Die Baukonjunktur läuft derzeit auf hohem Niveau. Steigende Beschaffungskosten und Lieferengpässe setzen die Baubranche laut Österreichischem Baumeisterverband aber unter Druck.
Spätestens seit Jahresbeginn 2021 stiegen die Beschaffungskosten vieler wesentlicher Baustoffe dynamisch an. Im ersten Quartal allein haben sich die Preise für Betonstahl um mindestens 35 bis 40% erhöht. Vergleichbare Entwicklungen mit zweistelligen Zuwachsraten zeigen sich u.a. auch bei Holz- und Dämmstoffprodukten sowie Erdölderivaten (Bitumen etc.), so der österreichische Baumeisterverband.
Höhere Gewalt, wohin man schaut
Zusätzlich zu den Preissteigerungen kündigten zuletzt viele Baustoffproduzenten eingeschränkte Verfügbarkeiten und unsichere Lieferfristen bei wesentlichen Baumaterialien an. Die dafür ins Treffen geführten Gründe sind vielfältig: LKW-Staus durch coronabedingte Grenzkontrollen und überlastete Testcenter an den Grenzen, Engpässe bei Verpackungsmaterial und Paletten, Ausfälle beim Rohstoffeinkauf auf den internationalen Märkten oder fehlende Kapazitäten bei Seecontainern – um nur einige zu nennen.
Baustoffproduzenten überbieten sich aktuell gegenseitig mit „Force Majeure“-Meldungen. Einigkeit unter den Produzenten herrscht dahingehend, dass dies als Anlass für massive Preiserhöhungen gesehen wird und – Stichwort „höhere Gewalt“ – man sich vielfach nicht an Pönalvereinbarungen bei Nichteinhaltung der Lieferfristen gebunden fühlt.
Wer trägt das Risiko?
Die Risikotragung bei unerwarteten Kostensteigerungen regelt der Bauvertrag:
Bei kleineren Bauprojekten (z.B. Einfamilienhausbau) werden in der Regel Festpreisverträge abgeschlossen, bei denen keine nachträgliche Anpassung der angebotenen Preise vorgesehen ist. Hier drohen erhebliche Fehlvergütungen und die Baufirmen stecken in der Kostenfalle.
Bei längerfristigen Bauverträgen (z.B. bei großen Infrastrukturprojekten), für die veränderliche Preise vereinbart wurden, ist eine Vergütung auf Basis der jeweils aktuellen Preissituation festgelegt. Insbesondere für jene Leistungsbestandteile mit preissensiblen Kostenanteilen, die einer (meist weltmarktabhängigen) volatilen Preisentwicklung unterliegen, führt die Vereinbarung einer geeigneten Preisgleitung zu einer fairen Risikoteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dies ist auch für den Auftraggeber von Vorteil: Bei der Angebotskalkulation werden individuelle Risikozuschläge vermieden, wodurch die Angebote transparenter und vergleichbarer werden. Darüber hinaus profitiert der Bauherr bei sinkenden Beschaffungskosten von entsprechend reduzierten Abrechnungspreisen.
Festpreise noch marktkonform?
Entwickeln sich die Rohstoffpreise weiterhin so volatil, stellt sich für den österreichischen Baumeisterverband unweigerlich die Frage, ob auch in Zukunft Festpreisverträge vereinbart werden können. Es ist keineswegs auszuschließen, dass der Markt auch bei kleineren Bauprojekten nur noch veränderliche Preise zulässt.
Ungeachtet der jeweiligen Vertragskonstruktion erscheint aber für die unmittelbare Zukunft jetzt schon sicher, dass - selbst wenn sich die Kostensituation am Materialsektor wieder stabilisieren sollte - sich die Baupreise bis auf weiteres tendenziell nach oben bewegen werden. Dafür sorgen schon alleine Löhne und Gehälter, welche jährlich aufgrund der kollektivvertraglichen Erhöhungen kontinuierlich steigen.