Die Vorteile aus der Arbeit mit BIM erkennen immer mehr Bauunternehmen. Es gibt ausgereifte Software, bei der Fortbildung gilt es, neben dem Thema Programme die Zusammenarbeit und den Austausch der verschiedenen Gewerke untereinander zu beleuchten.
Titelbild: Mit der BIM-Lösung von Allplan kann mit detaillierten Geländemodellen gearbeitet werden, Zufahrtsstraßen und Versorgungseinrichtungen lassen sich planen, Kollisionen zwischen Baustellenelementen erkennen und ein verlässlicher Bauzeitplan ist rasch erstellbar. (Credit: Allplan)
Wer an der Baustelle der Strabag beim Projekt »Grünblick im Viertel Zwei« in der Wiener Leopoldstadt vorbeifährt, wird mit dem künftigen Standard am Bau konfrontiert: »Wir bauen mit Holz, Beton und Daten.« Entscheidend ist der Begriff Daten. »Bauen ist Handwerk, dennoch hat sich die Art und Weise, wie wir Gebäude und andere Bauwerke entwerfen, bauen und verwalten, in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Daten wurden auf der Baustelle einer der wichtigsten Rohstoffe«, informiert Markus Engerth, Vorstandsmitglied und technischer Unternehmensbereichsleiter bei der Strabag.
Und dieser Rohstoff verlangt nach Wissen. Man muss verstehen, dass hinter der modellbasierten Arbeitsmethode mehr steckt als die Substitution von 2D-Plänen. »Viele Leute meinen, alles ist vordefiniert und lässt sich mit einem Knopfdruck auswerten. Das stimmt nicht. Es braucht Disziplin und es braucht Datenkonsistenz«, zeigt Anton Gasteiger, Geschäftsführer von Aga Bau, auf. Alfred Waschl von buildingSmart ergänzt den Faktor Standardisierung, »Digital hat nur 1 und 0.«
»Bei Nevaris steht der Nachhaltigkeitaspekt im Vordergrund«, betont Daniela Hetz. (Bild: Nevaris Bausoftware)
Hier erkennt Daniela Hetz, Regional Marketing Manager Austria & Switzerland bei Nevaris, die Notwendigkeit, kleinere Bauunternehmen zu begleiten. »Man muss ihnen die Scheu nehmen, sie brauchen Sicherheit und Content. Da sind wir relativ weit, wir erleichtern die Einführungsphase und bieten einen großen Schulungsbereich.« Auch Allplan offeriert ein umfassendes Schulungskonzept.
Wie Zirkel und Bleistift
3D entwickelt sich zum nicht mehr wegzudenkenden Werkzeug im nachhaltigen Bauen. »Nur wenn wir als Branche ein durchgängiges Datenmanagement betreiben, können Materialien zielgerichtet und im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet oder eingespart werden. BIM macht es möglich, Ressourcen, ganz egal ob Material oder Zeit, effizient zu nutzen und damit ressourcenschonender zu bauen«, fordert Engerth.
»Mit Success X reichern wir Modelle mit Daten an, bis hin zum As-built-Modell«, informiert Daniela Hetz. (Bild: Nevaris Bausoftware)
Als Beispiel aus der Praxis nennt er Generative Design. Anhand definierter Parameter berechnet und optimiert ein Algorithmus mithilfe von KI ein Gebäudemodell. Das hat zur Folge, dass die Grundstücksfläche perfekt genutzt, die Bodenversiegelung reduziert, die Nutzfläche optimiert und Energie gezielt eingespart wird, weil Fensterflächen und damit die Nutzung von natürlichem Licht und Wärme optimal geplant sind.
Digitalisierung am Bau
»Nach anfänglicher Skepsis findet eine breite Auseinandersetzung mit der Thematik statt«, betont Michael Monsberger, Univ.-Prof. für Gebäudetechnik an der TU Graz. KMU in der Bau- und Immobilienwirtschaft würden die Wichtigkeit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Veränderungen für den Unternehmenserfolg erkennen.
»Ich habe in den letzten zehn Jahren in der Baubranche niemanden getroffen, dem nicht klar gewesen wäre, dass die Digitalisierung neben der Personalentwicklung das Kernthema der Unternehmensentwicklung ist«, so Alfred Wanschou, Country Manager bei Allplan Österreich. Die Ansätze würden sich allerdings stark unterscheiden. Während kleine Unternehmen wie Planungsbüros oder Handwerksbetriebe die Digitalisierung eher reaktiv lösungsorientiert vorantrieben, verfolgen große Unternehmen einen stärker datenzentrierten und strategischen Ansatz.
Daten werden für die Baustelle zu einem einer der wichtigsten Rohstoffe. (Bild: iStock)
Die Strabag realisiert die Vision der digitalen Baustelle seit Ende der 90er. Im Laufe der Jahre wurde BIM im Unternehmen unter der Bezeichnung BIM 5D weiterentwickelt und mittlerweile erfolgreich bei Projekten implementiert. 7D steht mittlerweile für die Erweiterung des 3D-BIM um Zeit, Kosten, Nachhaltigkeitsaspekte und die Bewirtschaftung. Allerdings ist bisher oft mit 4D schluss, da die Anforderungen und das Verständnis für eine ganzheitliche, digitale Planung längst nicht in allen Köpfen verankert sind.
»Neben BIM wird in Zukunft KI extrem wichtig werden, vor allem in der Planerwelt, denn sie ermöglicht Dinge, die wir uns wahrscheinlich noch nicht ganz vorstellen können: Ich denke hier an Entwurfsunterstützung jeglicher Art für Architekt*innen und Fachplaner*innen, Abarbeitung gleichartiger Arbeiten wie z. B. Bemaßungen, aber auch Visualisierungen, Prüfungen und vieles mehr. Wir sind gerade in den Anfängen und ich sehe hier ein immenses Potenzial, das allerdings die Berufsbilder massiv beeinflussen wird«, erklärt Holger Kreienbrink, Director Product Intelligence bei Graphisoft.
BIM-Pflicht
Dänemark hat vor vier Wochen ein Gesetz erlassen, dass alle Planungen, die zu einer Genehmigung vorgelegt werden – egal ob für Privat- oder Industriegebäude –, mit Open BIM und IFC-Datenformaten abzugeben sind. In der Schweiz sind BIM-Einreichungen ab 2024 verpflichtend, in Deutschland ist durch das neue Bautenministerium das Thema am Weg. »In Österreich leben wir leider immer noch mit einem Merkmalserver, der vor über zehn Jahren aufgesetzt wurde und über den bis zum heutigen Tag kein einziges Projekt abgewickelt wurde«, bedauert Alfred Waschl.
Nach Vernetzung streben
»Aktuell gibt es in der Baubranche die beiden Megatrends Klimaschutz und Fachkräftemangel. Beides erfordert zunehmend lebenszyklusübergreifendes Denken und Handeln«, stellt Alfred Wanschou fest. So wie Gebäude heute stärker denn je in Stoffkreisläufen gedacht werden, entwickeln sich Digital-Twin-Lösungen, die die Nutzung von digitalen Daten über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks und darüber hinaus ermöglichen. Dazu gehören Planungsdaten und Bauzeitenpläne genauso wie Sensordaten.
Gerade die frühen Zyklusphasen im Hochbau brauchen BIM, hier lebt das System seine Stärken aus: schnelle und exakte Berechnung von Massen, Kostenbewertung und erleichterte Koordination der Planungsteams untereinander. »Je weiter wir allerdings im Projekt voranschreiten, desto weniger findet BIM Verwendung«, informiert Holger Kreienbrink. Vor allem im Gebäudebetrieb und Facility-Management muss BIM forciert werden.
Nach Vernetzung verlangt auch der Schritt zwischen Planung und Ausführung. »Hier handelt es sich um kein Technologie- sondern um ein prozessuales Problem«, betont Univ.-Prof. Iva Kovacic, Leiterin des Forschungsbereichs für Integrale Planung und Industriebau an der TU Wien. »Wir schauen uns zurzeit mit einigen Unternehmen diese Prozesse an und wollen dem Problem auf den Grund gehen, warum es so schwer ist, Datendurchgängigkeit einzuhalten, und warum das BIM-Modell oft verworfen und vom Bauunternehmen neu modelliert werden muss.«
»BIM hat nichts mit elitär zu tun, sondern mit Fähigkeit und Kompetenz«, stellt Univ.-Prof. Iva Kovacic klar. (Bild: Iva Kovacic)
Forschungsfeld BIM
»An Universitäten und Hochschulen wächst das BIM-Forschungsfeld«, informiert Univ.-Ass. Baumeister Georg Fröch vom Entwicklungszentrum für digitale Innovation DIGIT an der Universität Innsbruck. Ein entscheidendes Projekt an der TU Wien ist ein vom FWF gefördertes ACD, Advanced Computational Design, mit dem Ziel, die Entwicklung von Entwurfs- und Planungswerkzeugen mittels multi- und interdisziplinärer Grundlagenforschung in den Feldern digitale Architektur, integrale Bauplanung, Computergrafik und Virtual Reality, Mathematik und computergestützte Mechanik voranzutreiben.
Ein weiteres Projekt zur Optimierung bereits in den frühen Planungsphasen ist BIMflexi. »Bei BIMflexi wurde ein parametrisches Softwaretool für die Planung der flexiblen Tragwerke für wandelbare Produktionshallen entwickelt«, informiert Iva Kovacic. Derzeit abgeschlossen an der TU Graz werden BIMBestand und TWIN. »In BIMBestand wird der Einsatz von BIM-Modellen im Gebäudebetrieb untersucht, das Projekt TWIN zielt auf zukünftige Anwendungsszenarien digitaler Gebäudezwillinge ab«, erklärt Univ.-Prof. Michael Monsberger.
»Eine wichtige Priorität ist OpenBIM, d. h. die Weiterentwicklung und Nutzung offener Standards. Entscheidend ist auch die Datendurchgängigkeit«, zeigt Univ.-Prof. Michael Monsberger auf. (Bild: Verena Kaiser)
BIM2BEMFlow und TwinLight waren wiederum Forschungsprojekte am Institut für Konstruktion und Materialwirtschaften, Arbeitsbereich Baumanagement, Baubetrieb und Tunnelbau der Universität Innsbruck. BIM2BEMFlow erfasste Energiesimulationen bereits in den frühen Planungsphasen eines Bauprojekts, TwinLight stand für eine BIM-basierte Umsetzung von Tages- und Kunstlichtsteuerung. Das Institut ist Teil des DIGIT an der Universität Innsbruck.
Veranstaltungstipp: 8. VDI-Fachkonferenz »BIM in der Gebäudetechnik«, 23.–24. Mai 2023 in Düsseldorf.
Anbieter (Auswahl):
Die BIM-Softwarelandschaft ist sehr vielfältig. Den DACH-Markt dominieren die BIM-Software-Packages von Autodesk und die Tools der deutschen Nemetschek Group (Allplan, Nevaris). Der Markt wächst stetig – ein Auszug:
- Gebäudetechnik: Graphisoft Building Systems, ACCA usBIM.maint, Solar, auxalia, Linear, Autodesk Revit, AutoCAD MEP
- Baumanagement: ACCA usBIM.resolver, RIB iTWO
- Architektur: Allplan, Graphisoft Archicad, Vectorworks, BricsCAD, CIVIL 3D, ProVI, Autodesk Revit, Trimble
- Ausschreibung: Nevaris Build, RIB iTWO, Nova AVA BIM, ABK, ABIS
- Statische Berechnung: Frilo & SCIA Engineer, Sofistik, Dlubal, Tekla, Autodesk Robot
- Energieberechnungen: Spacewell Energy
- Modellkontrolle: Solibri, Navisworks
- Digitaler Bautagesbericht: CAPMO, Sitelife