Ressourcenknappheit, unterbrochene Lieferketten oder eine neue interne Kommunikation: Die seit über einem Jahr andauernde Corona-Pandemie hat die Bauwirtschaft grundlegend verändert und stellt die Projektsteuerung im Baumanagement immer wieder vor bisher unbekannte Herausforderungen. Die Corona-Krise liefert einen Vorgeschmack darauf, was in Zukunft noch auf die Bauwirtschaft zukommen wird.
Eine tiefgreifende Projektvorbereitung und Planung ist die Basis für die erfolgreiche Umsetzung eines Projektes. Sie definiert alle relevanten Abläufe und beleuchtet verschiedenste Gegebenheiten, welche die Umsetzung eines Bauprojektes hinsichtlich Zeit, Budget oder Qualität beeinflussen können. Im Laufe der Pandemie sind Szenarien entstanden, an die bisher kaum jemand gedacht hatte. Das stellt Projektsteuerer laufend vor große Herausforderungen und verlangt ihnen viel Flexibilität und Kreativität ab.
Unterbrochene Lieferketten
Aktuell sind etwa die Folgen unterbrochener Lieferketten auf den Baustellen angekommen, bestimmte Baustoffe sind derzeit nur schwer oder gar nicht zu bekommen. Die Folgen sind zunehmender Termindruck oder steigende Kosten. Im schlimmsten Fall beides. Vor der Pandemie kannten wir dieses Problem nicht in der Dimension. Aktuell ist es jedoch ein großes Thema und nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft bevorsteht: Nämlich eine zunehmende Ressourcenknappheit, die ein generelles Umdenken hin zu einem bewussteren Einsatz von Baustoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft zwingend erforderlich macht.
Nachhaltigkeit, Gebäude in Lebenszyklen zu denken und Baustoffe wiederzuverwenden, all das wird in der Bau- und Immobilienwirtschaft immer wichtiger. Was vor zwei bis drei Jahren oft noch ein frommer Wunsch war, wird mittel- und langfristig ein Must-have werden. Die aktuellen Herausforderungen der Corona-Pandemie beschleunigen diese Entwicklung.
Drees & Sommer setzt als Bindeglied zwischen Investoren, Bauherren, Architekten und Produktherstellern schon seit vielen Jahren »Cradle to Cradle«-Innovationen – also konkrete Ansätze einer kreislauffähigen Bauwirtschaft – in Planung, Bau und Betrieb um. Seit 2019 ist das Umweltberatungsinstitut EPEA Teil von Drees & Sommer. Gemeinsam mit der Online-Plattform Madaster bietet Drees & Sommer die Möglichkeit, Baustoffe bereits während der Planung mit Detailinformationen zu listen, um diese für die Wiederverwendung zum Zeitpunkt des Abrisses wieder nutzen zu können. Madaster ist somit ein wirkungsvolles Instrument für eine kreislauffähige Bauwirtschaft.
Hybride Kommunikation
Aktuell ist es auf Grund der Covid-Verordnungen noch nicht möglich, immer alle Projektbeteiligten gleichzeitig zu einer Baustelle zu bringen. Somit finden fast alle Baubesprechungen »hybrid« statt. Dabei treffen sich einige wenige Teammitglieder regelmäßig vor Ort auf der Baustelle. Das ist zwingend notwendig, um immer wieder einen persönlichen Bezug zum aktuellen Projektstand herzustellen. Die restlichen Mitglieder des Steuerungsteams nehmen online am Treffen teil. Diese Form der Kommunikation wird es mit Sicherheit auch in Zukunft geben, weil sie allen Teammitgliedern maximale Flexibilität bei zugleich voller Information und Interaktion ermöglicht. Führungspersonen sind derzeit umso mehr gefordert, ihr Projektteam vom Homeoffice näher zum Projekt zu bringen.
Digitalisierung der Behörden
Einiges getan hat sich bei der Digitalisierung der Behörden. Die Kommunikation mit den Behörden hat sich im Laufe des Jahres verbessert, da nun auch digitale Abstimmungen möglich sind. Viele Abstimmungen mit Behörden sind mittlerweile digital möglich. Ich gehe davon aus, dass es bald möglich sein wird, auch Einreichungen digital erledigen zu können.
Projektsteuerung heute
Bei Drees & Sommer werden die aktuellen Entwicklungen in der Baubranche bei der Planung und Vorbereitung neuer Projekte mittel- und langfristig eingeplant. Über Baustoffmangel mussten wir früher nicht nachdenken. Aktuell überlegen wir in der Planung aber, wie wir im Fall des Falles damit umgehen würden, um im Akutfall Zeit und Kosten zu sparen. Letztlich müssen wir verschiedene Szenarien mit ausreichendem Vorlauf vordenken. Zugleich brauchen wir aber auch ein gewisses Maß an Flexibilität, um auf Unvorhergesehenes angemessen und schnell reagieren zu können, ohne dabei die Wechselwirkung von Kosten, Terminen und Qualitäten aus den Augen zu verlieren. Ein professionelles Risikomanagement wird ein immer wichtigerer Teil der Projektarbeit.
Es ist daher unerlässlich, dass sich Projektsteuerer voll und ganz so mit ihrem Projekt identifizieren, als wäre es ihr eigenes. Projektsteuerer sind wie Bauherren auf Zeit, die sich konsequent und proaktiv um ihr Projekt kümmern. Besonders wichtig ist es, immer wieder einen Perspektivenwechsel zwischen technischer Beratung und Management vorzunehmen. Für einen erfolgreichen Projektverlauf braucht es die Betrachtung des großen Ganzen genauso wie den Blick ins Detail.
Lean-Gedanke in der Projektsteuerung
Von zentraler Bedeutung in der Projektsteuerung ist der »Lean«-Gedanke: Alle Prozesse und Aktivitäten im Projekt werden dabei optimiert und so aufeinander abgestimmt, dass jegliche Form von Verschwendung vermieden wird. Mit Lean Construction Management gelingt es, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen, bevor sie akut werden. Termine und Kosten können bestmöglich eingehalten werden. Das ist vor allem in herausfordernden Zeiten wie diesen von enormer Bedeutung.
Das Risikomanagement in der Projektsteuerung wird auch nach Corona eine wesentliche Rolle spielen, weil es auch weiterhin viele Unsicherheitsfaktoren geben wird, die Einfluss auf den Erfolg eines Projekts haben. Man denke nur an die aktuelle Entwicklung bei den Baustoffen oder die Diskussion über eine Zinswende. Projektsteuerer werden künftig mehr als bisher gefordert sein, sicherzustellen, dass Terminpläne und Kosten eingehalten werden können. Deshalb werden sich Baumethoden zur Effizienzsteigerung wie beispielsweise Lean Construction Management immer mehr durchsetzen.
Die Autorin
Nadja Pröwer ist seit 2008 als Projektmanagerin bei Drees & Sommer Österreich tätig und spezialisiert auf die Planung und Leitung des Managements komplexer Bauprojekte. Sie ist neben Philipp Gansch und Georg Stadlhofer Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortet im Unternehmen den Geschäftsbereich Projektmanagement. Nadja Pröwer studierte an der Technischen Universität Dresden und der ETSAV Barcelona Architektur und war vor ihrer Zeit bei Drees & Sommer sechs Jahre lang als Architektin in Wien und Budapest tätig.
Info: www.dreso.at