Die Bauwirtschaft wird zunehmend digital, hat aber noch viel Luft nach oben. Das weiß auch die IT-Branche und liefert maßgeschneiderte Lösungen.
Ein Bauprojekt ist ein Ökosystem von Beteiligten – vom Bauunternehmen selbst über Lieferanten und Nebengewerke bis hin zu Versicherungen. Deren Vernetzung zur automatisierten Datenübertragung in Echtzeit und die darauf basierende Einführung einer digitalen Bauakte ermöglichen vielfältige Anwendungen – das Baustellenmanagement wird effizienter und nachhaltiger.
Effizient Bauen ist das Ziel, wobei es aufgrund unzähliger manueller Abläufe und Reibungsverluste an den Schnittstellen vielfach nicht zum Besten steht. In einem komplexeren Projekt sind bis zu 160 Firmen im Einsatz. Zeit- und Kostenbudget werden überschritten, hinzu kommen substanzielle Kapitalbindung, hoher logistischer Aufwand insbesondere beim Gerätemanagement, aufwändige Schadensabwicklung und zunehmend komplexere gesetzliche Vorschriften. Die Digitalisierung schafft durch die bessere Vernetzung der Player Optimierungsmöglichkeiten. »IT kann den Bau bei Planung und Bauprozessen optimieren, digitale Services erlauben die präventive Fernwartung und proaktive Überwachung von Anlagen und Systemen, eine Energiemanagementplattform unterstützt im Betrieb. Predictive Maintenance ermöglicht dank künstlicher Intelligenz eine vorausschauende Instandhaltung«, fasst Kevin Bauer von Siemens Smart Infrastructure zusammen.
»Das Bewusstsein für die Vorteile der digitalen Infrastruktur und für digitale Prozesse steigt«, so Sascha Krammer, Vice President Business Sales Multichannel Management & Immobilienwirtschaft bei Magenta Telekom. Auch wenn die Arbeiten mit Stein, Stahl und Beton analog stattfinden, sind es die digitalen Möglichkeiten bei der Planung, dem Bau und der Verwaltung eines Gebäudes, die für optimierte Prozesse, mehr Effizienz und gleichzeitig reduzierte Kosten sorgen.
»Oftmals ist der Einsatz von IT so selbstverständlich, dass er gar nicht mehr mit einer Digitalisierung verbunden wird, etwa bei Smartphones, die für mobiles Baustellenmanagement verwendet werden,« meint Stefan Pernet, Nevaris. (Bild: Nevaris)
Der Ruf nach einheitlichen digitalen Standards sei groß. Sind Geräte z. B. mit Sensoren ausgestattet, können sämtliche Betriebsdaten wie Status, Feuchtigkeit, Temperatur, Gerätelaufzeiten oder -verfügbarkeiten von stationären und mobilen Baumaschinen erfasst, übermittelt und zentral verarbeitet werden. Daraus lässt sich das potenzielle Wartungsaufkommen besser einschätzen, Wartungsfahrten optimieren, die Ersatzteillogistik effizienter planen und die Geräteverfügbarkeit erhöhen. Auf unvorhergesehene Bauunterbrechungen kann besser reagiert und damit die Produktivität verbessert werden. Laut Nevaris statten die großen Hersteller von Baumaschinen ihre Geräte bereits standardmäßig werkseitig mit Sensoren aus.
IT am Bau 2022
Je nach Unternehmen steckt bereits mehr oder weniger IT in Bauleistungen. »Die Bedürfnisse sind breit gefächert und Unterschiede ergeben sich schon durch die Unternehmensgröße«, betont Oskar Öhlsasser, Geschäftsführer von Oskar IT. Die möglichen IT-Lösungen reichen von Anwendungen wie Tablets, Dokumentationstools, Analysegeräten und Prozessrechnern bis hin zu komplexen Detailanwendungen wie Simulationstechniken und genormten Messverfahren, die Auskunft über die Festigkeit, Witterungsbeständigkeit oder Energieeffizienz bestimmter Materialen geben können.
»Wir versuchen, wenn möglich, eine Hybridumgebung mit zentralem Rechenzentrum und mobilen Devices zu schaffen«, betont Oskar Öhlsasser, Oskar IT. (Bild: Oskar IT)
Hans Greiner, Geschäftsführer Cisco Österreich, stellt fest: »Als eines der gefragtesten Digitalisierungsthemen in der Baubranche sehen wir Smart Buildings.« Cisco biete eine ganze Reihe von Technologien für Smart Buildings, von Netzwerk- und Security-Lösungen über das Management von smarten Endgeräten und Datenanalyse bis hin zu Sensoren und intelligenten Kameras. Durch intelligente Cloud-Lösungen und mobile Technologien können laut IT-Systemhaus Österreich Baupläne, Modelle oder Zeichnungen heute per Knopfdruck angepasst und den Mitarbeitenden in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Weder Unternehmen noch Bauherren seien heute aber bereit für eine vollautomatisierte, autonome Baustelle. »Nach wie vor erfolgt die Kollaboration zwischen den Gewerken zu 98 Prozent via E-Mail, Pläne werden in A0 ausgedruckt, maximal via PDF verschickt«, dämpft Stefan Penz, Geschäftsführer der dormakaba Austria, einem Anbieter von elektronischen Türlösungen, die Erwartungen.
»Künftig bietet der Einsatz von Virtual-Reality-Brillen und Hologrammen ganz neue Möglichkeiten«, macht Hans Greiner, Cisco, Lust auf neue IT am Bau. (Bild: Cisco)
In Pilotprojekten werde der Übertrag des Konzepts »Industrie 4.0« derzeit auf die Bauwirtschaft erprobt und die Chancen und Risiken einer Baustelle 4.0 erforscht. Dabei kommen unterschiedliche Technologien zum Einsatz, die jeweils eigene Vorteile haben. Dazu gehören etwa neue Fertigungs-, Kommunikations- und Cloud-Technologien. In einer Gesamtvernetzung aller Technologien könnte die Baustelle 4.0 weitestgehend automatisiert und autonom abgewickelt werden. Auch wenn es sich bisher um Pilotprojekte handelt, ist erkennbar, wie weit fortgeschritten die neuen Technologien auch im Baubereich sind und was mit neuen digitalen Tools alles möglich ist.
IT stärkt das Bauwesen
BIM ist ein wichtiger Impulsgeber für die Digitalisierung im Bauwesen. Siemens steht mit seiner integrierten Gebäudemanagementplattform Desigo CC bereit. Auch dormakaba hat Planungstools entwickelt, wodurch die projektbezogene Kommunikation in allen Phasen den Gebäudezyklus vereinfacht wird. »Die neuen EntriWorX Softwaretools schaffen Planungssicherheit in Sachen Brandschutz, Fluchtweg und Barrierefreiheit«, informiert Penz. Zusätzlich bietet dormakaba digitale Zutrittskontrolllösungen, die die Nutzung von Gebäuden aller Art sicherer und komfortabler gestaltenim Zuge von Mobile Access kann das Smartphone als Medium verwendet werden. Smarte Lösungen bietet auch Magenta Telekom. IoT verbindet über Sensoren Geräte, Maschinen, Menschen und Gebäude.
»Mit Hilfe des Magenta Low-Cost-Trackers LITE und digitaler Datenübertragung lassen sich etwa Betriebsmittel wie Maschinen, Ladungsträger und Container sofort lokalisieren und effizient aus der Ferne managen. Dabei sinkt das Verlust- und Diebstahlrisiko, während Bauprozesse beschleunigt werden«, informiert Sascha Krammer. IoT bietet Lösungen u. a. für Raumluftgütemessung und Leerstandsüberwachung, Baustellenmonitoring hebt die Sicherheit vor Ort auf ein neues Level. Sicherheit in der IT ist das Thema bei Bechtle. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre wichtigen Daten und Systeme zu schützen und dies in Einklang mit dem Datenschutz und anderen Auflagen zu bringen.
»Das technologische Herzstück aller Maßnahmen ist das Bechtle Cyber Defense Center, CDC, das seit 2021 konzernweit durch unsere österreichischen Spezialist*innen koordiniert wird«, informiert Geschäftsführer Robert Öfferl. Auf Softwarelösungen für den Bau verweist auch Stefan Pernet, Teamleiter Kalkulation bei Nevaris. Mit der Produkt-Roadmap wird via Schnittstellen der gesamte Bauprozess begleitet. Nevaris Build ist dabei die Projektsoftware für Planer und Bauunternehmen, in Österreich läuft das Programm unter dem Namen Success X.
»Das technologische Herzstück ist das Bechtle Cyber Defense Center, CDC«, informiert Robert Öfferl. (Bild: Bechtle IT Systemhaus)
»Wir wollen auch kleine Unternehmen bei ihrer Digitalisierungsstrategie unterstützen. Nicht für jedes Unternehmen ist ein voll integriertes ERP-System die richtige Lösung«, betont er. »Zum anderen bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, wie sie ihre Bauprojekte bearbeiten wollen. Mit unserer Software kann die Bemusterung anhand eines IFC-Modells durchgeführt werden. Wir bieten den neuesten Standard gemäß ÖNORM A2063:2021-2.«
(Titelbild: Magenta)
Manuelle Fertigung 2.0 für Betonfertigteilwerke
Mit Projektionen statt Papierplänen bietet Chekker digitale Unterstützung direkt am Fertigungsarbeitsplatz.
(Bild: Schöck)
Mit Chekker, der Anafng des Jahres eingeführten Neuentwicklung vom Augmented Reality-Spezialisten Robotic Eyes und dem Bauteilehersteller Schöck, bekommen Arbeiter*innen in Betonfertigteilwerken ein Präzisionsmessinstrument an die Hand. Chekker projiziert eine schrittweise Anleitung im Maßstab 1:1 direkt auf die Arbeitsfläche. Das umständliche und fehleranfällige Abgleichen der Papierpläne und Ergebnisse gehört damit der Vergangenheit an. Eine automatisierte Kalibrierung verspricht Präzision, die integrierte, automatisierte Qualitätsüberprüfung überwacht die exakte Ausführung und meldet jede Abweichung.
Zudem erlauben die optional parallel erfassten Zeitdaten den Fertigteilwerken eine automatisierte Nachkalkulation beziehungsweise erleichtern die Analyse des Herstellungsprozesses. Chekker ist laut Schöck »einfach zu bedienen und stellt somit eine hocheffiziente Hybridlösung aus vollflächiger Beamerprojektion und optionaler AR-Visualisierung auf Tablet, Smartphone oder HoloLens dar«. Das Ergebnis sind geprüfte digitale Zwillinge, die BIM »As-Built«-Modelle der Betonfertigteile.
Digi 2000
Die Bauwirtschaft kann den Digitalisierungs-Boost in vielerlei Hinsicht für sich nutzen,
- angefangen beim Einsatz autonomer Maschinen und Roboter (Gefahrenreduktion, Kostenersparnis) über die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Big Data (z. B. kostensparende und rasche Problemidentifikation anhand von digitaler Musteranalyse) bis hin zu verschiedenen IoT-Anwendungen (Smart Building, Smart Office, Smart Living etc.).
(Bild: Magenta)
- Für die Bereiche Dokumentation und Planwesen kommen immer mehr Drohnen auf der Baustelle zum Einsatz.
- Cloud-Lösungen und mobile Technologien sorgen für eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten am Projekt, dank direkterer Zugriffe und Informationserhalte durch mobile Geräte.