Austrian Standards, das AIT und Digital Findet Stadt starten einen neuen Anlauf für ein gemeinsames BIM-Vokabular. Das Ergebnis soll eine Norm sein, frei zugänglich abgelegt am bestehenden Merkmalserver der Uni Innsbruck. Der Bau & Immobilien Report zeigt, worin sich dieses Projekt von anderen Initiativen unterscheidet, warum dieses Mal alles besser werden soll und wie die nächsten Schritte aussehen.
Kaum ein Thema in der Baubranche ist in den letzten Jahren so intensiv und emotional diskutiert worden wie der BIM-Merkmalserver. Als Dosenöffner für Open BIM ersehnt und gefeiert, blieb das Projekt immer wieder in seinen Ansätzen stecken.
Die Vorgeschichte
Bereits 2015 ging der ASI Merkmalserver an der Universität Innsbruck online. Zwar wurde dieser über die Jahre auch kontinuierlich weiterentwickelt, von der angestrebten Gesamtlösung blieb er aber immer ein gutes Stück entfernt. Mit der Unzufriedenheit wuchsen auch die Ambitionen für Parallelentwicklungen. Zahlreiche Unternehmen entwickelten aus der Not heraus eigene Standards und die Österreichische Bautechnikvereinigung ÖBV startete mit dem BIM-Merkmalservice ein ähnliches Projekt. Allerdings war hier das Ziel nicht, eine einheitliche Benennung von Bauteileigenschaften festzulegen, sondern Interoperabilität trotz unterschiedlicher firmeninterner Benennungen zu gewährleisten, um somit die firmeninternen Prozesse nicht zu beeinträchtigen. 2019 schließlich folgte unter der Leitung von TU-Professor und ATP-CEO Christoph M. Achammer der bislang letzte Anlauf zu einer großen, ganzheitlichen Lösung. Aufbauend auf den Vorleistungen des Merkmalservers der Universität Innsbruck sollte ein kostenloser und frei zugänglicher Generischer Property Server für BIM vulgo Merkmalserver geschaffen werden. Aber auch diese Initiative scheiterte an unterschiedlichen Partikularinteressen.
Schulterschluss für Neustart
Jetzt kommt erneut Bewegung in das Thema. Das AIT Austrian Institute of Technology, Austrian Standard und Digital Findet Stadt setzen die Weiterentwicklung der bestehenden BIM-Definitionen, ebenfalls aufbauend auf dem Innsbrucker Merkmalserver, fort. Gemeinsam mit Playern, die schon in der Standardisierung tätig sind, wie den ÖBB, der Stadt Wien, dem Land OÖ, TU Graz, Asfinag, Strabag und Porr, den österreichischen ZiviltechnikerInnen, Fachverband der Holzindustrie, Bundesinnung Bau, der Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG) und mittelständigen Unternehmen wie Smart Construction Austria sollen die bestehenden Inhalte ergänzt werden. »Dieser Schulterschluss ist enorm wichtig«, sagt Stefan Wagmeister von Austrian Standards. An die Stelle von Einzelinitiativen soll ein gemeinsames Projekt treten. Das Ergebnis soll eine Norm sein, die im Merkmalserver der Uni Innsbruck ihre frei zugängliche Ablageform findet. Es geht darum, eine gemeinsame Sprache für BIM zu finden, ein einheitliches BIM-Vokabular. Dafür sollen nicht weniger als 30.000 Properties/Merkmale produkt-, hersteller- und interessensneutral definiert werden, die kostenlos für alle zugänglich sein sollen. »Damit herrscht für alle Chancengleichheit und wir schaffen den Übergang von Closed BIM zu Open BIM«, erklärt Gerhard Zucker, Experte für Digitale Gebäudetechnologien am AIT Center for Energy. Das AIT wird den Merkmalserver mit Inhalten füllen und gemeinsam mit Digital Findet Stadt die Erstellung und Harmonisierung der Merkmale übernehmen. Dabei gilt das Motto »IFC first«. »Wenn es bereits internationale Definitionen gibt, werden diese verwendet und entsprechend den nationalen Notwendigkeiten adaptiert«, erklärt Steffen Robbi, Geschäftsführer von Digital Findet Stadt.
Partnerschaftliche Finanzierung
Interessierte Partner sind eingeladen, sich an der Finanzierung des Projekts zu beteiligen. Im Gegenzug für Beteiligungen in Schritten von 10.000 EUR erhalten die Unternehmen ein Vorschlagsrecht für die inhaltlichen Entwicklungsschritte und können eigene Anforderungen aus der Praxis einbringen. »Über einen gremial aufgesetzten Qualitätssicherungsprozess wird aber sichergestellt, dass kein Einfluss auf die Norm genommen wird. Niemand kann sich eine Norm kaufen«, erklärt Robbi.
Noch heuer erste Ergebnisse
Dass das Ziel ein hehres ist, es aber auch Skeptiker gibt, ist den Projektpartnern bewusst. »Uns ist klar, dass es Modelle geben kann, die vielleicht eine bessere Optik oder benutzerfreundlichere Features aufweisen. Unsere Lösung ist auf technischer Ebene anwendbar, der Server ist weiterentwickelt und bereit für Neues. Wir versprechen nicht die sofortige große Lösung, sondern gehen die Problematik scheibchenweise an«, sagt Wagmeister.
Erste konkrete Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet. »Spätestens Ende des Jahres werden wir einen Anwendungsfall haben, vermutlich aus dem Bereich der Kalkulation«, kündigt Robbi an. Die erste Finanzierung stammt von Smart Construction Austria und der Bundesinnung Bau, auch die Architektenkammer zeigt großes Interesse. Diese Gespräche laufen aktuell noch. Alles in allem ist das Projekt aber auf Schiene und die Protagonisten vom Erfolg überzeugt. »Die Norm und der Merkmalserver sind ein wichtiger Schritt, damit die ganze Branche an BIM teilhaben und Digitalisierung leben kann«, ist Steffen Robbi überzeugt.