Sonntag, Dezember 22, 2024

Peter Krammer ist seit Jahresbeginn Vorstandsmitglied der Strabag SE. Der gelernte Bauingenieur über Wirtschaftskrise, Marktchancen und Streitkultur.


(+) plus:  Herr Krammer, jeder neue Vorstand hat seine Prioritäten. Was haben Sie sich vorgenommen?
Peter Krammer: Für die Strabag Geld zu verdienen. In den Märkten, die ich verantworte, das ist im Wesentlichen Deutschland und Österreich, sind wir sehr gut aufgestellt. In Deutschland haben wir mit 5,3 Milliarden Euro Umsatz absolut gesehen das beste Ergebnis. Hier sind wir mit Abstand das größte Bauunternehmen mit einer tiefen Wertschöpfungskette. Wir arbeiten selbst dort und sind auch der größte Arbeitgeber im Bau. Diesen deutschen Markt wollen wir weiter auf profitabler Ebene ausbauen, das ist eine der Strategien. In Österreich wollen wir weiter Nummer eins bleiben, in Osteuropa sind wir unterschiedlich vertreten. Durch die Wirtschaftskrise konnten wir unsere Pläne nicht überall ganz einhalten.

(+) plus: Betrifft das auch Russland?
Krammer: Dort wird es etwas länger dauern. Wir werden versuchen, die nächsten zwei Jahre dort ein stabiles Niveau zu halten und dann sehen, wie es weitergeht. Russland ist ein sehr großes Land, in dem sehr viel zu tun ist. Die Frage ist, welche Schwerpunkte die Politik setzen wird. Die Infrastruktur im Bereich der Ölförderung und der Industrieproduktion muss dort ausgebaut werden. Das ist aber weniger etwas für ein Bauunternehmen als für einen Anlagenbauer. Wir glauben trotzdem, dass sich die Situation dort erholen wird.

(+) plus: War man vielleicht zu optimistisch, was das Engagement in Russland betrifft?
Krammer: Das glaube ich nicht. Es hat aber niemand gedacht, dass die Wirtschaftskrise derart zuschlägt und die Welt von einem Monat auf den anderen nicht mehr die gleiche ist. Die Investoren, die auf Wachstum gesetzt haben, wie unser Shareholder Oleg Deripaska, sind in enorme Liquiditätsschwierigkeiten gekommen. Das beeinträchtigt natürlich auch Investitionen in die Olympischen Winterspiele oder den Bau von Shopping Malls.

(+) plus: Deripaska hat seine Option auf die Strabag-Anteile verlängert. Ist schon abzusehen, ob er diese Option ziehen wird?
Krammer: Deadline ist der 15. Oktober 2010. Wir gehen davon aus, dass er bezahlen und wieder vollwertiger Shareholder mit 25 Prozent sein wird.

(+) plus: Gibt es einen Plan B, falls Deripaska nicht einsteigt?
Krammer: Das ist Eigentümerfrage. Wir gehen davon aus, dass er bezahlt.

(+) plus: In den ersten drei Quartalen des Vorjahres lag der Umsatz der Strabag bei 9,09 Milliarden. Wie ist das Gesamtjahr gelaufen?
Krammer: Wir werden in etwa das Niveau des Vorjahres erreichen (12,2 Milliarden, Anm.). Das war das Planziel. 2009 war aber nicht das schwierigste Jahr, auch 2010 wird nicht schwierig. Unsere Auftragsbestände sind voll, wir haben mehr als einen Jahresumsatz in den Büchern. Jetzt aber laufen noch die Konjunkturprogramme. Die Aufgabe des Staates, in Zeiten schwacher Konjunktur öffentliche Investitionen zu tätigen, wurde teilweise gut wahrgenommen. Diese Programme laufen aber 2011 aus, wir schätzen daher, dass 2012 eines der schwierigsten Jahre für die Bauindustrie wird. Dann kommt es darauf an, wie weit diese ausgelaufenen Konjunkturprogramme von den Privaten wieder kompensiert werden.

(+) plus: Im Tiefbau gibt es aber keine privaten Investoren.
Krammer: Wie Herr Haselsteiner sagt, wir sind ein Tausendfüßler. Wenn ein Bein krankt, tragen die anderen weiter. Wir haben Facility Management, wir haben Umwelttechnik, wir haben den Hoch- und den Ingenieurbau. Wir haben unsere Kernmärkte Österreich, Deutschland und Südosteuropa, aber auch Nordafrika und den Mittleren Osten. Wir werden auch weiter reisen müssen, um unsere Kapazitäten und unsere Umsätze weiter ausbauen zu können. Indien ist ein sehr starker Markt mit Riesenpotenzial. Wir haben dort schon einige Projekte wie die U-Bahn in Delhi realisiert.

(+) plus: Im Mittleren Osten haben Sie keine Probleme?
Krammer: In Dubai haben wir abgeschlossen, das trifft uns nicht. Unsere Märkte Abu Dhabi, Oman, Qatar, Saudi-Arabien haben nach wie vor Potenzial. In Dubai hat wie in Rumänien eine Überhitzung stattgefunden, das musste so kommen.

(+) plus: Was erwarten Sie 2011 und 12?
Krammer: Wir werden ein moderates Wachstum haben. Ich rechne zumindest mit einem gleichbleibenden Umsatz.

(+) plus: Kommen diese Umsätze aus Akquisitionen oder aus der Bauproduktion?
Krammer: In der realen Bauproduktion haben wir 2009 einen Rückgang von rund sieben Prozent, den wir durch Akquisitionen aus dem Jahr 2008 kompensieren können. Wir werden weiter moderat investieren. Ich glaube nicht, dass wir 2010 einen weiteren Rückgang der Bauproduktion haben werden, weil die Konjunkturprogramme greifen und weil die Investitionen da und dort wieder anspringen. Das Geld ist da und muss arbeiten. Da muss aber natürlich die Kaufkraft so weit gegeben sein, dass Wohnungen gekauft und Büros gemietet werden. Wenn aber die Investitionskosten nicht stimmen, dann haben wir als Bauunternehmen nichts davon und die Realwirtschaft leidet. Wenn sich das in einem vernünftigen Maß einpendelt, dann funktioniert das System.

(+) plus: Für die Entwickler ist es aber derzeit immer schwieriger, eine Finanzierung zu bekommen.
Krammer: Auch da braucht es ein gesundes Mittelmaß. Das Jahr 2009 war sicher ein ganz schwieriges für die Projektentwickler. Wir müssen ein vernünftiges Maß erreichen, wo ein Projekt mit einer gewissen Vorvermietung und einer ordentlichen Eigenkapitalbasis von den Banken finanziert wird. Dann wird es wieder zu Neuentwicklungen kommen. Ich gehe davon aus, dass das 2011, 2012 wieder anspringen wird, auch in den Ländern Südosteuropas.

 


(+) plus:  Sehen Sie Potenzial für privaten Straßenbau?
Krammer: Das Segment PPP (Public-Private-Partnership, Anm.) hat großes Potenzial für uns. Im Moment ist es auch hier schwierig, Finanzierungen zu finden. Jetzt braucht man mehr Partner, weil die Banken kleinere Tranchen riskieren. Chancen sehe ich dort, wo es Verkehrswachstum gibt.

(+) plus: In Österreich hat man den Eindruck, dass die Asfinag nach der A5 keine Lust mehr auf PPP-Modelle hat. Sehen Sie hierzulande Potenzial?
Krammer: In Österreich sehe ich wenig Potenzial. Das ist eine Sache der politischen Entscheidung. Eine Teilprivatisierung der Asfinag würde da schon mehr Sinn machen. Mit ein paar Kilometern Autobahn kann man als Privater nicht effizient sein.

(+) plus: Sie sind im Strabag-Vorstand auch für Umwelttechnik zuständig. Hat dieser Bereich Potenzial?
Krammer: Dieser Bereich hatte in der Strabag vor zwei Jahren einen Umsatz von 60 Millionen Euro und wird im Jahr 2009 immerhin an die 300 Millionen machen. Daran erkennt man schon, welches Wachstumspotenzial darin liegt. Wir haben uns in diesem Bereich auch durch Firmenakquisitionen sehr verstärkt, nicht nur im klassischen Bau etwa von Kläranlagen. Wir sind auch in der Abgasreinigung und haben uns an einem Unternehmen für Wirbelschichtverbrennungen beteiligt. Wir können damit auch im Anlagenbau in allen Bereichen tätig sein.
Unsere Stärke ist, dass diese Technologien in jenen Ländern besonders gefragt sind, in denen wir mit der Bauinfrastruktur zuhause sind. Den Bereich der erneuerbaren Energien und der Umweltsanierung halte ich für sehr wichtig, da wird in den nächsten Jahren sehr viel EU-Geld fließen. Aber auch in den Kernländern Deutschland und Österreich sind wir im Bereich erneuerbare Energien tätig, etwa mit der Erzeugung von Bio-Erdgas.

(+) plus: Welches Umsatzziel haben Sie sich für die Umwelttechnik gesetzt?
Krammer: Ein Wachstum wie in den letzten beiden Jahren wird nicht mehr möglich sein. Ziel ist, in den Ländern Südosteuropas, Polen aber auch Russland unsere Marktposition weiter auszubauen und unser Portfolio weg vom klassischen Baubereich in Richtung Anlagenbau zu erweitern. Dort gibt es noch sehr viel zu tun.

(+) plus: Worauf kommt es Ihnen als neues Vorstandsmitglied besonders an?
Krammer: Für mich ist Selbstverantwortung und Kooperation ein ganz wesentlicher Punkt. Gerade weil ich mich früher sehr stark mit dem Claim Management auseinandergesetzt habe, ist meine Botschaft: Wir brauchen eine ordentliche Streitkultur, die es uns ermöglicht, einander wieder in die Augen zu schauen.

Zur Person
Peter Krammer (43) hat Bauingenieurwesen an der TU Wien studiert. Dissertation am Institut für Bauwirtschaft zum Thema Claim Management. Autor des Buches »Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag«. In Berlin als stellvertretender Projektleiter für Maculan tätig, anschließend für Porr für den Semmering-Basistunnel zuständig. Bei seinem ersten Engagement für die Strabag baute er den Bereich Contract Management auf und verantwortete anschließend im operativen Bereich die Verlängerung der U2. Bei dem Bauunternehmen Swietelsky baute Krammer den Bereich Ingenieur-Tiefbau auf und war für den Straßenbau in Niederösterreich zuständig. 2005 kehrte er zur Strabag AG zurück und ist seither Mitglied des Vorstandes. Seit 2006 ist Krammer für den Hoch- und Ingenieurbau in Osteuropa zuständig. Zusätzlich verantwortet Krammer auch den Bereich Umwelttechnik.

 

27.01.2010

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