(+) plus: Die Krise hat die Bauwirtschaft hart getroffen. 2010 soll laut Experten sogar noch schlechter werden, weil die Branche 2009 noch auf einen hohen Auftragsstand zurückgreifen konnte. Mit welchen Erwartungen geht die Gewerkschaft Bau-Holz ins neue Jahr?
Josef Muchitsch: Es ist tatsächlich aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass sich das Ergebnis von 2009 im nächsten Jahr noch leicht verschlechtern wird. Aber der große Einbruch, wie er in der ersten Jahreshälfte noch befürchtet wurde, wird ausbleiben. Dass es nur zu einem leichten Rückgang kommen wird, liegt nicht zuletzt an den Maßnahmen der Bundesregierung zur Stützung und Ankurbelung der Konjunktur. Davon haben viele Branchen in der Bauwirtschaft profitiert.
(+) plus: Es wird immer wieder kritisiert, dass die Pakete zu langsam umgesetzt werden und dass viel zu schwammig definiert ist, welche Projekte nun tatsächlich als vorgezogene Projekte in das Konjunkturpaket fallen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Muchitsch: Eigentlich nicht. Vor allem im Bereich der Asfinag und der ÖBB waren die Projekte sehr gut vorbereitet. Damit war es auch leichter, sie auf 2009 vorzuziehen. Da hat das Konjunkturpaket auch voll gegriffen. Bei der Bundesimmobiliengesellschaft waren nicht alle Projekte in der Schublade so weit fortgeschritten, dass sie zur Gänze 2009 hätten gestartet werden können. Das liegt nicht nur im Verschulden der BIG, auch die Ministerien waren mit der Auftragsvergabe säumig. Oft ist der Weg von der Beschlussfassung zur Umsetzung eben ein weiter. Das muss aber gar nicht zum Nachteil der Bauwirtschaft sein, denn so greifen die Maßnahmen eben 2010. In einem Jahr, das ohnehin droht, schwieriger als 2009 zu werden.
(+) plus: Aus Gewerkschaftssicht ist natürlich das Thema Arbeitsplätze im Fokus. Mit wie vielen Arbeitslosen ist 2010 zu rechnen?
Muchitsch: Wir sind sehr konjunktur- und witterungsabhängig. Die höchsten Zahlen erreichen wir in den Monaten Jänner und Februar. Erfreulich ist, dass die Werte im Dezember nicht die Ausmaße erreicht haben, die wir noch im Sommer befürchtet haben. Quer über die Branchen Bau, Holz und Steine waren exakt 70.108 Personen arbeitslos gemeldet. Das wird in den Monaten Jänner und Februar leider weiter ansteigen. Zu befürchten sind 80.000 bis 90.000 Arbeitslose. Auch im Jahresschnitt ist mit Rückgängen der Beschäftigtenzahlen zu rechnen. Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum von 2,5 %, um die Beschäftigtenzahlen zu halten und eine höhere Arbeitslosigkeit zu verhindern. Alles, was darunter liegt, bedeutet mehr Arbeitslose. 2009 ist das Bauvolumen um 3,3 % gesunken und 2010 wird es laut derzeitigen Prognosen noch einmal um 1,9 % sinken.
(+) plus: Sie erwarten für 2010 also deutlich höhere Arbeitslosenzahlen als 2009?
Muchitsch: Davon ist auszugehen. Außer es gelingt uns, über politische Maßnahmen zusätzliche Investitionen und Initiativen zu starten, wie etwa die Fortführung der Thermischen Sanierungsoffensive.
(+) plus: Aktuell gibt es bezüglich der Fortführung der Thermischen Sanierung nur eine Absichtserklärung der Regierung. Wann rechnen Sie mit einem Beschluss?
Muchitsch: Ich hoffe, dass bis spätestens Mitte März die Entscheidung über die Abwicklung gefallen ist. Dann muss noch eine Vorlaufzeit von vier Wochen eingerechnet werden. Das würde dann zeitlich den Start der Initiative vor Ostern möglich machen. Jetzt muss die Zeit dafür genützt werden, weitere Partner ins Boot zu holen. Es kann nicht sein, dass Bund und Länder parallel fördern, der Bürger unzählige Anträge ausfüllen muss und sich schlussendlich nicht mehr auskennt. Die Fördergelder müssen mit einem Antrag, aus einer Hand kommen. Damit steigen auch die Chancen auf eine höhere Dotierung.
(+) plus: Eine von der Gewerkschaft immer wieder ins Spiel gebrachte Konjunkturmaßnahme ist die Bauoffensive. Was genau ist darunter zu verstehen?
Muchitsch: Die Bauoffensive ist ein fertiges Modell der Sozialpartner, das auf Initiativen wie der in der Steiermark und Tirol erfolgreichen Winterbauoffensive aufbaut. Dabei geht es vor allem um Investitionsförderungen für KMU. Unternehmen, die dann Geld in Baumaßnahmen investieren, wenn es die Bauwirtschaft braucht, sollen entsprechend gefördert werden. Das kann in den Wintermonaten sein, aber in Krisenzeiten auch auf das ganze Jahr ausgedehnt werden.
(+) plus: Wie realistisch schätzen Sie eine Umsetzung ein?
Muchitsch: Der Vorschlag ist der Bundesregierung bekannt. Eine Umsetzung wird es aber nur dann geben, wenn es zu einem wirklich großen Einbruch der Wirtschaft kommt. Solange man mit einem blauen Auge davon zu kommen glaubt, wird nichts passieren.
(+) plus: Wurde das Problem der Schwarzarbeit am Bau durch die Krise weiter verstärkt?
Muchitsch: Die Zahlen und Schätzungen der Experten über einen Anstieg der Schwarzarbeit durch die Krise gehen weit auseinander, besonders im gewerblichen Bereich. Bei den Privaten ist ein Anstieg aber unbestritten. Unabhängig von einem krisenbedingten Zuwachs der Schwarzarbeit muss die Kontrolltätigkeit weiter ausgebaut werden. Schon alleine die Präsenz von Kontrollorganen führt zu einem disziplinierterem Handeln der Wettbewerber. Schwarzarbeit führt zu Preisdumping und Preisdumping zu Lohndumping. Da können wir als Gewerkschaft natürlich nicht untätig zusehen.
(+) plus: Ist die neue Auftraggeberhaftung ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Schwarzarbeit?
Muchitsch: Indirekt auf jeden Fall. Denn illegale Beschäftigung führt über Nachforderungen der Krankenkassen dazu, dass die betreffenden Unternehmen nicht auf die begehrte HFU-Liste (für gelistete Subunternehmer entfällt die Haftung seitens des Generalunternehmers; Anm.d.Red.) kommen.
(+) plus: Wie fällt Ihre erste Bilanz zur Auftraggeberhaftung aus?
Muchitsch: Trotz der massiven Kritik am Einführungsdatum 1. September nützen jetzt schon viele Betriebe die HFU-Liste als Marketinginstrument. Entsprechend groß war in den ersten Monaten auch der Ansturm. Es sind jetzt schon mehr als 22.000 Unternehmen aus der Bauwirtschaft registriert. Es handelt sich ja um ein Fairness-Gütesiegel, mit dem Unternehmen darauf hinweisen, dass sie in den letzten drei Jahren sauber agiert haben. Natürlich gibt es auch Kinderkrankheiten wie etwa bei Neugründungen, die natürlich nicht die geforderten drei Jahre vorweisen können, auch die Behandlung von Ein-Personen-Unternehmen muss noch geregelt werden. Aber da laufen derzeit intensive Gespräche und ich bin optimistisch, dass wir im ersten Quartal 2010 eine Lösung präsentieren können. Auch die Bewertungskriterien müssen bundesweit noch harmonisiert werden. Und ausländische Unternehmen müssen drei Jahre Österreicherfahrung mit eigenem Standort nachweisen, bevor sie auf die Liste kommen. Das ist vor allem ab Mai 2011 ganz wichtig, wenn die Dienstnehmerfreizügigkeit in Kraft tritt.
(+) plus: Bauarbeiter sollten eigentlich die klassische Zielgruppe für die Hacklerregelung sein. Wie sieht die Realität aus?
Muchitsch: Ich kenne persönlich genau einen einzigen Bauarbeiter, der in die Hacklerregelung gefallen ist. Das ist auch kein Wunder, denn die damalige Bundesregierung hat uns 2003 eine Mogelpackung untergeschoben. Wir hatten die ehrliche Hoffnung, dass es mit dieser Regelung gelingen könnte, viele Menschen, die tatsächlich schwer arbeiten, in den wohl verdienten Ruhestand zu schicken. Die Antrittsvoraussetzungen sind aber so gewählt, dass sie von echten Schwerarbeitern kaum erreicht werden können. Es gibt eben kaum einen Bauarbeiter, der 45 Beitragsjahre vorweisen kann. Deshalb brauchen wir eine Novellierung der Regelung.
(+) plus: Die Hacklerregelung wurde zwar unter Schwarz/Blau eingeführt, aber auch mit Hilfe der SPÖ verlängert. Müssen Sie sich auch an der eigene Nase nehmen?
Muchitsch: Die Hacklerregelung sollte ursprünglich 2008 auslaufen, wurde dann wegen der Nationalratswahl bis 2010 verlängert. Die neue Regierung hat sich auf ein Ende mit 2013 geeinigt. Und das ist auch gut so, um genügend Zeit zu haben, ein Auslaufen nach 2013 zu verhandeln. Denn in Wahlkampfzeiten ist ein faires Verhandeln leider nicht möglich.
(+) plus: Man hat das Gefühl, dass die Sozialpartner in der Baubranche ganz gut miteinander können. Sie sind gemeinsam in der Bau-Pakt-Initiative und ziehen auch sonst oft an einem Strang. Trügt der Schein?
Muchitsch: Der Schein trügt nicht, die Kommunikation funktioniert tatsächlich ganz gut. Das liegt auch daran, dass wir uns nicht nur zu Kollektivvertragsverhandlungen treffen, sondern auch andere Themen gemeinsam besprechen. Die Zusammenarbeit der Bau-Sozialpartner ist geprägt von Offenheit und Ehrlichkeit. Und durch die Krise sind wir noch enger zusammengerückt. Denn beide Seiten wissen, dass nur über Beschäftigung vieles aufrechterhalten werden kann, was heute selbstverständlich scheint.
(+) plus: Ein in der Branche viel diskutiertes Thema ist die Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Welche Auswirkungen hat diese politische Entscheidung aus Ihrer Sicht?
Muchitsch: Die Tendenz ist eindeutig. Die Anzahl der neu gebauten Wohneinheiten sinkt. Es wird wesentlich weniger gebaut als vor dem Jahr 2000. Damals lag der Höchstwert bei 55.000 Einheiten pro Jahr. Laut den aktuellsten Erkenntnissen von Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen liegt der aktuelle Bedarf bei gleich bleibenden Bevölkerungszahlen bei 47.000 neuen Einheiten pro Jahr. Aufgrund des Bevölkerungswachstums werden wir in Zukunft bis 55.000 Einheiten brauchen. Tatsächlich wird aber ein Absinken auf 33.000 Einheiten prognostiziert. Dieses Desaster hat mit der Aufhebung der Zweckbindung seinen Anfang genommen. Denn viele Bundesländer sehen in den Geldern der Wohnbauförderung willkommene Mittel, um ihre Budgetlöcher zu stopfen. Und das wird sich in der Zukunft noch verstärken. Damit wird die Nachfrage steigen und auch der Preis. Wohnen wird teurer werden, weil der Neubau und Sanierungen nicht mehr mit öffentlichen Mitteln gestützt werden.
(+) plus: Es werden immer mehr Stimmen laut, die eine Wiedereinführung der Zweckbindung fordern. Wie würden Sie aktuell die Chancen beziffern?
Muchitsch: Bis 2013 ist die Aufhebung aufgrund der Finanzausgleichsverhandlungen einzementiert. Die Länder wollen das Paket aber schon 2011 neu aufschnüren. Aus heutiger Sicht sehe ich über den politischen Weg keine Möglichkeit der Wiedereinführung. Hier muss uns als Sozialpartner ein anderer Weg einfallen. Und der wird uns einfallen.
(+) plus: Wie wird dieser Weg aussehen?
Muchitsch: Darüber will ich noch nicht sprechen. Aber wir haben einen fertigen Ansatz in der Schublade und der wird ein ordentliches Erdbeben in der Republik auslösen, das kann ich garantieren.
(+) plus: Die Novellierung des Bundesvergabegesetzes hat für die Bauwirtschaft viele Verbesserungen gebracht, das Klagsrecht für die Interessensvertreter konnte aber nicht durchgesetzt werden. Ein temporärer Rückschlag oder ein Schlussstrich?
Muchitsch: Wir haben im Bereich der Gesetzgebung nicht ausreichend Zeit gefunden, um dieses Thema von allen Seiten zu Ende zu diskutieren. Deshalb gibt es einen Antrag, dass dieses Thema im zuständigen Ausschuss weiter beraten wird. Ich gehe davon aus, dass es im Zuge der nächsten Novellierung zu weiteren Anpassungen kommen wird.
(+) plus: Was werden die Schwerpunkte der GBH im Jahr 2010 sein?
Muchitsch: 2010 wird unter dem Begriff der Nachhaltigkeit stehen. Wir werden Arbeitsgruppen einrichten, die Programme und Projekte entwickeln sollen, die die Wirtschaft in Einklang mit dem Umweltschutzgedanken ankurbeln. Dazu wollen wir externe Partner und Experten ins Boot holen. Allen voran die Bau-Pakt-Partner Bundesinnung Bau, Fachverband Steine Keramik und Global 2000, aber auch weitere NGOs und auch die zuständigen Ressorts in den Ministerien. Wir wollen den Bau-Pakt-Ansatz erweitern und uns vergrößern. Mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Ich glaube, dass Kopenhagen auch deshalb gescheitert ist, weil von der Wirtschaft und der Bevölkerung noch nicht ausreichend Druck auf die Politik gemacht wurde. Ich bin überzeugt, dass Österreich ein internationaler Vorreiter sein kann, in Sachen thermischer Sanierung, durch die Anhebung der Sanierungsquote von ein auf drei Prozent und den Einsatz erneuerbarer Energie. Dafür werden wir unter dem Motto »Umwelt geht uns alle an« im Jahr 2010 intensiv arbeiten.