Eine Masterarbeit der FH Wien der WKW hat untersucht, wie sich die Kultur in einem Projekt auf dessen Erfolg auswirkt. Auf Basis von 38 konkreten Projekten konnte ein direkter Zusammenhang zwischen Projektkultur und Projekterfolg nachgewiesen werden. Der Bau & Immobilien Report präsentiert die wichtigsten Ergebnisse.
Das Thema Projektkultur wird in der österreichischen Bauwirtschaft nach wie vor etwas stiefmütterlich behandelt. Zwar gibt es seit über zehn Jahren immer wieder Versuche, das Thema aus der Nische zu holen, und einige Apologeten wie Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer der Delta, oder Mediator und Coach Gerald Schafferer reden sich seit Jahren den Mund fuselig, um die Branche für das Thema zu sensibilisieren, so ganz hat »die Kultur« den Liebhaber- und Idealistenstatus noch nicht ablegen können.
Selbst bei der IG Lebenszyklus, unbestritten ein Vorreiter in Sachen Projektkultur, musste Kradischnig als Gründungsmitglied Überzeugungsarbeit leisten, um in der Neuauflage des 2012 erstmals erschienenen Leitfaden zur Projektabwicklung neben den »Prozessen« und der »Organisation« auch die »Kultur« als dritte Säule für erfolgreiche Bauprojekte aufzunehmen. Das größte Problem der Projektkultur ist seine schwere Greifbarkeit. »Kultur ist etwas sehr Softes. Es gibt anders als etwa beim Budget keinen fixen Rahmen zur Orientierung«, weiß Kradischnig. Noch schwieriger ist die Antwort auf die Frage, ob und wie sich die Projektkultur auf den Projekterfolg auswirkt. Ausgerechnet dieses heikle Thema hat Dominik Jaros, Projektleiter bei der BauConsult Group, zum Thema seiner Masterarbeit an der FH Wien der WKW gemacht, betreut von Wolfgang Kradischnig.
Jaros zeigt in seiner Arbeit, was eine gute Projektkultur ausmacht, wie der Projekterfolg definiert wird und welche Korrelation es gibt. Dafür führte er Experteninterviews durch und untersuchte 38 konkrete Projekte mittels Fragebogen.
Eine Frage der Kultur
Die Projektkultur regelt das Miteinander und schafft Orientierung, aber auch Unterschiede, sie verteilt Aufgaben und Ressourcen und stiftet Identität. Über allem steht der Mensch. »Bauen ist peoples business«, ist Jaros überzeugt. Demzufolge steht bei einer guten Projektkultur der Mensch im Mittelpunkt. »Wie wird miteinander kommuniziert? Wie geht man miteinander um? Wie sehen Besprechungen aus? Wie transparent sind Abläufe und Entscheidungen? Das sind wichtige Säulen einer guten Kultur«, sagt Kradischnig. Dazu zählen aber auch die Ausstattung der Gemeinschaftsräume oder die Hygiene in den Sanitäranlagen. »Das zeigt Wertschätzung und Respekt. Die Mitarbeiter spüren, dass sie auf dieser Baustelle etwas zählen«, so Kradischnig.
Eine gute Projektkultur beginnt mit dem Bekenntnis und dem Mindset des Auftraggebers, der die Einstellung und die Vorgaben an die Projektleitung und Projektsteuerung weitergeben muss. »Die sind für die Ausführung zuständig. Aber wenn ein Auftraggeber Transparenz zulässt und auch sich selbst in die Pflicht nimmt, macht das etwas mit einer Baustelle«, ist Kradischnig überzeugt. Dazu kommt, dass Kultur vorgelebt werden muss und es muss kontinuierlich daran gearbeitet werden. »Werden Transparenz, ehrliche Kommunikation, Respekt und eine positive Fehlerkultur vorgelebt, greift das von ganz oben bis unten«, sagt Jaros. Auch regelmäßige Kick-off-Veranstaltungen und soziale Events helfen, die Kultur und das Miteinander zu stärken. »Hier können Richtlinien auch klar vorgegeben werden und sogar schon Teil der Ausschreibung sein«, so Jaros.
Was ist Erfolg?
Vermeintlich deutlich einfacher als die Kultur ist der Erfolg eines Projekts zu bewerten. Aber auch der Erfolg liegt im Auge des Betrachters. Während laut einer Studie des deutschen ProjektMagazins für Auftraggeber die »zufriedenen Nutzer« die wichtigste Kenngröße sind, sind es für Projektleiter die »erreichten Qualitätsanforderungen«. Besonders interessant ist, dass sowohl Termin- als auch Budgettreue für beide Seiten eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dieselbe Studie kommt zu dem Schluss, dass die wichtigsten Faktoren für den Projekterfolg aus dem Bereich der Projektkultur kommen. »Verbindlichkeit in Entscheidungen«, »Verlässlichkeit« sowie »Engagement« stehen in der Liste (siehe oben) ganz vorne. »Vertrauen ist in komplexen Systemen die wichtigste Währung. Und ein Bauprojekt ist ein äußerst komplexes System«, sagt Kradischnig.
Die Ergebnisse
Die 38 von Jaros untersuchten Projekte zeigten einen klaren Zusammenhang zwischen Projektkultur, respektive aktiver Kulturarbeit, und dem Projekterfolg. Eine sehr gute Projektkultur führte mit einer Ausnahme immer zu einem erfolgreichen Projekt. Bei dem nicht erfolgreichen Projekt handelte es sich allerdings um einen Baustopp aufgrund nicht beeinflussbarer äußerer Umstände. Wird die Kultur als mittelmäßig wahrgenommen, bewegt sich das Projekt in Richtung russisches Roulette. »Wenn ich die Kultur dem Zufall überlasse, steigt das Risiko eines Misserfolgs deutlich an«, so Jaros.
Bild: »Von zentraler Bedeutung für eine gute Kultur ist die intrinsische Motivation des Projektleiters. Wenn die nicht vorhanden ist, wird es schwierig«, sagt Dominik Jaros, BauConsult Group.
Werkzeuge und Methoden
Aktuelle Trendthemen wie Lean Construction oder alternative Bauverträge sind keine Voraussetzung für eine gute Kultur, auch mit klassischen Methoden kann ein hohes Maß an Kultur erreicht werden. Es wird aber einfacher. Bei Lean Management oder Allianzverträgen geht es viel um Transparenz, um Fairness und Nachvollziehbarkeit. »Alles ist dokumentiert und sichtbar. Da müssen alle Beteiligten Farbe bekennen. Das stärkt das Miteinander«, ist Kradischnig überzeugt.
Bild: »Gut ausgestattete Gemeinschaftsräume und saubere Sanitäranlagen zeugen von Wertschätzung und Respekt. Die Mitarbeiter spüren, dass sie auf dieser Baustelle etwas zählen«, sagt Wolfgang Kradischnig, Delta.
Projektkultur – Do’s and Don’ts
Do's
✔ Transparenz
✔ Projektabwicklung auf Augenhöhe
✔ Ehrliche Kommunikation
✔ Stärken sichtbar machen
✔ Positive Fehlerkultur leben
✔ Zu Fehlern stehen
✔ Nicht auf Fehlern »herumreiten«
✔ Fehler ohne Gesichtsverlust besprechen
✔ Aus Fehlern lernen
✔ Referenzen durch gemeinsamen Erfolg
schaffen
✔ Lösungsorientierte Konfliktkultur
✔ Mediation und andere Lösungsmethoden
der außergerichtlichen Konfliktregelung
Don'ts
✘ Bewusste Fallen einbauen
✘ Jemanden zum Verlierer machen
✘ Profitieren auf Kosten anderer
✘ Verdeckte Interessenskonflikte ungeklärt lassen
Methoden und Werkzeuge für eine verbesserte Projektkultur
1. Code of Culture
Eine positive Grundhaltung wie fairer Wettbewerb, faire Verträge, Vertrauen, respektvoller und wertschätzender Umgang sowie Transparenz.
2. Kultur-Erkennungs- und Aufbausystem
Der Versuch, Entwicklungen, die Misstrauen erzeugen könnten, frühzeitig erkennen und gegensteuern.
3. Konfliktmanagement
Erfolgversprechende Maßnahmen sind Kompromisse oder Einigung. Diese können durch Hinzuziehen von Dritten ermöglicht werden. Vermieden werden sollten Streit, Machteinsatz und Verdrängung, weil damit das Misstrauen gestärkt wird.
4. Kick-off-Veranstaltungen
Kick-off-Veranstaltungen zählen zu den wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen und können und sollen an verschiedenen Punkten des Projekts durchgeführt werden.
5. Spielregeln
Ebenso wie der Projektauftrag, Termine, Kosten und Qualität sollte die Projektleitung – idealerweise gemeinsam mit dem Projektteam – auch Spielregeln für das gemeinsame Miteinander festlegen.
6. Vertrauensbildende Maßnahmen
Dazu zählen soziale Events und Feiern, Projektreviews, Stimmungsbarometer und die Frage nach dem »Wie« sowie Feedbackgespräche zum Projektende
7. Alternative Vertragsmodelle
Alternative Vertragsmodelle wie Allianzverträge verbessern die Kultur, weil das gemeinsame in den Vordergrund gestellt wird und statt Win-lose-Situationen Win-win- oder Lose-lose-Situationen eintreten.