Sequello ist eine digitale Baulogistik-Plattform, die als Joint Venture von Porr und Umdasch Group Ventures von Experten aus der Branche für die Branche entwickelt wurde. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report geben Geschäftsführer Josef Kurz und Prokurist Christian Hellerschmied Einblicke in ihre Vision. Sie erklären, was Sequello besser macht als andere Lösungen und wie sie die gesamte Baubranche an Bord holen wollen.
Report: Was ist die Idee hinter Sequello, wie sieht Ihre Vision aus?
Josef Kurz: In der Baubranche macht derzeit jeder Anbieter sein eigenes Ding. Es gibt zahlreiche Insellösungen, die alle einen Mehrwert für ihr Anwendungsgebiet haben. Diese Lösungen in die Unternehmen einzugliedern, ist aber nicht immer einfach. Gerade beim Thema digitaler Lieferschein gibt es viele verschiedene Ansätze. In der gesamten Wertschöpfungskette von BIM bis zur Zahlung der Rechnung gibt es sehr viele inhaltliche, system- und prozesstechnische Brüche. Es ist davon auszugehen, dass es in Zukunft eine Vielzahl an verschiedenen Lösungen geben wird, mit verschiedenen Schnittstellen und Oberflächen, mit denen man auf der Baustelle zurecht kommen muss. Unser Angebot ist es, ein paar Jahre Digitalisierungsentwicklung zu überspringen und gleich einem gemeinsamen Standard näher zu kommen.
Christian Hellerschmied: Das ist es auch, was uns schlussendlich mit der Umdasch Group Ventures zusammengebracht hat. In der Österreichischen Bautechnik Vereinigung gab es eine eigene Arbeitsgruppe zur digitalen Betonbestellung, da ist viel Vorarbeit in Sachen Stammdaten und Stammdatenintegration geleistet worden. Auch bei der Porr ist intern viel in diese Richtung passiert. Die Umdasch Group ist mit Doka wiederum von der anderen Seite gekommen und hat an einem User-Interface für Betonbestellungen gearbeitet. Da war es naheliegend, zu schauen, was man gemeinsam zustande bringen kann. Das Ziel der Porr war es, nach dem Jahr 2021 ihre Betonlieferanten digital anbinden zu können. Das war der Anstoß zum gemeinsamenJoint Venture.
Kurz: Die digitale Beschaffung war und ist bei Baufirmen in den letzten Jahren großes Thema. Da ist die Integration von Bestellung, Lieferschein und Rechnung die logische Konsequenz.
Report: Was zeichnet Sequello aus? Was macht Sequello besser als andere Lösungen?
Kurz: Die meisten Anbieter für elektronischen Datenaustausch haben ein System und verbinden mit ihren statischen Strukturen die ERP-Systeme von Kunden und Lieferanten. In der Bauwirtschaft geht es aber darüber hinaus darum, die Baustellen aktiv einzubinden, denn dort werden die Entscheidungen getroffen. Und dieses Interface für Polier und Bauleiter fehlt bei anderen Lösungen zur firmenübergreifenden Anwendung.
Hellerschmied: Die Lieferung von Beton ist zeitkritisch. Von der Bestellung bis zur Lieferung wird zigmal telefoniert, um diese zum richtigen Zeitpunkt zu erhalten. Mit Sequello wird das alles digital abgebildet, man kann live reagieren und nachjustieren. Das ist gerade bei On-demand-Material ein enormer Mehrwert.
Report: Wie aufwendig ist der Umstieg auf Sequello? Wie lange dauert es, bis die Baustelle damit arbeiten kann?
Kurz: Das hängt von der Tiefe ab, ob mit oder ohne ERP-Integration. Die Anbindung zwischen Baustelle und Disposition geht auch ohne ERP. Das ist das Basispaket. Bei einem Spezialtiefbauprojekt mit wenigen Betonsorten geht das in ein bis zwei Stunden. Auch die Einschulung der Poliere geht sehr schnell. Wir haben sehr viel Wert auf Einfachheit und Usability gelegt.
Hellerschmied: Nach einem Tag mit Begleitung ist der Polier auf Sequello eingeschult. Für den Polier bleibt die Bestellung unkompliziert, wird aber für den Disponenten einfacher. Was wir zusätzlich massiv verbessert haben, sind die Durchsicht und die Kommentierung des Lieferscheins. Der kommt in derselben Oberfläche an und kann im Tagesgeschäft abgearbeitet werden.
Report: Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand? Kommt Sequello auch schon in der Praxis zum Einsatz?
Kurz: Auf Basis der Erfahrungen von Porr und Rückmeldungen aus der Bauwirtschaft haben wir die Plattform entwickelt und starten demnächst mit einer Beta-Version auf der ersten Baustelle.
Hellerschmied: Das erste Halbjahr 2022 wollen wir gemeinsam mit der Porr und ihren Lieferanten vorrangig zur weiteren Ausreifung der Plattform nutzen, um Kinderkrankheiten zu beseitigen. Mit 1. Juli ist die flächendeckende Ausrollung für alle geplant, die es nutzen wollen.
Report: Das erklärte Ziel der Porr und Umdasch Group Ventures ist, dass sich auch der Mitbewerb aktiv an der Plattform beteiligen soll. Wie soll diese Beteiligung aussehen und wie laufen die Gespräche?
Kurz: In der Baubranche stehen Kooperationen auf der Tagesordnung. Deshalb haben wir ein System entwickelt, das diese Zusammenarbeit ermöglicht und fördert. Aber nicht nur die Baufirmen arbeiten zusammen, auch Lieferanten sind übergreifend tätig. Deshalb braucht die Branche Systeme, die es ermöglichen, dass alle miteinander in alle Richtungen kommunizieren können. Wir liefern für alle Richtungen ein Standardschnittstellenpaket, das bei Bedarf individuell angepasst werden kann. Der Grundgedanke ist, dass wir technisch offen sind und auch offen für die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung mit anderen Unternehmen.
Report: Wenn sich andere aus der Branche beteiligen, geht es auch um sensible Daten. Wie steht es um den Datenschutz?
Kurz: Sicherheit wird bei uns groß geschrieben. Deshalb haben wir auch SAP als Partner mit an Bord genommen. SAP baut und betreibt für uns die Plattform. Sequello selbst hat keine Möglichkeit zur Einsichtnahme von Daten auf der Plattform.
Hellerschmied: Mitarbeiter von Sequello können nicht einmal zu Wartungszwecken Einsicht nehmen. Das war uns sehr wichtig, um Sicherheitsbedenken zu zerstreuen.
Report: Wie groß ist das Interesse der Branche?
Hellerschmied: Schon in der Arbeitsgruppe der Bautechnik Vereinigung ist man schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass wir einen Standard und ein System brauchen. Die Antwort auf die Frage, wie man dieses Ziel erreicht, dauert deutlich länger. Wir wollten die Zeit abkürzen, sind ins Risiko gegangen und haben eine Lösung für alle entwickelt. Wir sind schon gespannt, wie positiv sie von der Branche angenommen wird. Das Feedback ist bisher sowohl auf Seiten der Baufirmen als auch der Lieferanten sehr gut.
Report: Gibt es auf internationaler Ebene schon ähnliche Lösungen wie Sequello?
Hellerschmied: In der produzierenden Industrie schon, aber nicht in der Baubranche. Natürlich gibt es digitale Lieferscheine, aber Sequello ist deutlich mehr. Wir bieten Information und Kommunikation zwischen Vertragspartnern in Echtzeit.
Report: Laut Eigendefinition ist Sequello ein ergänzendes Werkzeug zu Lean und BIM. Inwiefern? Und wie BIM-fit ist Sequello jetzt schon?
Kurz: Sequello ist BIM-fit. Das, was heute am Markt möglich ist, decken wir ab. Aber es hängt vom Detaillevel des BIM-Modells ab, ob wir direkt aus dem Modell ableiten können, wann, was, in welcher Form benötigt wird. Das ist noch etwas Zukunftsmusik. Unser erstes Ziel ist es, Verschwendung zu vermeiden und mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten zu gewinnen. Schon jetzt können wir versprechen, dass man mit Sequello auf jeder Baustelle durchschnittlich pro Beleg acht Minuten sparen kann.
Report: Wo soll es in den nächsten Jahren hingehen? Was soll alles Teil von Sequello werden?
Hellerschmied: Auf jeden Fall werden andere Materialtypen hinzukommen. Wir haben mit Beton begonnen, im nächsten Schritt werden Kies, Sand, Schotter, Zement und Asphalt folgen. Auch die Komplexität wird steigen, etwa in der Bewehrung, wo wir auch Biegeforme verarbeiten müssen.
Wir wollen auch in Richtung Qualitätssicherung und Dokumentation gehen.
Kurz: Ziel ist es, den wertschöpfenden Prozess sukzessive zu optimieren. Grundlage ist der wirtschaftliche und ablauftechnische Prozess.
Hellerschmied: Auch regional haben wir einiges vor. Wir haben mit Österreich gestartet, jetzt folgt die DACH-Region und das Ziel ist Europa.
Report: Was sind die konkreten Ziele für das erste Geschäftsjahr?
Hellerschmied: Wenn es uns gelingt, die Hälfte der Volumina zwischen Bauunternehmen und Betonlieferanten am österreichischen Markt zu erreichen, dann wäre ich sehr zufrieden.
Kurz: Das klingt nach viel, aber mit all dem positiven Zuspruch, den wir aktuell erhalten, können wir uns das auf jeden Fall zutrauen.