Freitag, Mai 17, 2024
Transformation am Gebäudesektor

Corona ist ein Brandbeschleuniger und legt die Schwächen von Unternehmen gnadenlos offen. Das gilt auch für die Wertschöpfungskette »Smart Buildings«. Eine Markterhebung der Unternehmensberatung owl lab gemeinsam mit dem Zukunftsforum Connected Buildings zeigt die zentralen Folgen der Pandemie und Herausforderungen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen. 

1. Unternehmen verlieren die Planungs- und Prognosefähigkeit: Die Sektoren entlang der Wertschöpfungskette Bauen, Wohnen und Sanieren kommen im Allgemeinen gut durch die Krise. Aber während die einen eine exzellente Auftragslage haben, brechen Unternehmen mit Kernzielgruppen in den strauchelnden Sektoren Gastronomie, Tourismus und Hotellerie die Umsätze weg.

Wer flexibel reagiert, kann zumindest einen Teil des weggebrochenen Umsatzes ersetzen. Das bringt aber nicht immer den gewünschten Erfolg: Etwa im Versuch, den Wegfall großer B2B-Projekte durch viele kleine Aufträge von Endkonsument*innen zu ersetzen. Die Pandemie und die Überhitzung des Marktes führen weiters zu Materialengpässen, die Kosten für Projekte steigen massiv an.

2. Nachhaltig & langfristig agierende Unternehmen haben in der Bewältigung der Pandemie einen Vorteil: Wer die »Hausaufgaben« gemacht hat, geht erfolgreicher durch die Pandemie: Unternehmen, die sich bereits vor der Krise mit der Digitalisierung ihres Businessmodells und mit neuen Arbeitsmodellen auseinandergesetzt haben, haben es einfacher in der Bewältigung der Pandemie. Zudem sind alte Lösungsansätze mehr denn je nicht mehr brauchbar, das Neue ist aber noch nicht ausreichend aufgebaut.

Die Lockdowns und »Social Distancing« haben allen voran KMUs in Mitleidenschaft gezogen. Während Großunternehmen den Digitalisierungsturbo einschalten, ist in KMUs, die von der Krise beeinträchtigt wurden, an Investitionen nicht zu denken. Daten zeigen, dass sich KMUs grundsätzlich schwerer in der Digitalisierung zurechtfinden als Großunternehmen – diese Kluft hat sich nochmals verschärft.

3. Energiewende & Dekarbonisierung sind essentielle Treiber smarter Gebäudetechnologie: Die Energieproduktion befindet sich inmitten einer grundlegenden Transformation: War sie früher in der Hand von einigen wenigen Unternehmen, stellt die Energiewende die Demokratisierung der Energiewelt dar. Heute können auch kleine Produzenten einspeisen, Private und Unternehmen werden zu sogenannten Prosumenten: Sie produzieren Energie, die sie selbst zu einem möglichst hohen Anteil konsumieren. 

4. Neue, fachübergreifende Businessmodelle sind im Entstehen: Die Zukunftsthemen Dekarbonisierung, Energiewende und Klimawandel sind zum einen Hoffnungsträger der Sektoren, zum anderen aber auch große Herausforderung. Angesichts der Veränderungen ist die Entwicklung neuer, fachübergreifender Businessmodelle essentiell: Durch die fortschreitende Vernetzung von Fachgebieten und die steigende Komplexität sind wir nicht mehr in der Lage, Herausforderungen alleine zu lösen. In einem vernetzten Gebäude ist es weiters wesentlich, mit den beteiligten Sektoren gemeinsame Lösungen mit maximaler Tragkraft zu entwickeln.

5. Sektoren sind auf die Zukunftsthemen nicht vorbereitet: Gesamtheitlich betrachtet sind wichtige Teile der Wertschöpfungsketten noch nicht auf die digitale und technologische Transformation eingestimmt. So stehen die Sektoren bei der Mitnahme der bestehenden Player am Markt, der Mitarbeiter*innen sowie der Kund*innen völlig am Anfang. Es mangelt noch am technischen Grundverständnis, an der Umsetzung und am Überblick. Fehlplanungen in der Praxis sind die Folge, weil sie aus altem Wissen geschöpft sind.

6. Neue Skills sind gefordert. Im Trend liegen Kundenmarkt & Individualisierung: Der Trend geht von Standardlösungen hin zur Individualisierung – also hin zu einem Kundenmarkt. Dafür werden Mitarbeiter*innen gebraucht, die Kund*innen verstehen und in ihrer Sprache sprechen. Dazu gehört auch, das Kundenerlebnis positiv zu gestalten – und das nicht nur im Kundenservice, sondern entlang der gesamten Customer Journey. Das stellt den Aus- und Weiterbildungsmarkt vor große Herausforderungen, da sich die Welt schneller dreht als sich deren Programme weiterentwickeln. Die Frage muss lauten: Welche Skills braucht es in fünf bis zehn Jahren? 

7. New Work – Clash of Culture: Angesichts der Veränderungen am Markt und in den Unternehmen prallen auch in den Unternehmen die Kulturen aneinander: Auf der einen Seite die »alte« Mannschaft, auf der anderen Seite die junge Generation, die »New Work« verlangt. Die Arbeitswelt von heute spricht junge Talente immer weniger an: Unternehmen sind gefordert, attraktiv zu sein bzw. zu werden für eine junge Generation, die laut Interviewpartner*innen »völlig anders tickt.« Die Challenge für die ältere Generation: Kein eigenes Büro, Homeoffice und vermehrtes Teamwork.

8. Die Zukunft gehört der Kollaboration. Gesucht werden »Weltenwandler*innen, die vernetzen«: Die fortschreitende Vernetzung der Fachgebiete ändert die Art und Weise, wie in den Sektoren gearbeitet wird. Die Zukunft gehört der Kollaboration, den »interdisziplinären Weltenwandler*innen, die vernetzen«. Diese werden heute weder ausgebildet, noch sind sie definiert. Es fehlt ein interdisziplinäres Angebot am Markt, das den Überblick schult.

9. Die Kluft zwischen KMUs und Großunternehmen wird größer: Für KMUs sind diese Entwicklungen besonders herausfordernd: Großunternehmen haben durch hohe Investitionen in Employer Branding und Kommunikation einen entscheidenden Vorteil im Kampf um gut ausgebildetes Personal. Auch sind Großunternehmen fachübergreifende Teams und Kollaborationsmodelle eher gewohnt als KMUs. Die Befürchtung: Die Kluft zwischen Großunternehmen und KMUs wird zukünftig größer werden. 

10. Diversität & Requalifizierung – Neue Zielgruppen für Jobs in der Technik begeistern: In Österreich sind wir im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig technikaffin, wir bilden viel zu wenige Techniker*innen aus. Das bedeutet: Während unser Leben bereits von technologischen Innovationen geprägt ist, mangelt es an qualifiziertem Personal und Nachwuchs. Eine große Chance stellen hier die Diversität und die Requalifizierung dar.

Fazit: Zukunftsfähigkeit = Innovationsfähigkeit

Das Navigieren durch die Krise ist herausfordernd: Unternehmen sind mehr denn je gefordert, auf die rasanten Entwicklungen Antworten zu finden. Essentiell ist das Verständnis, dass die Entwicklungen völlig unabhängig vom (Wohl-)Wollen der Marktteilnehmer*innen stattfinden. »Wer sein Unternehmen nicht transformiert, wird transformiert. Und das ist immer schmerzhafter als ein strukturierter Veränderungsprozess«, appelliert Anja Herberth, Autorin der Markterhebung und Begründerin des Zukunftsforums Connected Buildings.

Ob wir als Gesellschaft den enormen Herausforderungen der technologischen Entwicklung und Digitalisierung, der Energiewende und Dekarbonisierung gewachsen sind, hänge in wesentlichen Punkten nicht (nur) an finanziellen Investitionen und Förderungen. »Die Engstellen, die nun raschest bearbeitet werden sollten, sind der Facharbeiter*innenmangel und die mangelhafte Mitnahme des bestehenden Personals sowie der Kund*innen in den Zukunftsthemen. Nur mit einem kompetenten Personal, das sich der Veränderungen am Markt bewusst ist und das proaktiv an den Herausforderungen mitarbeitet, ist die Transformation des Gebäudesektors schaffbar«, schließt die Studienautorin.

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