Sonntag, Juni 30, 2024
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(Titelbild: iStock)

Der Weg zu vielfältiger Gestaltung und Nachhaltigkeit im Außenbereich von Gebäuden führt über den Trockenbau.

»Die klassische Anwendung für Trockenbauer in der Gebäudehülle ist nach wie vor die hinterlüftete Fassade. Diese Bauweise ist nicht neu«, sagt Manfred Schreiner, Präsident des Verbands Österreichischer Stuckateur- & Trockenbauunternehmungen, VÖTB. Die vorgehängte hinterlüftete Fassade gebe es seit Jahrzehnten, weiterentwickelt hat sich aber die Auswahl der eingesetzten Materialien.

In den letzten Jahrzehnten wurden Außenwände und Fassaden aus Beton oder Mauerwerk mit einem Vollwärmeschutz ausgeführt, teilweise auch mit Spezialplatten aus Faserzement, Alucobond oder Glas. Gipskartonplatten sind nur spritzwasserbeständig und können daher nur im Innenbereich eingesetzt werden. Für den Außen-und Fassadenbereich gibt es spezielle wasserresistente Platten wie etwa Aquapanel, Powerpanel, Aquaroc oder zementgebundene Platten anderer Hersteller. Heute widerstehen sie jeder Bewitterung, sind innen wie außen verwendbar. »Das ist für uns Trockenbauer neu«, gibt Manfred Schreiner, zusätzlich Geschäftsführer von Schreiner Trockenbau, zu. 

Neues Terrain

Lange Zeit hat Trockenbau aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit der Systeme, der Standardisierung und durch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten in Österreich nur im Innenausbau eine zentrale Rolle gespielt. »Die Gebäudehülle wurde vorwiegend massiv errichtet, andere Länder haben längst in Leichtbau gearbeitet«, spricht Schreiner das vorsichtige Verhalten heimischer Bauunternehmer an. Dadurch ist Österreich hinter den nordischen Ländern, aber auch Deutschland positioniert. »In Italien haben wir schon vor Jahren Gebäude mit kompletten Fassaden in Trockenbauweise mit zementgebundenen Platten besichtigt«, erinnert sich Schreiner. Trockenbau sei bei Fassaden ebenso einsetzbar wie bei Außenwänden, -decken und Dachüberständen, hat aber noch Optimierungspotenzial.

Nachhaltigkeit ist ein entscheidender Faktor im heutigen Bauwesen. »webertherm freestyle« von Saint Gobain bietet u. a. eine extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit von 0,034 W/mK. (Foto: Sant Gobain)

Trockenbau attraktiv

In welche Richtung sich Trockenbau konkret entwickeln wird, ist für Schreiner noch nicht deutlich vorhersehbar. Einige Innovationen hat z. B. James Hardie auf der BAU in München vorgestellt. »Wir haben großformatige Fassadenplatten mit neuen Befestigungsvarianten wie eine Verklebung der Platten sowie neuen Oberflächen wie Besenstrich und strukturiertem Putz entwickelt und das in einer Vielzahl von Farben«, informiert Gregor Winkler von James Hardie Austria. Damit kann das Design der Gebäudehülle attraktiviert werden. Mit dem dazu passenden Putzsystem steht Handwerker*innen und Architekt*innen eine Vielfalt an Farbtönen zur Verfügung. Die Platten können mit den unterschiedlichsten Bekleidungselementen kombiniert werden, etwa Holz, Glas, Kunststoff, Schiefer, Naturstein, Stahlblech, Aluminium, Kupfer oder Titanzin.

Was aktuell fehlt, ist ein Bekenntnis der Bauwirtschaft zu dieser Bauweise. Oft herrscht noch Unsicherheit beim Trockenbau, ähnlich wie bei Klimadecken oder z. B. Trockenestrich. Bei Einfamilienhäusern überwiegt die Bauweise Ziegel, da die Fläche für vorgehängte hinterlüftete Fassaden zu klein ist. Muss man viel schneiden, wird es schnell sehr aufwendig. Der mehrgeschoßige Gebäudebau allerdings ist prädestiniert für Trockenbau in der Gebäudehülle.

Bei Photovoltaik sieht Schreiner die Chance des Einbezugs von PV-Modulen in die vorgehängte hinterlüftete Fassade. In Italien spielen PV-Elemente oft nicht nur auf Dächern eine Rolle, sondern auch in der Fassade. »PV-Elemente für die vorgefertigte Fassade sind noch nicht ausgereift, aber das wird die Zukunft sein.«

Ökonomie & Design

Fest steht und langjährig bewiesen ist, dass Trockenbau durch höhere Wirtschaftlichkeit überzeugt. Damit ist er vor allem für den bezahlbaren Wohnbau interessant, den es heute dringend braucht. Er schafft aber keinen monotonen Geschoßbau. »Mit Hardie Architectural Panel schaffen wir zum Beispiel stilvolle Objektfassaden, ausdrucksstarke Farbkonzepte und treten so dem Klischee vom monotonen Geschoßwohnungsbau entschieden entgegen«, betont Winkler. Trockenbau bietet interessante wirtschaftliche Rahmenbedingungen, wie eine raschere Fertigstellung der Gebäudehülle, was für Schutz vor Witterungseinflüssen sorgt und einen früheren Baubeginn von Folgegewerken ermöglicht, ebenso schnelle und einfache Sanierung der Fassaden bzw. einen relativ einfachen Umbau bei späterer Nutzungsänderung. Die Investitionskosten bzw. der Anteil der Baukosten an den Gesamtkosten sind im Vergleich zu Mauerwerk geringer.

Manfred Schreiner, Präsident des VÖTB, sieht vielfach noch Unsicherheit beim Trockenbau, ähnlich wie bei Klimadecken oder Trockenestrich. (Foto: VÖTB)

Blick auf Nachhaltigkeit

Laut Michael Gromek, Verkaufsleiter Saint-Gobain Weber Terranova, hat sich bei Fassaden Nachhaltigkeit zu einem Top-Trend entwickelt. »Wir sind dem mit der Erweiterung unseres Angebots durch die webertherm freestyle nachgekommen, ein innovatives und nachhaltiges Wärmedämmverbundsystem, ausgestattet mit einem Glaswolle-Kern aus 80 Prozent Recyclingglas.« Zudem bietet Weber Terranova in Kooperation mit Swisspor die Rückholung und Wiederverwertung von Verschnitt und Abfällen an.

Manfred Schreiner hebt die leichte Trennbarkeit in der Trockenbauweise hervor. »Die Platten sind von der Konstruktion her getrennt, mit dem Dämmstoff nicht direkt verklebt. Dadurch können die einzelnen Schichten einfach recycelt werden, was bei einer beschichteten EPS-Platte schwer ist.« Knauf, Vorreiter bei vorgehängten hinterlüfteten Fassaden, nennt weitere nachhaltige Punkte: bis zu 50 Prozent weniger Primärenergieeinsatz und bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen bei der Herstellung dank der schlanken Bauweise und des geringeren Gewichts, bessere Umweltverträglichkeit durch den geringeren Einsatz natürlicher Ressourcen und zusätzliche Wärmedämmung trotz geringerer Wandstärke der Außenwand.

Fotos: Saint Gobain, VÖTB

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