Der traditionelle Bauprozess mit sequenziellen Phasen ist im Holzbau nicht möglich. Es bedarf einer geschlossenen Kette.
Der mehrgeschoßige Holzbau entwickelt sich seit Jahren positiv und resultiert in herausragenden Projekten – Wohnungsbauprojekte werden immer größer und höher. »Das liegt einerseits an der technischen Weiterentwicklung – Holz ist ein Hightech-Baustoff, in kaum einer anderen Baubranche ist der Automatisierungsgrad derart weit fortgeschritten –, andererseits am zunehmenden ökologischen Bewusstsein von Investor*innen und Projektentwickler*innen«, weiß Gerald Schönthaler, Geschäftsführer von Rubner Ingenieurholzbau Österreich. Leuchtturmprojekte in Holzbauweise wie das Roots und HoHo bestimmen die Berichterstattung.
»Es ist wichtig, dass diese Projekte errichtet werden. Wenn man sieht, dass Holzbauten in großen Höhen möglich sind, hat das einen Vorbildcharakter. Die Projekte müssen Strahlkraft haben«, betont Norman Schirmer vom Fachverband Holzindustrie. Das sei auch im Sanierungsfall wichtig. Denn in Österreich wurden etwa 70 Prozent aller Wohngebäude vor 1990 gebaut, die meisten in den 1970er-Jahren. Seit Jahrzehnten stagniere die jährliche Sanierungsrate bei 1,5 Prozent, das Ziel liegt bei drei Prozent. »Holz ist ein vielseitiger und nachhaltiger Baustoff, der sich ideal für die Sanierung von Bestandsgebäuden eignet.« Dafür hat etwa Stora Enso den Bausatz Sylva entwickelt, der aus vorgefertigten, maßgeschneiderten Massivholz-Elementen besteht, die just-in-time auf die Baustelle geliefert werden. Das ermöglicht schnelleres Bauen, geringere Kosten, die effizientere Nutzung von Rohstoffen und weniger Emissionen als bei Stahl und Beton. Berichte zeigen, dass sich Sylva am Markt gut entwickelt. Die Eintrittsbarrieren für mehr Holzbau zu verringern, ist gut gelungen, die Holzbau-Anwendungen von Sylva sind als Wände, Decken, Treppen oder Balken und Stützen im Zuge von Gesamtkonzepten bei Projektentwickler*innen und Investor*innen präsent. Zuletzt konnte das Portfolio mit Sylva Services aus der modernsten, vollautomatisierten Beschichtungsanlage in Ybbs erweitert werden.
Holz voran
Der exakte Anteil an Gebäuden in Holzbauweise ist aktuell schwierig zu beziffern. Es gibt einige Studien, aber Ziel ist eine durchgängige Erfassung der Bauweisen von Gebäuden über die Statistik Austria. Vorzeigeprojekte beeindrucken, aber der rote Faden ist schwer zu erkennen, vor allem für Wohnbauträger, die Holzbau zum ersten Mal realisieren. Holzbau muss in die Breite kommen. »Mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen erreichen wir heute bereits einen hohen Holzbauanteil«, nennt Bernd Höfferl von proHolz Austria die Steiermark mit einem Anteil von knapp 30 Prozent im geförderten Geschoßbau als Vorzeigeregion. »Die erfreuliche Holzbauquote ist Verdienst der vielen innovativen Unternehmen, guter Voraussetzungen als waldreichstes Bundesland Österreichs und intensiver Forschung in diesem Bereich«, betont die steirische Landesrätin Simone Schmiedtbauer und verweist auf das Institut für Holzbau und Holztechnologie an der TU Graz. Das Material Holz wird außerdem unterstützt, indem für den Bau mit ökologischen Baustoffen höhere Baukostenobergrenzen bestehen: 2.850 Euro pro m² im Gegensatz zu 2.600 Euro pro m² bei konventionellen Baustoffen.
Wien weist dagegen erst vereinzelt Holzbauprojekte auf. »Gebäude mit acht bis zwölf Geschoßen sind Normalität in einem Stadterneuerungsgebiet. Da passen Anforderungen, technische Möglichkeiten und Kostenrahmen für Holz oft nicht ganz zusammen«, so Höfferl. Das sei aber eine politische Frage. Der Trend hin zu mehrgeschoßigen Wohnbauten in Holzbauweise ist aber laut Johannes Brunn, Experte für Holzsystembau bei Rhomberg, in allen großen Städten im DACH-Raum erkennbar. Ein wirkungsvoller Hebel sind dabei Förderungen wie der CO2-Bonus der Holzinitiative, das Wohnbaupaket und die Förderungen der einzelnen Bundesländer. »Ziel des CO2-Bonus ist es, den mehrgeschoßigen Wohnbau und großvolumige Projekte im öffentlichen Bereich österreichweit zu forcieren«, informiert Höfferl. Derzeit wird ein neuer Förder-Call mit Start Anfang Juli 2024 vorbereitet.
Bild: Das sechsgeschoßige Holzmassiv-Wohngebäude Walden 48 in Berlin ist ein Beispiel innerstädtischer Nachverdichtung. Im Vergleich zur konventionellen Bauweise war die Bauzeit dank des hohen Vorfertigungsgrades im Rubner-Werk um etwa drei Monate kürzer.
Holz ermöglicht anderes Bauen
Die Baustellen der Zukunft sind keine Greenfield-Projekte mehr, es wird also nicht auf der sprichwörtlich grünen Wiese gebaut. »Bauen der Zukunft findet in beengten Verhältnissen statt, die Einflussfaktoren von Stakeholdern werden stärker«, prophezeit Johannes Brunn. Die Vorfertigung spielt dem Holzbau dabei in die Hände, denn mit hoher Geschwindigkeit können vor Ort in sehr kurzer Zeit Hochbauprojekte realisiert werden. »Wir haben bei uns intern festgestellt, dass die Montagezeit eines Rohbaus in Holzbauweise nur ein Fünftel der schon sehr schnellen Zeit bei Verwendung von Betonfertigteilen beträgt.« Holzbau funktioniert dabei nur als geschlossene Kette. »Baubegleitendes Planen wie bei Beton, wo man später noch Bohrungen hinzufügt, ist beim Holzbau nicht möglich«, informiert Brunn und beschreibt den Holzbau als Mannschaftssport. Im Holzbau werde nur einmal gebaut, da könne man nach Abschluss nicht einfach so eingreifen wie zum Beispiel bei einem Betongebäude. »Das geht aus bauphysikalischen und statischen Gründen nicht.« Daher muss in einer sehr frühen Projektphase erkannt werden, welches Projekt gut als Holzbau funktioniert und das muss man anschließend auf Auftraggeberseite, Architektenseite und mit den ausführenden Firmen umsetzen.
Erreichte Holz-Meter
Trotz des großen Potenzials fällt die Wahl am Ende nach wie vor oft nicht auf den Baustoff Holz. Woran liegt das? Der Bau & Immobilien Report hat Bernd Höfferl von proHolz gefragt. Seine rasche Antwort: »Holz hat sehr viel Potenzial, es muss nur richtig eingesetzt werden. Dafür benötigt es eine gute sowie auch frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Planung und praktischer Umsetzung sowie weitere Aufklärung. Wir brauchen mehr Wissen und mehr Kooperation.« Webinare von proHolz unterstützen beispielsweise beim Aufbau von Holzbaukompetenz. Durch die Änderungen der EU-Gesetzgebung, die zu Nachhaltigkeitsreporting verpflichtet, spürt man einen starken externen Treiber, der immer weiter in die Branche und in den Markt hineindrückt.
Auch die Investoren legen immer stärker Gewicht auf nachhaltiges Bauen. »Das führt zu einer Veränderung in der Branche«, stellt Holzsystembau-Fachmann Johannes Brunn fest. Und das rückt den Holzbau, der momentan die einzige nachhaltige Bauweise ist – in dem Sinne nämlich, CO2 neutral zu sein – stark in den Fokus.
Bild: Rhomberg hat vor kurzem ein siebenstöckiges Holzhybridgebäude in Lustenau in Vorarlberg in zwei Wochen fertiggestellt, ein großes Wohnbauprojekt mit über 200 Wohnungen in Salzburg ist in Planung.
Forschung
Stora Enso Wood Product arbeitet daran, die Kreislaufführung von Holz signifikant zu steigern. Die Projekte: Woodcircles EU Horizon consortium (Kreislauflösungen für den nachhaltigen Holzbau; 2023-2027) und TimberLoop (Wiederverwendung von Massivholzstrukturen; 2022-2024). Bernd Höfferl, proHolz, nennt weitere Forschungsprojekte:
- Timber Use and Maintain, kreislaufgerechte Holztafelbaukonstruktionen (TU München)
- Grade2New, Kreislaufführung im großen Maßstab (Holzforschung Austria)
- circularWOOD, Rückbaubarkeit (TU München/Hochschule Luzern)
- N.E.S.T., u. a. bindemittelarme Holzfaserdämmung, Oberflächenbeschichtung mit nanofibrillierter Zellulose, antimikrobielle Holzoberflächen, hydrophobes Holz, magnetisierbares/mineralisiertes Holz,funktionalisierte Zellulose in Silikon, Buchenbrettsperrholz als Konstruktionsholz für den Modulbau (Empa)
Hintergrund: Holzlasur ohne Konservierungsmittel
Die Synthesa-Gruppe mit Sitz in Perg (OÖ) hat die erste Holzlasur ohne Konservierungsmittel entwickelt. Durch den Verzicht auf Konservierungsmittel beim Produkt Capadur Decorlasur KF können selbst Allergiker befreit durchatmen. 2022 hat die Synthesa-Gruppe das Patent für wässrige konservierungsmittelfreie Holzbeschichtungen erhalten und in der Folge Capadur Decorlasur KF entwickelt. Capadur Decorlasur KF ist eine Lasur zur farbigen Gestaltung mit hoher Farbtonstabilität und UV-Beständigkeit, die vollkommen auf Biozide verzichtet. Das Produkt ist innen und außen anwendbar und bietet eine optimale Schimmelpilzresistenz und Lagerstabilität. Der Verzicht auf Konservierungsmittel vermindert zudem die Schadstoffbelastung von Natur und Wohnräumen. Seit April ist das Produkt vorerst auf dem deutschen Markt erhältlich. Ob und welche weiteren Märkte folgen, ist derzeit noch offen.
Fotos: Garbe Immobilien-Projekte Störmer Murphy and Partner, Jan Bitter, Rhomberg Bau