Donnerstag, November 21, 2024

BIM, Lean Management und digitale Fertigungsprozesse optimieren Produktions- und Montageprozesse im Holzbau. Ein Blick in die Forschungslandschaft.

Titelbild: Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Univ.-Prof. Benjamin Kromoser arbeitet daran, den Entwurfs- und Herstellungsprozess im Holzbau zu industrialisieren. Facharbeiter*innen sollen unterstützt und Holz möglichst effizient eingesetzt werden – ein Industrieroboter unterstützt die Fertigung. (Credit: Universität für Bodenkultur)

Holz ist längst ein Hightech-Baustoff geworden. In kaum einer anderen Baubranche ist der Automatisierungsgrad derart weit fortgeschritten: integrierte CAD-/CAM-, ERP-, MDE-, PPS-Lösungen und automatisierte Fertigungssysteme gehören zum Alltag. Gleichwohl haben Holzbauunternehmen ihre Digitalisierungspotenziale noch nicht voll ausgeschöpft.

Helmut Spiehs, Geschäftsführer von binderholz, erkennt großes Potenzial für Digitalisierung in seiner Branche, denn längst gebe es nicht nur Facharbeitermangel. »Wir sprechen von Mitarbeitermangel allgemein. Daher haben wir in unseren Werken intensiv automatisiert, vom Austausch der Pläne, über Arbeitsvorbereitung bis zu Produktion und Logistikketten.« Voraussetzung für ihn ist, dass die gemeinsam verwendeten digitalen Plattformen gut und kontrolliert gemanagt sind. »Es muss einen BIM-Manager geben und die Mitarbeiter müssen gut ausgebildet sein. Dann funktioniert das sehr gut.«

Digitalisierung spielt im Holzbau vor allem aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades und der integrierten Planung eine entscheidende Rolle. Martin Riegler, Teamleiter Holzwerkstoffe & digitale Transformation im Kompetenzzentrum Holz, verweist hier auf einen damit einhergehenden Nachteil. »So gut wie alles ist im Holzbau auf den Millimeter vorgeplant. Damit ist die Flexibilität gering, zum Beispiel beim nachträglichen Versetzen einer Leitung.« Die Vorteile dominieren aber, etwa in der Zeitersparnis. »Wenn Ziegel drei Wochen im Regen stehen, ist das dem Material mehr oder weniger egal, dem Holz aber nicht. Daher sind im Holzbau kurze Errichtungszeiten gefordert«, so Riegler.

Einen Vorteil schaffe Digitalisierung auch für das Bauteil-Tracking. Damit weiß der LKW-Fahrer per App, an welche Position er das Bauteil heben muss. »Spezielle Softwareprogramme etwa in der Arbeitsvorbereitung in Kombination mit CNC-Abbundanlagen sind sehr weit fortgeschritten, oft hapert es aber noch bei den Schnittstellen zwischen Planung und Ausführung«, informiert Univ.-Prof. Benjamin Kromoser vom Institut für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen an der Universität für Bodenkultur Wien. Hier gebe es Optimierungspotenzial.

Im Projekt Mindwood werden Feuchtesensoren entwickelt, die direkt mittels Inkjet-Druck auf Holzoberflächen aufgebracht werden. (Bild: Holzforschung Austria)

Digitale Sensorik

Monitoring ist ein entscheidendes Thema im Holzbau. »Permanentes Monitoring lässt Schäden früh erkennen, erhöht die Sicherheit für eine Immobilie und schützt vor teuren Schäden«, betont Gregor Silly, der an der holz.bau forschung in Graz tätig ist. Hier ist als aktuelles Forschungsprojekt »Computergestützter Planungsprozess zur automatisierten Gestaltung von Nassräumen für den Holz-Massivbau«, kurz: CLT_Plumbing_Design, zu nennen.

Mindwood ist ein thematisch ähnliches Projekt bei der Holzforschung Austria. »Feuchtesensoren werden mittels Inkjet-Druck direkt auf Holzoberflächen aufgebracht«, erklärt Projektleiter Boris Forsthuber und nennt als weiteres aktuelles Projekt HyPELignum. Hier ist das Ziel die Entwicklung von gedruckter Elektronik auf Holz- und Holzwerkstoffe. Glasfaserverstärkter Kunststoff für Leiterplatten soll durch holzbasierte Materialien ersetzt werden, was Müll reduziert und Recycling erleichtert. Interesse seitens der Holzbranche ist laut Forsthuber vorhanden.

Bei Holz ist das Thema Feuchtigkeit entscheidend, Feuchtigkeit muss via Sensoren früh erkannt werden. Martin Riegler verweist dazu passend auf das aktuelle Projekt i3sense: Neue Sensoren sollen nicht als Sollbruchstelle in Holzbauteilen fungieren, sondern großflächig anstatt lokal eingesetzt werden können. b_solution ist eine Lösung von binderholz, hier werden hochgradig vorgefertigte Baulösungen für den Wohnbau geschaffen, z. B. eine vorgefertigte sanitäre Einheit, die mit Feuchte­sensorik hinterlegt ist und komplett digital angebunden wird. Das Unternehmen arbeitet derzeit an Flachdächern mit integrierter Feuchtesensorik.

Viele Projekte beweisen die Vorteile der Digitalisierung rund um Holz. »Das digitale Gebäudemodell ist zudem eine sehr große Hilfe, um zu erkennen, welche Ressourcen im Bestand vorhanden sind«, erklärt Kromoser.

Digitaler Bau

Die digitalisierte Planung ist laut binderholz vor allem im nicht-deutschsprachigen Raum Usus. »Wir arbeiten sehr eng mit den planenden Unternehmen wie Haustechnik, Konstruktionsplanung und Ausführung zusammen, können dadurch Dimensionierung, Durchlässe, Bohrungen und vieles mehr genau auf das Projekt abstimmen«, informiert Spiehs. Das bringe binderholz enorm weit in der Abwicklung der Projekte. Wesentlich ist auch die Digitalisierung in der internen Abwicklung der Projekte.

Auswirkung von Digitalisierung auf den Arbeitsprozess sieht auch Kromoser. Möchte man in größeren Anwendungsprojekten mitarbeiten, dann sei eine gewisse Kompetenz bei der Verwendung von digitalen Planungs- und Arbeitsvorbereitungsprogrammen eine Grundanforderung, um in die Prozessketten einsteigen zu können. Es gibt viele kleine Betriebe in Österreich und sehr viel Wissen im Holzbau. Größere Projekte im mehrgeschoßigen Holzbau im Innenstadtbereich würden allerdings nur wenige Firmen umsetzen können. Deshalb sei es wichtig, dass sich kleinere Holzbauer zusammenschließen. Je weiter digitalisiert, desto einfacher.

b_solution bietet hochgradig vorgefertigte Baulösungen für den Wohnbau. (Bild: binderholz)

Das Kompetenzzentrum Holz will wiederum mit dem Projekt Fertighausbau 4.0 eine nachhaltige Digitalisierung des Fertighausbaus erreichen. Eine Unterstützung für alle bietet künftig »dataholz build up«, ein Projekt der Holzforschung Austria. »Es ist die Weiterentwicklung des Online-Bauteilkatalogs dataholz.eu hin zu einem digitalisierten multifunktionalen Planungstool«, informiert Projektmitarbeiterin Bettina Plößnig-Weigel.

Ein thematischer Fokus liegt auf der Analyse, Auswahl und Bewertung von effizienten Holz- und Holz-Hybridbauteilen, die die erhöhten Anforderungen des Schall- und Brandschutzes im mehrgeschossigen Wohnbau erfüllen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Anbindung an die Quelldatenbank Baubook.  »Es braucht die Digitalisierung, zum Beispiel digitale Schnittstellen zu Datenbanken und Planungstools, sowie BIM-taugliche Austauschformate, um den Anforderungen hinsichtlich Effizienz und Qualität von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus gerecht zu werden«, betont Plößnig. Mit ersten Ergebnissen wird im Laufe des heurigen Jahres gerechnet.

Digitalisierungswünsche

»Bauherren müssen bereit sein, ihre Projekte voll digital abzuwickeln und es auch fordern«, spricht Helmut Spiehs eine nötige Verbesserung an. BIM sei kein Programm. In Skandinavien basieren Ausschreibungen und Vergaben voll auf digitalen Lösungen. Der deutschsprachige Raum sei bei weitem nicht so weit. Aufholen muss die heimische Baubranche auch bei der Bauteilverfolgung, der Montage, dem Baufortschritt und z. B. bei Messungen mit Drohnen. »Arbeiten mit dem digitalen Zwilling erzwingt mehr Nachdenken über das Gesamtgebäude im Vorfeld.«


Einige interessante Forschungsprojekte

  • Kompetenzzentrum Holz: i3sense (Feuchtigkeitssensoren für große Flächen), Computer vision + Digital Design (Rückverfolgbarkeit von Holz), Effiziente Vorfertigung von Holzbauelementen durch Spatial Augmented Reality und KI
  • Holzforschung Austria: HyPELignum (gedruckte Elektronik auf Holz- und Holzwerkstoffe), Smart & Urban Tree (Großvolumige hölzerne Beschattungsstrukturen), Mindwood (Feuchtesensoren auf Holzoberflächen mittels Inkjet-Druck)

Im Holzbau zählt jeder Millimeter, Digitalisierung unterstützt. (Bild: TU Wien)

  • TU Wien: Sensors4StrucInspect (Substitution herkömmlicher Bauwerksprüfung durch die AI-assistierte digitale Inspektion), Sys.Wood (Systemoptimierung imöst. Holzbau, Entwicklung von digitalen Ketten im Holzbau, vom Knotendesign über die FE-Berechnung bis zur Fertigung).
  • BOKU: Additive manufacturing of fully-recyclable wall systems made from renewable materials (robotergestütztes, additives Fertigungsverfahren für Wandkomponenten aus biobasierten Rohstoffen)

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