Donnerstag, Dezember 26, 2024

Von sehr hohem Niveau kommend, wird sich die Konjunktur in der Bauwirtschaft heuer merklich eintrüben. Was aber bleiben wird, ist ein massiver Fachkräftemangel. Seit einigen Jahren setzen die Unternehmen wieder verstärkt auf die Ausbildung im eigenen Haus. 

Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder die enormen Preis- und Kostensteigerungen gelten gemeinhin als die großen Herausforderungen der österreichischen Bauwirtschaft. Über allem schwebt aber das Damoklesschwert »Fachkräftemangel«. In einer Umfrage des Bau & Immobilien Report im Dezember unter 35 Geschäftsführer*innen der Branche nannten 62 % den Fachkräftemangel als größte Herausforderung für 2023, erst dahinter folgten mit 54 % die hohen Energiepreise und mit 50 % die steigenden Baukosten (Mehrfachnennungen möglich).

Diese Einschätzungen werden auch von Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) bestätigt. Im letzten Sommer waren beim AMS rund 5.500 offene Stellen in der Branche gemeldet. Dem gegenüber standen rund 4.500 als arbeitslos vorgemerkte Personen, die zumindest über einen entsprechenden Lehrabschluss verfügen. Der »Stellenandrang«, wie der Fachjargon lautet, war also äußerst überschaubar. Unter Stellenandrang versteht das AMS das Verhältnis von Arbeitslosen und offenen Stellen. Kommen auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Arbeitslose spricht man offiziell von einem Fachkräftemangel. Bei den Bauberufen lag der Wert im Sommer 2022 bei 0,8. Am stärksten Betroffen waren die Berufe Dachdecker*innen, Schwarzdecker*innen, Zimmerer*innen und Betonbauer*innen mit Werten von 0,2 bzw. 0,3. 

Die Fachkräfte der Zukunft

Natürlich ist der Fachkräftemangel ein branchenübergreifendes Phänomen am Arbeitsmarkt, branchenspezifisch kommt beim Bau aber hinzu, dass durch das Wachstum die Beschäftigung in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist und somit immer mehr Mitarbeiter*innen nachgefragt werden. »Wir hatten in den letzten Monaten absolute Rekordbeschäftigung am Bau«, bestätigt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch.

Selbst wenn es aufgrund der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation zu den von Wirtschaftsforschern prognostizierten Auftragsrückgängen in der Bauwirtschaft kommt, ist eine Entspannung am Fachkräftesektor nicht zu erwarten. »Diese Entspannung wird es nicht geben. Wir stehen jetzt vor dem absoluten Peak«, ist etwa Peter Krammer, Vorsitzender im Fachverband der Bauindustrie in der Wirtschaftskammer, überzeugt. »Ein leichter Rückgang würde nur zu einem etwas weniger intensiven Wettlauf führen, denn in Wahrheit hat der Kampf um die Fachkräfte gerade erst begonnen.«


2016 erreichte die Lehrlingsausbildung in der österreichischen Bauwirtschaft den absoluten Tiefpunkt. Seither steigen die Lehrlingszahlen kontinuierlich an und haben 2021 den Stand von 2012 erreicht.

Ansätze, dem Fachkräftemangel zu begegnen, gibt es viele. Sie reichen von Anwerbungen aus Drittstaaten über Reduzierung der Teilzeitarbeit bis zur Höherqualifizierung ungelernter Hilfskräfte. Seit einigen Jahren setzen die Unternehmen auch wieder verstärkt auf die Ausbildung im eigenen Haus, wie die Lehrlingsstatistik der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse BUAK zeigt. Während mit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 die Lehrlingszahlen kontinuierlich zurückgegangen sind, kam es 2016 zur Trendwende. Seither wurden jedes Jahr mehr Lehrlinge ausgebildet als im Jahr zuvor (siehe Tabelle). 2021 wurde mit 7.444 Lehrlingen praktisch das Niveau von 2012 erreicht. Vom Höchststand in den Jahren 2000 mit 8.472 Lehrlingen und 2008 mit 8.269 Lehrlingen ist man aber noch ein Stück weit entfernt.  

Fachkräfte in strukturschwachen Regionen

Auch die Georg Fessl GmbH mit Sitz in Zwettl im Waldviertel setzt im Kampf um die Fachkräfte vor allem auf die Jugend. Die Tochter der Swietelsky AG beschäftigt rund 200 Mitarbeiter*innen und bildet aktuell 30 Lehrlinge in vier verschiedenen Berufen, teilweise in Doppellehren aus. Einige von ihnen stellen schon die dritte Generation von Facharbeiter*innen dar, die im Unternehmen ausgebildet werden. »Diese generationenübergreifende Mitarbeiterressource ist vor allem in einer strukturschwachen Region wie dem Waldviertel eine wichtige Säule für ein krisensicheres Unternehmen«, ist Geschäftsführer René Zinner überzeugt. Wie fast alle Führungskräfte des Unternehmens hat auch Zinner selbst eine Lehre absolviert. Eine Erfahrung, die ihm im tagtäglichen Umgang mit den Lehrlingen ebenso hilft wie seine Masterarbeit, die er über »Strategien und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Baulehre in Österreich« verfasst hat.

Für Fragen abseits der fachlichen Ausbildung gibt es bei der Georg Fessl GmbH Lehrlingsmentoren wie Christoph Kaspar. 

Großen Wert legt Zinner auf einen wertschätzenden Umgang, vor allem mit den Jüngsten. »Jugendliche brauchen verständnisvolle Ansprechpartner, die Zeit für sie haben, sie brauchen sehr viel Zeit und Energie, um den gewählten Beruf mit Engagement kennenlernen zu dürfen«, ist Zinner überzeugt. Daher wurden zwei Lehrlingsmentoren im Unternehmen ernannt, die sich unabhängig von der Fachausbildung vor allem um die persönlichen Belange der jungen Leute annehmen.

Ausbildung mit Benefits

Mit dem Einsatz der Lehrlingsmentoren konnten die fachlichen Ausbilder*innen mit Fragen zu Pubertät, Elternbeziehung und privaten Turbulenzen entlastet werden. Der Lehrlingsmentor nimmt sich Zeit, hört zu, berät und sucht bei Bedarf auch das Gespräch mit anderen. Er soll vermitteln und um Verständnis werben, wenn es um Konflikte am Arbeitsplatz geht. Er soll sich um schulische Belange kümmern und dafür sorgen, dass die Lehrlinge die Förderung bekommen, die sie brauchen. Außerdem soll er ein Vorbild sein, wenn es um das Berufsbild selbst geht. »Wenn Lehrlinge bei uns anfangen, dann haben sie tausend Fragen. Fachliche Fragen beantwortet das jeweilige Teammitglied. Zu mir kommen sie mit ihren persönlichen Anliegen. Wenn es in einem Team ein Problem gibt, komm ich dazu und vermittle«, erklärt Lehrlingsmentor Christoph Kaspar. 

Die neuen Lehrlinge werden bei der Georg Fessl GmbH von Geschäftsführer René Zinner und seinem Team persönlich begrüßt. 

Zusätzlich zur trialen Fachausbildung besuchen die Lehrlinge der Georg Fessl GmbH auch den Lehrbauhof der Swietelsky AG für eine Sonderausbildung. »Im Rahmen dieser Sonderausbildung sollen besondere Kenntnisse der jungen Menschen ausgebaut und spezielle Fähigkeiten erkannt und gefördert werden«, erklärt Zinner. Weiters bietet die Georg Fessl GmbH für die gesamte Belegschaft Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und Teambuilding, Events wie Gesundheits- oder Skitage und bis zum Ausbruch der Corona­pandemie mit dem jährlich stattfinden »Kart-Race Georg Fessl« ein absolutes Highlight. Dafür wurde auf dem Firmengelände eine eigene Kart-Rennbahn aufgebaut, die von einem professionellen Rennbahn-Betreiber betreut wurde. »Mit Tagen wie diesen gelingt es uns, ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl und viel Empathie füreinander zu entwickeln«, sagt Zinner.

Speziell für die Lehrlinge wird während der Ausbildung auch der »Outdoor-Tag« organsiert. »Dabei geht es um Selbsterfahrung, um gemeinsames Tun und das Ziel, zu erkennen, wie stark jeder Einzelne im Team sein kann«, erklärt Zinner. Begleitet und evaluiert werden all diese Aktivitäten von den Lehrlingsmentoren. Um junge Menschen für die Georg Fessl GmbH zu gewinnen, besucht Zinner regelmäßig in den ersten Schulwochen im Herbst Polytechnische Schulen, um das Unternehmen und die Lehrberufe vorzustellen. Zusätzlich zu dieser Präsentation veranstaltet das Unternehmen in der Schule »Projektwochen«, in denen Facharbeiter*innen des Unternehmens gemeinsam mit Lehrenden und Schüler*innen ein Bauwerk wie etwa ein Gartenhaus für einen Kindergarten errichten. »Die Jugend lernt damit das Berufsbild selbst und das mögliche zukünftige Arbeitsumfeld kennen«, so Zinner.

(Bilder: iStock, Fessl)

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