Samstag, Dezember 21, 2024
Zahnrad Nachhaltigkeit

Mit dem Green Deal verfolgt die Europäische Kommission das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2025. ESG-Initiativen dienen dazu, Unternehmen ökologisch nachhaltiger und sozial verantwortlicher zu machen und tragen damit wesentlich zu Reputation und Wettbewerbsfähigkeit bei. Vieles, das heute noch Kür ist, wird morgen Pflicht sein.

 

Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, nicht nur wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sondern auch ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Hier kommt die ESG-Compliance ins Spiel, die verschiedenste Aktivitäten wie in einem Spinnennetz im Rahmen des Green Deal der EU umfasst. »Auf einen Blick alle Zusammenhänge zu erkennen, ist schwierig«, betont Elisabeth Sardy-Rauter, Director Immobilien-, Infrastruktur- und Bausektor bei EY Österreich. Man müsse die Kriterien aus der Taxonomie herausarbeiten und auf das eigene Projekt umlegen. »Und man muss den einen oder anderen Absatz dreimal lesen, um ihn zu verstehen, dazu vielleicht auch noch die vom BMK zusammen mit klimaaktiv verfasste Nachweisempfehlung für Österreich«, so Sardy-Rauter. Ab 2025 treffe es die gesamte Baubranche. »Da werden einige noch recht überrascht sein, was auf sie zukommt, weil sie sich meiner Einschätzung nach bis heute noch nicht damit beschäftigt haben.«

Hier sieht Thomas Belazzi von bauXund auch das Hauptproblem für die Umsetzung von ESG. »Es gibt immer noch Leute, die glauben, dass sie das nichts angeht, wenn sie nur lange genug wegschauen. Nachhaltigkeit muss zentraler Teil der Firmenverantwortung sein.«
»Bis jetzt war Nachhaltigkeit auf das freiwillige Engagement der Unternehmen angewiesen«, betont Robert Lechner, Vorstand des Österreichischen Ökologie-Instituts und Geschäftsführer von pulswerk. Zwar steht es auch heute noch jedem Unternehmen frei, grüne oder graue Immobilien auf den Markt zu bringen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Taxonomie bilden künftig aber zentrale Erfolgsfaktoren für die Marktbeständigkeit von Unternehmen.

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Bild: »Heute funktioniert vieles noch freiwillig. Es werden aber sicher fixe, zu erfüllende Prozentsätze kommen«, gibt Thomas Belazzi, bauXund, zu bedenken.

Immer mehr Investor*innen, Kund*innen und andere Stakeholder*innen fordern laut Andreas Hofstätter, Senior Manager im Bereich ESG/Immobilien bei PwC Austria, Transparenz über gesetzte Maßnahmen. »Unternehmen, die über ihre ESG-Performance berichten, haben bessere Chancen, Kapital anzuziehen und Finanzierung zu besseren Konditionen zu lukrieren.« Finanzinstitute legen bei Kreditvergaben einen starken Fokus auf die Taxonomie-Konformität von Projekten, da sie selbst regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie unterliegen. »Der größte Hebel für das Portfolio wird von uns im Bereich der energetischen Transformation gesehen«, betont Hofstätter.

ESG-Pflicht?
»Die Umsetzung von ESG wird heute noch nicht kontrolliert, es gibt auch noch keine Strafen, aber es kann bereits ausschreibungsentscheidend sein«, so Gunther Graupner, Geschäftsführer der eigens von der Bauinnung für Innovationen gegründeten Zukunftsagentur Bau. »Wenn Subunternehmer einen Auftrag nicht erhalten, ist das Strafe genug.« Verpflichtend ist allerdings – mit Abstufungen – das ESG-Reporting. Darin legen Organisationen offen, wie sich ihre Aktivitäten auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Mitarbeiter*innen auswirken. »Der Aufwand für die erste Berichterstattung ist mit Sicherheit hoch«, stellt Robert Lechner klar. Oft werde gerade im Neubau eine Gebäudezertifizierung bereits durchgeführt, z. B. ÖGNI oder klimaaktiv, wodurch viele nachhaltige Ansätze bereits enthalten sind und Daten vorliegen. Zu Nachhaltigkeitsberichterstattung waren bislang lediglich große Unternehmen von öffentlichem Interesse und mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen verpflichtet. Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen, einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro oder einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro (zwei Kriterien müssen erfüllt werden) sind ab Januar 2025 in der Pflicht, KMU folgen ab Januar 2026. Letztere können einen Aufschub bis 2028 in Anspruch nehmen.

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Bild: »In Zukunft werden Finanzierungen auf ökologische, nachhaltige Kriterien geprüft werden«, informiert Gunther Graupner, Zukunftsagentur Bau. Dafür braucht es die Umsetzung von ESG.

Reporting für kleinere Bauunternehmen
Kleinere Unternehmen sind von den Berichtspflichten bereits betroffen, wenn etwa Auftraggeber oder Finanzierer entsprechende Nachweise verlangen, da sie selbst regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie unterliegen. Dass Subunternehmen das ESG-Reporting im gleichen Umfang wie Großunternehmen erstellen müssen, darf aber bezweifelt werden. »Dieses Thema schlägt bei uns in der Innung schon auf. Mit der SCA-Gruppe sehen wir uns derzeit an, wie die Berichterstattung in unterschiedlichen Abstufungen aussehen muss«, informiert Gunther Graupner. Betrieben soll dazu ein Dreier-Package angeboten werden, das allgemeines Know-how enthält, Textbausteine für ESG-Berichterstattung, eine kurze Roadmap ebenso wie Crash­kurse zum Thema Nachhaltigkeit an den BauAkademien und eine Ausbildung zum Nachhaltigkeits- und ESG-Manager ähnlich dem Arbeitssicherheits- und Brandschutzverantwortlichen. »Wir glauben nicht, dass alle Betriebe eine detaillierte Berichterstattung machen müssen. Derzeit ist das Feld noch so offen, dass keiner genau sagen kann, was unbedingt drinnen stehen muss.« Im ersten Quartal 2025 soll das Package fertig sein.

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Tabelle: Die BARC Studie »Der Status Quo der ESG- und Nachhaltigkeitsberichterstattung – Herausforderungen und Empfehlungen für 2025« nennt die größten Herausforderungen bei der Durchführung einer ESG-Berichterstattung.

Auswirkungen von ESG auf den Bauprozess
Die Integration von ESG-Prinzipien in die Bau- und Planungsprozesse führt zu einer grundlegenden Veränderung hinsichtlich der Entwicklung von Immobilienprojekten, von der Standortauswahl über die Baustoffe bis hin zum Energiemanagement. »Wir sind jetzt in einer Umbruchphase. Was bisher nur Vorreiter mit Hilfe von Nachhaltigkeitszertifikaten gemacht haben, wird sukzessive auf breite Teile des Marktes ausgerollt. Und das ist gut so«, betont Robert Lechner. Es braucht auch mehr Zusammenarbeit und diese muss früh beginnen.

»Das Abstimmen von Bauherr, Planer, Architekt und Nachhaltigkeitsexperten erfordert ein Umdenken«, erklärt Klaus Sonnenschein, Energy & Sustainability Consultant bei Drees & Sommer Wien. Es dürfe nicht zuerst der Plan vom Architekten gezeichnet und dann erst geschaut werden, was man grüner machen kann. Es brauche eine integrale Planung mit den verschiedenen Fachleuten. Für Gunther Graupner liegt in der Auswahl der Materialien Riesenpotenzial. »Materialien müssen über den gesamten Lebenszyklus bewertet werden.« Für Robert Lechner geht es um den Ausbau nachhaltiger Wirtschaftsweisen als Standard im Unternehmen und nicht als Zusatz für irgendeinen externen Berater, der einmal im Jahr sein Testat abliefert. ESG- und Taxonomie-Reporting seien eine Teamaufgabe, welche sich weit ins Unternehmen verzweigt.

Hürden für ESG
Inaktivität oder Halbherzigkeit in der Umsetzung sieht Thomas Belazzi als größte Stolperfalle. »Je später wir uns in Bewegung setzen, um so dramatischer sind die Aktivitäten, die man setzen muss.« Dass generell nicht ausreichend Daten vorliegen, verneint Christoph Gutknecht, Geschäftsführer von United Climate. »Prinzipiell braucht man weniger Daten als vermutet, um Aussagen treffen und Vergleichbarkeiten herstellen zu können.« Man müsse sich genau ansehen, welche Daten wirklich benötigt werden und Bestandhalter bei der Auswahl, Erhebung und Aufbereitung begleiten. Um den Aufwand gering zu halten, werden Portfolios nach gleichförmigen Objekten geclustert. Für den jeweiligen Cluster wie z. B. Handelsflächen oder Wohnbauten gleicher Typologie und gleichen Erhaltungszustands reiche es vorerst sicher, idente Daten bei nur ein, zwei Objekten zu erheben und diese dann hochzurechnen.

Elisabeth Sardy-Rauter, EY Österreich, erkennt Schwierigkeiten bei der Datenerfassung und -bereitstellung, insbesondere entlang der Lieferkette. Einen Lösungsansatz sieht sie in Digitalisierung. »Daten müssen möglichst digital verarbeitet werden, man darf nicht auf händische Ablesung setzen.« Abgesehen davon sieht sie großen Bedarf an der weiteren Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen. Es dürfe zu keiner Lagerbildung von ESG-Verfechtern und jenen kommen, die das nicht interessiert. Hierzu braucht es auch Weiterbildung.

Ausbildung
Nachhaltigkeit hat viele Verbindungen in andere Bereiche. »Es erfordert daher einen hohen Aufwand, um einen Überblick zu erhalten«, betont Klaus Sonnenschein, der auch externer Lektor für Gebäude, Energie und Design an der FH Technikum Wien ist. »Die letzten Jahre haben Banken begonnen, Know-how aufzubauen. Viele Bankmitarbeiter kennen sich mittlerweile mit einem Energieausweis oder dergleichen oft besser aus als ein Architekt.« Jetzt geht es weiter in Richtung Entwickler und ausführende Firmen. Allerdings braucht es dafür laut Gunther Graupner keinen eigenen Berufsstand. »Es wird und muss mit Zusatzqualifikationen des bestehenden Personals handelbar sein. Wir werden es uns nicht leisten können, eigene ESG-Experten für Bauprojekte heranzuziehen.«

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Bild: »Dass sich einzelne Immobilien- und Bauunternehmen nicht so sehr mit Nachhaltigkeit beschäftigen, hängt für sie mit dem schwierigen Markt­umfeld zusammen, wie hohe Zinsen und Finanzierungskosten, Fachkräftemangel und z. B. wenig Transaktionen«, erkennt Elisabeth Rauter, EY Österreich. Man stehe vielfach mit dem Rücken zur Wand.

 

Auszug aus ESG-Kriterien (Pave)

Environment
- CO2-reduziertes Bauen
- CO2-freier, ressourcenschonender Betrieb
- Materialeinsatz im Sinne der Kreislaufwirtschaft
- Minimierung des Energie- und Wasserverbrauchs, Wasserwiederverwertung
- Müllreduktion und -Recycling
- Geringer Flächenverbrauch bei Neubau

Social
- Arbeitssicherheit
- Einhaltung Arbeitsrecht und Gesundheitsschutz
- Mietpreisgedämpfte Flächen für soziale und kulturelle Projekte
- Erschwerte oder keine Vermietung an ethisch bedenkliche Unternehmen
- Auswahl von Dienstleistern und Zulieferern nach ethischen Gesichtspunkten
- Unterstützung sozialer Projekte

Governance
- Transparenz gegenüber Anlegern, Investoren und staatlichen Organen
- Aktives Risikomanagement
- Engagement bei der Implementierung von ökologischen und sozialen Standards der Immobilienwirtschaft
- Einsatz innovativer IT-Plattformen mit vernetzter Projekt-, Kalkulations- und Controlling-Software

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