Die Prognosen für 2022 stimmen grundsätzlich optimistisch - Teuerung und Lieferengpässe sorgen allerdings für Unsicherheit.
(Bild: v.l.: Anton Rieder, WK-Vizepräsident und Innungsmeister des Tiroler Baugewerbes, Landesbaudirektor Christian Molzer und Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie, bei der Präsentation der "Tiroler Bauvorschau 2022"; WKO/Die Fotografen.)
Es gibt viele positive Indikatoren, aber auch enorme Herausforderungen. Zu diesem Schluss kamen heute Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie, Anton Rieder, WK-Vizepräsident und Innungsmeister des Tiroler Baugewerbes und Landesbaudirektor Christian Molzer bei der Präsentation der „Tiroler Bauvorschau 2022“. Nachdem die Pandemie in den beiden Vorjahren für gedämpfte Stimmung gesorgt hat, blicken sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer grundsätzlich positiv in die neue Bausaison.
Schwierigkeiten, wie die massive Beschaffungsproblematik und die hohe Teuerungsrate, trüben die Stimmung jedoch. Rückblickend auf die vergangenen zwölf Monate verzeichnete mehr als jedes vierte Unternehmen (27 %) einen Anstieg des bauwirksamen Produktionswertes (Umsatz). Für etwas mehr als jedes zweite Unternehmen (54 %) ist der Umsatz gleich geblieben. Rund ein Fünftel (19 %) gibt an, dass der Umsatz in den vergangenen zwölf Monaten gesunken ist. Laut „Bauvorschau“ für das Jahr 2022 erwarten 22 Prozent eine Steigerung ihres Umsatzes. 64 Prozent rechnen damit, dass der Umsatz des Unternehmens in etwa gleich bleiben wird und 13,7 Prozent gehen davon aus, dass dieser sinken wird.
Bessere Stimmung als im Vorjahr
„Beim allgemeinen Stimmungsbild haben wir uns im Vergleich zum vergangenen Jahr verbessert. Die Betriebe würden der derzeitigen Situation die Schulnote 2,3 bis 2,7 geben. Kleinere und größere Betriebe sind etwas pessimistischer, mittelgroße Betriebe dagegen etwas optimistischer gestimmt“, sagt Manfred Lechner. Er verweist in diesem Zusammenhang aber darauf, dass die Erhebungen für die „Bauvorschau 2022“ im Jänner und Februar gemacht wurden. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind in den Ergebnissen deshalb nicht abgebildet. Und auch die Auswirkungen der starken Omikron-Welle sowie der Beschaffungsproblematik konnten nur teilweise berücksichtigt werden.
Dennoch wird für das Tiroler Baubudget 2022 ein Anstieg von 7,4 Prozent erwartet – es wird sich heuer auf rund 2.253 Millionen Euro belaufen. Allein die klassisch bauwirksamen Leistungen, also Bauleistungen ohne z. B. Haus- und Anlagentechnik, dürften dieses Jahr nominell um 6,9 Prozent steigen. Demgegenüber steht allerdings die massive Teuerung, die den Bauunternehmen in allen Bereichen zu schaffen macht. „Die Preissteigerung wird wohl den heurigen Zuwachs auffressen“, befürchtet Lechner.
Große Herausforderungen
Anton Rieder, WK-Vizepräsident und Innungsmeister des Tiroler Baugewerbes.
Dieser Ansicht schließt sich der WK-Vizepräsident an: „Wir sind motiviert in die neue Saison gestartet, die aktuelle Situation sorgt aber für Ernüchterung. Durch die starke Inflation dürften wir heuer stagnieren, wenn auch auf hohem Niveau“. Rieder sieht derzeit drei große Problemstellungen für die Tiroler Bauunternehmen:
1. Die hohen Beschaffungspreise erschweren die Bautätigkeit zunehmend. „Wir erhalten von Zulieferern teilweise nur mehr Tages- und Wochenpreise, falls sie uns überhaupt ein Lieferdatum nennen können. Das sorgt für Preissteigerung und Unsicherheit – sowohl für Baufirmen als auch für Kunden“, sagt Rieder.
2. Die Kostenexplosion könnte auch den sozialen Wohnbau zum Erliegen bringen. Denn die Ausgaben für diesen werden aktuell vom Land gedeckelt, dieser Kostendeckel wurde bisher nicht an die derzeitigen Preise angepasst. Unternehmen können damit aus wirtschaftlicher Sicht keinen sozialen Wohnbau mehr im vorgeschriebenen Rahmen errichten, „wir schaffen das nicht mehr“. Einerseits muss das Land Tirol den Kostendeckel anpassen, um überhaupt noch sozialen Wohnbau zu ermöglichen. Andererseits muss sich die Gesellschaft fragen, ob die Anforderungen, die sie an Neubauprojekte stellt, nicht zu überbordend sind, so Rieder.
3. Die Verfahrenslänge für Bewilligungen macht zügiges Bauen zunehmend unmöglich. Selbst wenn es schnell geht, dauert die Projektgenehmigung ungefähr zwei bis drei Jahre. Es kann aber auch mehr als zehn Jahre dauern, meint Rieder. Er fordert deshalb die Möglichkeit der digitalen Baueinreichung, um Behördenwege abzukürzen und Prozesse zu beschleunigen.
Dauerbrenner Arbeitskräftemangel
Trotz aller Herausforderungen ist auch Landesbaudirektor Christian Molzer ob der vollen Auftragsbücher im Land grundsätzlich positiv gestimmt. Das sei wichtig, denn „mit positiver Stimmung kann man Probleme besser angehen“. Er hofft, dass sich die Beschaffungsengpässe bald auflösen werden, und verweist auf die Digitalisierungsoffensive des Landes, die auch in der Verwaltung einiges vereinfachen soll. Zusätzlich spricht er den Arbeitskräftemangel an, den alle drei Experten als Dauerproblem bezeichnen: „Ich bin dankbar, dass die Bauakademie hier positive Signale aussendet. Wir werden die Jungen nur mit modernsten Arbeitsmitteln gewinnen können.“ Manfred Lechner ergänzt: „Wir arbeiten schon jetzt immer effizienter und immer schneller. Wir müssen die jungen Leute trotzdem für das Bauen begeistern, sonst haben wir bald eine Leistungsbegrenzung durch fehlende Arbeitskräfte.“