Bisher wird SAP von der Baubranche vor allem für das Rechnungswesen und die Personalabrechnung genutzt. Im operativen Geschäft spielt die ERP-Software noch kaum eine Rolle. Dabei bietet SAP vor allem im Beschaffungsprozess enormes Potenzial.
Titelbild: Andreas Dörner, CNT: »Für das operative Geschäft wird SAP in der Bauwirtschaft noch kaum genutzt.« (Credit: Atelier Schulte)
Die drei Buchstaben SAP haben schon vielen Unternehmen und IT-Abteilungen Schweißperlen auf die Stirn getrieben. »Zu aufwendig und komplex« lauten oft die Vorwürfe an die ERP-Software. Dabei soll die Software zur Abwicklung von Kernprozessen in Unternehmen wie Finanzen, Fertigung, Personalwesen, Logistik oder Beschaffung eigentlich helfen, Prozesse zu vereinfachen und zu optimieren.
»Der Vorwurf, dass SAP zu komplex ist, stimmt nur insofern, als auch die Prozesse in vielen Unternehmen immer komplexer geworden sind. Diese Komplexität muss auch in der Software abgebildet werden. Das kann in der Gesamtheit nur SAP«, erklärt Wolfgang Tichy von SAP-Partner CNT Management Consulting. CNT hilft nicht nur, SAP zu implementieren, sondern vor allem auch, die Prozesse zu verbessern. »Der Hauptteil unserer Arbeit ist, Prozesse zu analysieren und mit den Kunden zu diskutieren«, sagt CNT-Vorstand Andreas Dörner.
Dabei wird mit Best Practices und Standardlösungen gearbeitet. Nicht jedes Unternehmen müsse das Rad neu erfinden. Die Branchenlösung für die Bauwirtschaft besteht aus rund 300 Prozessen, die miteinander verknüpft sind. »Damit können ganze Prozessketten auch über Unternehmensgrenzen hinweg abgebildet werden«, erklärt Dörner. Auch klassische CAD- und AVA-Programme, die es in jedem Unternehmen gibt, können integriert werden. Beschaffungsprozesse können über das BIM-Modell abgewickelt werden. »Mit SAP kann man nicht nur verfolgen, ob eine Lieferung eingegangen ist, sondern auch, ob die dazugehörigen Dokumente und Datensätze komplett sind. Erst dann wird die Zahlung freigegeben«, erklärt Tichy.
Wolfgang Tichy, CNT: »Heute ist es wichtiger denn je, einen genauen Überblick über seine Supply-Chain zu haben.« (Bild: Atelier Schulte)
Transparente Lieferketten
SAP ist kein komplettes Neuland für die Branche. Allerdings wird von den meisten Unternehmen, die SAP einsetzen, nur ein Bruchteil des Potenzials genutzt. »Viele Unternehmen aus der Bauwirtschaft setzen SAP im Rechnungswesen ein, teilweise für die Personalabrechnung. Aber für das operative Geschäft wird es kaum genutzt«, so Dörner. Bislang sei man in der Bauwirtschaft davon ausgegangen, dass bei rechtzeitiger Bestellung alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Das hat sich in den letzten Jahren geändert.
»Heute ist es wichtiger denn je, einen genauen Überblick über seine Supply-Chain zu haben, zu wissen, was wann verfügbar ist«, sagt Tichy. Zwar habe jedes Unternehmen in der Lieferkette die für sich relevanten Informationen, nicht aber jene für die Vorstufen der Lieferketten. Damit kann es leicht zu Störungen in der Versorgung kommen. »Während in der Automobilbranche Lieferverträge jederzeit abrufbar und der Status quo der Lieferung in Echtzeit einsehbar ist, sind diese Informationen in der Baubranche nicht verfügbar«, sagt Dörner. Um diese Informationen zu erhalten, müssten die einzelnen ERP-Systeme miteinander verknüpft werden.
Das funktioniert laut Tichy und Dörner am besten mit SAP, auch über Ländergrenzen hinweg. Dafür müssen Prozesse neu aufgesetzt und Planzahlen ausgetauscht werden. Die CNT-Experten wissen aber auch, dass diese Transparenz für die Baubranche eine enorme Herausforderung ist. »Die großen Bauunternehmen müssten die ersten Schritte setzen und damit Druck auf die Nachunternehmen ausüben, es ihnen gleich zu tun«, ist Dörner überzeugt. Anlagenbauer Andritz habe auf diese Weise für Transparenz in der Lieferkette und effizientere Abläufe gesorgt.
Internationalisierung: Mit SAP können ERP-Systeme auch über Ländergrenzen hinweg verknüpft werden. (Bild: iStock)
In der Vergangenheit sei der Leidensdruck in der Baubranche nicht groß genug gewesen. Das habe sich in den letzten Monaten und Jahren geändert, haben doch gestörte Lieferketten für zahlreiche Verzögerungen und Pönalen gesorgt. Sinnvoll ist eine SAP-Einführung für Unternehmen ab einer Umsatzgröße von rund 200 Millionen Euro und etwa 300 Mitarbeiter*innen. Die Investitionskosten liegen zwischen ein und zwei Millionen Euro.
Best Practice
Welchen Mehrwert SAP auch für Unternehmen der Baubranche bringen kann, zeigt das Beispiel der Pfeifer Holding. Das bestehende ERP-System des Holzunternehmens war in die Jahre gekommen, Neu- und Weiterentwicklungen des ERP-Partners nicht in Sicht. Deshalb hat sich Pfeifer für den Umstieg auf SAP entschieden, um das geplante Wachstum durch ein skalierbares ERP-System sowie sichere und standardisierte Prozesse bestmöglich zu unterstützen. Ein globales Modul unterstützt bei der effizienten und günstigen Integration von neuen Standorten, senkt die Prozesskosten und bildet die Basis, um auf neue Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung schnell reagieren zu können. »Mit benutzerfreundlichen Anwendungen und gesteuerten Prozessen wollen wir effizienter und transparenter werden. Außerdem wollen wir das Management unserer Lieferketten verbessern«, erklärt Pfeifer CEO Michael Pfeifer.
Gestartet wurde unter Federführung der CNT mit der Erstellung eines SAP S/4HANA-Templates und einer Pilot-Einführung in Österreich. Es folgten sukzessive Rollouts auf alle weiteren Standorte der Pfeifer-Gruppe. Damit wurde die Basis gebildet, um die Prozesse stetig mit aktuellen und intelligenten Funktionalitäten zu verbessern und weiter zu entwickeln. Der Einsatz von SAP sorgt für mehr Transparenz und reduziert die Schnittstellen. »Die gewonnene Transparenz eröffnet Möglichkeiten zur Optimierung unserer Prozesse und organisatorischen Abläufe, um schlussendlich unsere Kunden schnell und mit bester Qualität zu beliefern«, sagt Pfeifer.
Zehn Gründe für die Digitalisierung am Bau
- Optimierung der Supply-Chain
- Verbesserte Compliance (Richtlinien, Vorschriften)
- Erhöhte Arbeitssicherheit (Health & Safety Management)
- Transparenteres Projekt-Management
- Digitalisiertes Problem-Management
- Visualisierung von Projekten, Baustellen und Lagern
- Mobile Datenerfassung statt Papierchaos
- Cloud-Lösung(en) als Sicherheitsanker
- Vereinfachte Baustellenabrechnung
- Reduktion von Personalkosten
Checkliste SAP-Transformation
S/4 HANA ist die vierte Generation der SAP Business-Suite. »Anwender profitieren von vielen neuen und intelligenten Funktionen, die auf vereinfachten Datenmodellen, rollenbasierten Nutzeroberflächen und der Fokussierung auf Prozessen statt Modulen basieren«, erklärt Michael Gillich, Projektleiter bei CNT. SAP setzt dabei auf den Plattform-Gedanken und greift auf bereits bewährte und branchenspezifische Standards (z. B. in der Baubranche) zurück. Das SAP-System wird so zum Ausgangspunkt für weitere Digitalisierungsprojekte.
- Check & Recheck: Analyse der ERP-Grundlagen
- Fit & Fun: Definition der zu erreichenden Transformationsziele
- Soll & Haben: Die wichtigsten Voraussetzungen für die SAP-Transformation
- Daten & Fakten: Intelligente Verarbeitung vorhandener (Stamm-)Daten und Prozesse
- Tools & Toys: Die besten Analyse- und Transformationswerkzeuge für die ERP-Umstellung
- ROI & Joy: Empfehlungen für die SAP-Transformation (Brown/Greenfield/Hybrid/Cloud)
- Hop & Trop: Auswahl der besten Köpfe für die optimale Umsetzung im Team
- Raum & Zeit: Gute Personal-, Zeit- und Kostenplanung
- Klein & Fein: In der Umsetzung lieber kleine Schritte als große Sprünge
- Rat & Tat: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.