Sonntag, Dezember 22, 2024
Weniger schlimm als befürchtet, aber alles andere als rosig: Das war 2009 für die Bauindustrie. Und auch die nächsten Jahre werden kein Spaziergang. Mit der neuen Auftraggeberhaftung und der Novellierung des Bundesvergaberechts hat sich aber auch abseits der Krise einiges getan.

Die Bauindustrie dürfte 2009 mit einem blauen Auge davonkommen. Zwar geht es der Branche bei weitem schlechter als 2008, die schlimmsten Horrorszenarien der Wirtschaftsforscher haben sich aber großteils nicht bewahrheitet, zumindest noch nicht. »Teilweise sind natürlich Auftragsrückgänge zu spüren, durch die Konjunkturpakete und weitere Investitionsmaßnahmen wie etwa das Kraftwerksmodernisierungsprogramm der Energieversorger ist es aber gelungen, für frische Impulse zu sorgen«, erklärt Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ).

Auch die aktuellen Zahlen der Statistik Austria zeigen ein eher uneinheitliches Bild. Von Jänner bis August 2009 ist der Bauproduktionswert um 5,5 Prozent gesunken. Während sich der Hochbau mit einem Minus von lediglich 0,9 Prozent noch relativ wacker geschlagen hat, musste der Tiefbau mit 11,2 Prozent einen massiven Produktionsrückgang hinnehmen.

Die Zahlen im Hochbau sind besser als erwartet. Das liegt vor allem am Kraftwerksmodernisierungsprogramm. Die Investitionen der Energieversorger hatten im Industrie- und Ingenieurbau ein Plus von 36,3 Prozent zur Folge. Im Wohnungs- und Siedlungsbau (-4,0 Prozent) und im Sonstigen Hochbau (-10,2 Prozent) entsprechen die Zahlen den geringen Erwartungen. Noch schlechter als ohnehin schon befürchtet war die Performance im Tiefbau. Dramatisch entwickelten sich die Sparten Brücken- und Hochstraßenbau (-42,5 Prozent), Tunnelbau (-28,6 Prozent), Wasserbau (-13,2 Prozent) und Sonstiger Tiefbau (-12,7 Prozent). Ein Plus gab es nur beim Schienenbau (21,7 Prozent).

Bis August war der Hochbau in der Statistik klar voran. Das könnte sich in den letzten Monaten des Jahres allerdings noch ändern. Der witterungsabhängige Tiefbau wird noch deutlich aufholen. »Die Bausaison 2009 hat witterungsbedingt in vielen Landesteilen später begonnen als im Vorjahr«, erklärt Steibl, der noch mit Verschiebung der Baustatistik zugunsten des Tiefbaus rechnet. Weil aber gleichzeitig mit einer Durststrecke im Hochbau zu rechnen ist, wird sich am Gesamtrückgang des Bauproduktionswertes von 5,5 Prozent nicht mehr viel ändern.

Regional betrachtet zeigt sich, dass sich in sieben von neun Bundesländern die Bautätigkeit verringert hat, und das zum Teil dramatisch. Während Oberösterreich und die Steiermark mit minus 1,7 Prozent bzw. minus 6,4 Prozent noch halbwegs im Rahmen bleiben, verzeichnen Kärnten (-9,6 Prozent), Niederösterreich (-10,1 Prozent), Vorarlberg (-14,1 Prozent), Salzburg (-14,4 Prozent) und Tirol (-20,9 Prozent) massive Rückgänge. Positive Ausreißer sind Wien mit fast fünf Prozent mehr Bautätigkeit und das Burgenland mit einem Plus von 3,8 Prozent.

Zankapfel Konjunkturpakete
Ein besonders heikles Thema in der Branche sind die Konjunkturpakete der Regierung. Während die einen von einer reinen Mogelpackung sprechen, gestehen andere der Politik zumindest eine positive Absicht zu. Wirklich zufrieden mit der Umsetzung ist aber kaum jemand. Dabei zeigen die Zahlen der Statistik Austria aber durchaus bereits positive Effekte. Denn der Produktionswert der Bautätigkeit für den öffentlichen Sektor lag in den ersten acht Monaten dieses Jahres mit rund vier Milliarden Euro um 6,7 Prozent über jenem des Vorjahresvergleichszeitraums. Der Löwenanteil von 64 Prozent der öffentlichen Aufträge floss in den Tiefbau, das größere relative Wachstum verzeichnete aber der Hochbau.

Wichtige Meilensteine
2009 hat für die Bauindustrie auch einige wichtige Veränderungen der Rahmenbedingungen gebracht. Neben der Auftraggeberhaftung soll sich vor allem die Novellierung des Bundesvergabegesetzes positiv auf die Branche auswirken.

Seit 1. September 2009 ist die Auftraggeberhaftung in Kraft. Ein Gesetz, das von der Bauindustrie grundsätzlich begrüßt wird, allerdings mit jeder Menge zusätzlicher Bürokratie verbunden ist, sowohl für die Unternehmen als auch für die Sozialversicherungsträger. Vor allem in den ersten Monaten war die Fehlerquote sehr hoch, mittlerweile hat sich aber vieles eingespielt. Jetzt sollte sich die Auftraggeberhaftung zu einem wirksamen Instrument gegen Wettbewerbsverzerrungen mausern. Handlungsbedarf war ohne Zweifel gegeben. Denn von rund 800 Neugründungen pro Jahr verschwinden 90 Prozent binnen eines Jahres im Nirwana der Insolvenz. Diesen betrügerischen Machenschaften rückt die Auftraggeberhaftung zu Leibe. Der Auftraggeber haftet für die Sozialversicherungsbeiträge des Subunternehmers, und zwar in Höhe von maximal 20 Prozent des Werklohns. Allerdings kann sich der Auftraggeber von dieser Haftung auch befreien. Entweder indem er diese 20 Prozent des Werklohns, den er dem Subunternehmer schuldet, direkt an die Krankenkasse überweist, oder indem der Subunternehmer auf der sogenannten HFU-Liste der Krankenkasse steht. Bei den hier gesammelten Unternehmen fällt die Haftung von vornherein weg. Eine Voraussetzung für die Aufnahme in diese Liste ist allerdings, dass ein Unternehmen bereits mindestens drei Jahre lang Bauleistungen erbracht hat. Kritiker dieses Gesetzes verweisen vor allem auf die Nachteile, die sich speziell für kleinere Unternehmen und Neugründungen ergeben. »Das Zusammentreffen dieser Neuerung mit einer Rechtsänderung beim Unternehmensgesetzbuch führt jedoch nun dazu, dass auch korrekt arbeitenden und bereits länger bestehenden Betrieben ein erheblicher Teil ihres Werklohns als Subunternehmer abgezogen wird. Auf diese Weise gefährdet man die Zahlungsfähigkeit und den Bestand gerade kleiner Unternehmen«, ärgert sich etwa Anton Pöchhacker vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband Niederösterreichs. Durch die Bestimmung des Unternehmensgesetzbuches müssen viele Betriebe bis 31.12.2009 ihre Rechtsform von »Offene Erwerbsgesellschaft« (OEG) in »Offene Gesellschaft« (OG) oder von KEG in KG ändern. Damit entsteht rein rechtlich ein neues Unternehmen und die Voraussetzung der dreijährigen Tätigkeit im Baubereich für die Aufnahme in die HFU-Liste ist nicht mehr gegeben. Damit verlieren die Unternehmen 20 Prozent ihres Werklohns. »Das ist nicht nur ungerecht, sondern kostet den Betrieben Substanz, Liquidität und Zeit«, sagt Pöchhacker.

Ein weiterer wichtiger Schritt betrifft die Novellierung des Bundesvergabegesetzes. Dabei geht es vor allem um eine deutliche Erleichterung der Prüfung der Gesetzeskonformität von Ausschreibungsunterlagen der öffentlichen Hand vor dem Ende der Angebotsfrist. Derzeit müssen Unternehmen bis 5.000 Euro für einen dieser Nachprüfungsanträge bezahlen, ohne freilich zu wissen, ob sie dieses Geld zu ihrem eigenen Nutzen investieren oder zugunsten eines Konkurrenten, der die überarbeitete Ausschreibung schlussendlich gewinnt. 2008 wurden demnach von insgesamt 164 Nachprüfungsangeboten nur zehn vor Anbotseröffnung eingereicht. Mit der aktuellen Gesetzesnovelle sinkt jetzt zumindest die finanzielle Hürde. Nicht durchgesetzt werden konnte, dass auch Interessensvertretungen im Sinne ihrer Mitglieder direkt aktiv werden können. »Der Widerstand der ausschreibenden Institutionen war hier zu groß«, berichtet Steibl. Dennoch hofft die VIBÖ, dass durch die Neuerungen mehr Bieter dazu motiviert werden, gegen gesetzeswidrige Ausschreibungsbedingungen im Wege eines Nachprüfungsverfahrens beim Bundesvergabeamt vorzugehen. Oder aber die öffentlichen Auftraggeber schreiben in Hinkunft von vornherein gesetzes- und normenkonform aus.

Ausblick 2010
2009 war schwierig, ab 2010 wird es schwieriger. Davon geht man zumindest bei der VIBÖ aus. Die Big Player der Branche sind für 2010 noch etwas optimistischer. Strabag- Vorstandvorsitzender Hans-Peter Haselsteiner rechnet erst ab 2011 mit deutlich schlechteren Marktbedingungen, 2010 sollte hingegen ein stabiles Jahr werden. Auch Alpine-Aufsichtsratspräsident Dietmar Aluta-Oltyan blickt positiv ins nächste Jahr. Seine Hoffnungen ruhen vor allem auf den Ländern Ost- und Zentraleuropas. »Es wurden in CEE viele Infrastrukturprojekte verschoben. Die sollten 2010 schlagend werden«, sagt Aluta. Dieses Phänomen wird auch in Österreich spürbar sein und den Abwärtstrend etwas bremsen. Denn von den groß angekündigten Konjunkturpaketen von ÖBB, Asfinag und BIG wurde noch kaum etwas umgesetzt. Durch diese ungewollte Verzögerung werden die meisten Maßnahmen auch in Österreich erst im nächsten Jahr greifen. »Das war zwar nicht beabsichtigt, aber durchaus sinnvoll. Denn der Höhepunkt der Krise steht der Bauwirtschaft noch bevor«, erklärt Steibl. Ende August 2009 wiesen die österreichischen Bauunternehmen laut Statistik Austria einen Auftragspolster von insgesamt 7,1 Milliarden Euro auf. Das entspricht einem Rückgang gegenüber der Vorjahresperiode von 5,2 Prozent.

Jetzt hofft die Industrie auf stabile Investitionen auf Bundesebene. Denn Länder und Gemeinden fallen laut den jüngsten Meldungen vorerst einmal als Investoren aus. Mehr als ein Viertel aller Gemeinden wird laut Gemeindefinanzbericht 2009 im nächsten Jahr rote Zahlen aufweisen. Und weil Bauausgaben Ermessensausgaben sind, fallen diese zuerst der Schere zum Opfer.

Und auch von den Banken erhofft sich die Branche wieder etwas mehr Bewegungsspielraum. In der Hochphase der Krise haben die Banken ihre Finanzierungsaufgabe kaum wahrgenommen, und auch jetzt regiert noch der Rotstift. Das führt dazu, dass viele rentable Projekte mit vernünftiger Rendite nicht finanziert werden. Wenn sich daran nichts ändert, sieht es für die Zukunft düster aus, ist man sich in der Branche einig.

 

Rück- und Ausblick

Die Top 3

Alpine: 2009 wurde nach einer Steigerung der Bauleistung von 35 Prozent im Jahr 2008 von der Alpine als Jahr der Konsolidierung angekündigt. Und obwohl die Krise nach wie vor anhält und viele für Alpine wichtige Ausschreibungen und zum Teil auch schon gewonnene Projekte nach hinten verschoben wurden, ist 2009 laut Aufsichtsratspräsident Dietmar Aluta-Oltyan zufriedenstellend verlaufen. »Wir erwarten mit rund 3,54 Milliarden Euro eine Bauleistung, die der von 2008 entspricht.«

Zu den wichtigsten Meilensteinen im vergangenen Jahr zählen die Übernahme des Tunnelspezialisten Beton- und Monierbau GmbH mit rund 260 Mitarbeitern und einer Bauleistung von über 100 Millionen Euro im Jahr 2008. Ebenfalls zu den Meilensteinen 2009 rechnet Aluta die Entwicklung eines Umwelt- und Nachhaltigkeitsprogramms, das mittelfristig an allen Standorten Anwendung finden soll.

Zu den wichtigsten Bauprojekten des Jahres zählen der architektonisch interessante Österreich-Pavillon für die Weltausstellung in Shanghai 2010, zwei Aufträge für den Metrobau in Singapur, der Bau der zweiten Röhre im Bosrucktunnel oder die Bahnaufträge in Bosnien und Srpska. Mit dem Gewinn der EM-Stadien in Warschau, Danzig und Posen konnte die Alpine zudem ihre Kompetenz im Sportstättenbau unter Beweis stellen.

Für 2010 ist Aluta optimistisch. Nach der Konsolidierungsphase sollte die Bauleistung nun wieder steigen. Vor allem in den CEE-Ländern sieht Aluta gute Chancen bei Ausschreibungen im Bereich Schiene und Straße, die 2009 auf Eis gelegt wurden und 2010 schlagend werden sollten. Der Auftragsstand liegt derzeit bei rund drei Milliarden Euro und damit geringfügig über dem Stand von 2008.

Porr AG: In den ersten neun Monaten 2009 erwirtschaftete die Porr eine Produktionsleistung von 2,12 Milliarden Euro. Das ist ein Minus von knapp zehn Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008. Mit diesem Ergebnis ist die Porr aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds laut eigenen Angaben nicht unzufrieden. Außerdem kam es wegen der schlechten Witterung zu Jahresbeginn zu einer zeitlichen Verschiebung der Jahresleistungskurve nach hinten. Mit einem Endspurt sollte die Jahresleistung nur unwesentlich unter jener des Vorjahres liegen.

Die wichtigste Veränderung 2009 betraf bei der Porr den Aktionärsbereich. Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis wurde eine Kapitalerhöhung mit einem Erlös von 83,5 Millionen Euro vorgenommen. Im Zuge dieser Kapitalmaßnahme hat die türkische Renaissance-Gruppe einen Anteil von 10,22 Prozent der Stammaktien erworben. Diese strategische Kooperation soll die Expansion der Porr-Gruppe in neue Infrastrukturmärkte im Nahen Osten sowie in Nordafrika ermöglichen. Zudem wurde Anfang November zur Absicherung der langfristigen Finanzierung eine Anleihe in Höhe von 100 Millionen Euro begeben, die aufgrund der großen Nachfrage massiv überzeichnet war.

Zu den herausragenden Projekten im Hochbau zählen unter anderem der Ville Verdi-Öko-Wohnpark beim Wiener Gasometer, die Errichtung eines Geriatriezentrums für rund 300 Betten in der Leopoldstadt und das Biotechnologiezentrum der Boku in der Muthgasse. Im Tiefbau stechen der Bau des Wienerwaldtunnels »Chorherrn« im Zuge des viergleisigen Ausbaus des Westbahn und die Errichtung einer sechsfeldrigen Schrägseilbrücke über die Save bei Belgrad hervor, außerdem noch die 65 Kilometer lange Autobahn mit 58 Brücken zwischen Dunaujvaros und Szekszárd in Ungarn.

Für 2010 wird bei der Porr von einer weiterhin schwachen Konjunktur ausgegangen. Eine nachhaltige Erholung wird erst ab Ende 2011 erwartet. Positive Impulse erwartet man sich aus der Renaissance-Kooperation.

Strabag SE: Die Strabag hat ihre Leistung in den ersten drei Quartalen stabil gehalten. Einem Ergebnis von 9,41 Milliarden Euro 2009 stehen 9,38 Milliarden aus dem Vorjahr gegenüber.

Als besonders erfolgreich stellte sich auch diesem Jahr das von der Strabag gelebte »Tausendfüßlerprinzip« heraus. Darunter verstehen Haselsteiner und Co die regionale und produktorientierte Diversifizierung. Geht es einem Markt schlecht, gibt es immer noch andere Standbeine, die das Fortkommen sichern. Im aktuellen Fall werden die schwächelnden Balkanstaaten vom immer noch boomenden Polen kompensiert.

Aus Polen kommt auch der größte Einzelauftrag der Unternehmensgeschichte. Die Strabag baut in einem Konsortium einen Teil der polnischen Mautautobahn A2 und wird dieses Teilstück bis zum Jahr 2037 auch betreiben. Das gesamte Projektvolumen liegt bei 1,6 Milliarden Euro. Mehr als eine Milliarde Euro wird von der Strabag Gruppe erbracht. Weitere Projekt-Highlights sind der Bau des Wiener Hauptbahnhofs sowie der Nairobi Bypass in Kenia, der im Rahmen einer Public-Private-Partnership gebaut und betrieben wird.

Für 2010 geht Strabag-Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Haselsteiner »von einem einigermaßen stabilen Geschäftsjahr aus«. Dann wird es allerdings zappenduster. Denn für 2011 erwartet er eine Verschlechterung der Marktbedingungen im Bausektor, gefolgt von einigen schwierigen Jahren ab 2012.

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