Donnerstag, April 18, 2024
Rechts-Serie: Sicherstellung - was Sie wissen sollten

Nach dem Werkvertragsrecht wird der Werklohn erst nach Fertigstellung des Werks fällig. Der Auftragnehmer (AN) ist daher zur Vorleistung verpflichtet.

Auch wenn in der Praxis regelmäßig Teilzahlungen vereinbart sind, bleibt der AN tendenziell einem erhöhten Insolvenzrisiko des Auftraggebers (AG) ausgesetzt; dies insbesondere, wenn der AG Teilzahlungen nicht oder nicht in voller Höhe leistet, etwa weil er Ansprüche des AN dem Grunde oder der Höhe nach bestreitet. Das Gesetz sieht daher beim Bauvertrag eine Absicherung des AN vor und gewährt ihm das Recht, eine Sicherstellung für den noch ausstehenden Werklohn zu verlangen.

Grundlagen

Der AN hat gemäß § 1170b ABGB das Recht, vom AG eine Sicherstellung für den noch ausstehenden Werklohn zu verlangen. Dieses Recht entsteht mit Vertragsabschluss und kann bis zur vollständigen Bezahlung des Werklohns verlangt werden. Es kann vertraglich nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

Der Sicherstellungsanspruch des AN ist der Höhe nach zweifach begrenzt: Der AN kann einerseits nicht mehr Sicherstellung als das ganz oder teilweise noch ausständige Entgelt und andererseits nicht mehr als 20% - bei innerhalb von 3 Monaten zu erfüllenden Verträgen 40% - des vereinbarten Werklohns verlangen.

Voraussetzungen

Der AN hat den AG aufzufordern, binnen einer angemessenen, von ihm festzusetzenden Frist eine Sicherstellung zu leisten. Ob und wann der AN von seinem Recht auf Sicherstellung Gebrauch macht, liegt ganz allein in seiner Entscheidungsgewalt.
Es handelt sich beim Sicherstellungsbegehren um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Grundsätzlich gibt es keine Formvorschriften; es empfiehlt sich jedoch zu Beweiszwecken eine schriftliche Aufforderung.

Überdies können die Parteien vertragliche Regelungen zur Form der Geltendmachung oder zur Art des Sicherstellungsmittels treffen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass das Sicherstellungsrecht nicht eingeschränkt wird. Aus der konkreten Aufforderung sollte (zweifelsfrei) hervorgehen, dass vom Sicherstellungsrecht gemäß § 1170b ABGB Gebrauch gemacht wird und in welcher Höhe Sicherstellung verlangt wird.

Die Forderung einer zu hohen Sicherstellung oder Vorgabe eines bestimmten Sicherstellungsmittels machen das Sicherstellungsbegehren nicht unbedingt unwirksam; vielmehr ist das Begehren auf seinen zulässigen Inhalt zu beschränken. Dies gilt aber nur für jene Fälle, in denen der AG die zulässige Höhe der Sicherstellung ohne weiteres ermitteln kann; also insbesondere, wenn die 20%ige (bzw 40%-ige) Begrenzung greift.

Kommt der AG dem Sicherstellungsbegehren nicht innerhalb der angemessenen Frist nach, ist der AN zur Einstellung seiner Leistungen berechtigt und kann vom Vertrag kann vom Vertrag nach fruchtlosem Verstreichen einer angemessenen Nachfrist zurücktreten. Auf die Rechtsfolgen wird in der Fortsetzung der Serie noch eingegangen.

Sicherstellungsmittel 

Die Entscheidung, welches Sicherstellungsmittel zu leisten ist, obliegt dem AG, sofern dieses nicht bereits im Vertrag festgelegt ist. Als Sicherstellungsmittel kommen Vermögenswerte in Betracht, die eine rasche und günstige Verwertung ermöglichen. Dazu zählen Bargeld, Sparbücher sowie Garantien einer Bank oder einer Versicherung. Die Forderung, eine Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB durch eine von AN beizustellende Garantie abzusichern, kommt einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Sicherstellung gleich.

Für Garantien als Sicherstellungsmittel gilt nach der höchstgerichtlichen Judikatur, dass Klauseln, die die Zahlungspflicht der Bank oder Versicherung als Garant von der Erfüllung einer der Absicherung gegenüber dem AG dienenden Bedingung (sogenannte Effektivklauseln) abhängig machen, zwar nicht grundsätzlich unzulässig sind.
Garantien mit Effektivklauseln sind aber dann als Sicherstellungsmittel gemäß § 1170b ABGB ungeeignet, wenn ihr Abruf ungebührlich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Garantie nur unter Mitwirkung des AG oder seiner Zustimmung abgerufen werden kann.

Fazit
Das Gesetz gewährt dem AN zur Absicherung seiner Werklohnansprüche aus dem Bauvertrag das Recht, eine der Höhe nach zweifach beschränkte Sicherstellung zu verlangen. Dieses Recht ist zwingend, vertraglich nicht beschränkbar und steht dem AN bis zur vollständigen Zahlung des Werklohns zu. Der Zeitpunkt der Ausübung obliegt dem AN.

Der AG hat einem berechtigten Sicherstellungsbegehren des AN nachzukommen, andernfalls der AN zur Einstellung der Leistungen und sogar zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist. Die Wahl des Sicherstellungsmittels obliegt dem AG; das gewählte Sicherstellungsmittel darf jedoch dem Zweck der Sicherstellung, dem AN eine günstige und schnelle Verwertung zu ermöglichen, nicht zuwiderlaufen. 


Die Autoren

Katharina Müller ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte mit den Beratungsschwerpunkten Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Mathias Ilg ist Juniorpartner bei Müller Partner Rechtsanwälte spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.www.mplaw.at

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