfinag kommt vor allem das Last Planner System zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der die Bauprojektabwicklung in enger Kollaboration aller Gewerke realisiert wird. Ebenfalls angewendet werden unter anderem…
Kanban... ein Werkzeug zur Prozesssteuerung mittels Pull-Signalen wie Post-it-Zettel, um das Just-In-Time-Prinzip zu realisieren.
Wertstromanalyse... ein Werkzeug zur Identifikation der Verschwendung in Prozessen.
5S-Prozess... ein Werkzeug zur systematischen Strukturierung der Arbeitsplätze mit Ausrichtung auf Wertschöpfung.
5W-Ursachenanalyse... ein Werkzeug zur systematischen Identifikation von Problemursachen, indem fünfmal »warum?« gefragt wird.