Sonntag, Dezember 22, 2024
Digitalisierte Beschaffungsprozesse am Bau

Was noch vor wenigen Jahren undenkbar war, wird in der Bauindustrie langsam Standard. Für die Digitalisierung und Optimierung von Beschaffungsprozessen werden jahrzehntelang eingespielte Abläufe neu organisiert. Etwa die Digitalisierung von Beschaffungsprozessen. Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt ein Projekt der CNT Management Consulting AG mit der Porr, bei dem SAP MM und SAP Arriba gleichzeitig eingeführt werden. 

Die Voraussetzungen für die Digitalisierung von Beschaffungsprozessen in der Bauindustrie, und insbesondere bei einem so international tätigen Baukonzern wie PORR alles andere als einfach, die Bedürfnisse an die Lieferkette ziemlich heterogen: Mehrere Sprachen, unterschiedliche Märkte, spezifische Baudisziplinen wie Hochbau, Tiefbau, Infrastruktur, Umwelttechnik & Co. - aber auch die Lage der Baustellen oder das Zusammenspiel der Gewerke stellen gewaltige Anforderungen an die Organisation dar.

Die Digitalisierung soll hier neue Rahmenbedingungen schaffen, sie ist sogar unverzichtbar, weil die Komplexität zunimmt, sagt der seit zwei Jahren projektverantwortliche Gruppenleiter im Konzerneinkauf der PORR AG, Michael Kern. Der Porr-Konzern hat dazu eine eigene (digitale) Beschaffungsorganisation aufgebaut, um die Abläufe nicht nur besser zu ordnen, sondern gleich weitgehend zu standardisieren, und die Produkte der Lieferanten zu katalogisieren. Bisher lief das mitunter sehr individuell, lokal, nicht selten auch ziemlich spontan und unübersichtlich, führt Kern aus.

Grundlage für strategische Entscheidungen

Der PORR-Konzern steht mit seinem - für Österreich - bahnbrechenden Digitalisierungsprojekt mitten im Rollout. Doch was die Datenspezialisten binnen kurzer Zeit aufgebaut haben, muss in der Organisation mit ihrem analogen Selbstverständnis erst vollständig ankommen, sagt Kern. Hier gilt es Hürden und Vorbehalte zu überwinden, was gerade in einer so eigenen Branche wie der Bauwirtschaft ziemlich herausfordernd ist und Zeit braucht. Nicht zuletzt beim Rollout des Projekts in andere Länder kommen laufend weitere Herausforderungen hinzu - rechtlich, steuerlich und sprachlich.

Zeit reif für Digitalisierung

Für CNT-Beraterin Susanne Wagner war der Zeitpunkt der Implementierung reif. Es braucht die geeigneten Projektleiter und IT-Verantwortlichen, die nicht nur die Notwendigkeit erkennen, sondern auch die möglichen Gegebenheiten nutzen. Bei Porr werden SAP MM und SAP ARIBA gleichzeitig eingeführt. Während das Materialmanagement-Tool für die Planung, Steuerung und Optimierung der Materialflüsse und Materialbestände eingesetzt wird, soll die B2B-Beschaffungsplattform Ariba für standardisierte Einkäufe und Ausschreibungen von der Bedarfserhebung bis zur Abrechnung fungieren.

Damit die digitalen Segnungen auch genutzt werden, muss laufend Überzeugungsarbeit geleistet werden, bei den operativ tätigen Niederlassungen ebenso wie an der Basis. Die "Kunden des Einkaufs" müssen bestmöglich unterstützt, und das Zusammenspiel von Lieferanten und Dienstleistern laufend optimiert werden, damit die neuen Tools auch genutzt werden, erläutert Kern. "Sie sind ja kein Selbstzweck, wir müssen den entsprechenden Nutzen vor Augen führen und realisieren." Wagner ergänzt: "Man lernt erst mit dem Tun. Dazu braucht man (Cloud-basierte) Lösungen, die auch funktionieren."

Mächtige Systeme hinter Anwendungen

Die sind vorhanden, und für digital versierte Anwender künftig wahrscheinlich gar nicht mehr wegzudenken: die Beschaffungsabwicklung auf der Baustelle mit Handy und Tablet. Dahinter verbergen sich komplett angebundene ERP-Systeme, unglaublich viele Schnittstellen und immense Datenberge, die in Sekundenschnelle abgerufen oder ausgewertet werden können, verrät Wagner. "Wir haben nicht nur den Bestellprozess im Auge, sondern die Optimierung des gesamten Procure to Pay-Ablaufs. Und das Beste: Ariba ist eine modulare Lösung, flexibel genug, um klein anzufangen und zu wachsen."

Warum die allerorten vorhandene Skepsis trotzdem groß ist, erklärt Kern. Fehlt Baumaterial oder wird es nicht rechtzeitig geliefert, etwa aufgrund mangelnder oder falscher Datenübertragung, kommt es zum Stillstand auf der Baustelle - und das kostet Geld. Umgekehrt interessant seien die großen Einsparungspotenziale bei hohen Transaktionszahlen mit geringen Bestellwerten, wie auf Baustellen oft der Fall. "Da kommen täglich über 1500 Belege rein, die müssen geprüft, freigegeben und abgerechnet werden. Da sind die Kosten bei herkömmlichen analogen Prozessen oft höher als die Bestellwerte der Baumaterialien."

Im Ergebnis sind sich die beiden Datenspezialisten einig: Abgesehen von den hohen Effizienz- und Einsparpotenzialen bietet die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse vielfältige Vorteile auf strategischer Ebene und im klassischen Lieferantenmanagement. "Je mehr Informationen wir kompakt digital haben, desto besser für die strategische Ausrichtung und desto rascher können Entscheidungen getroffen werden", sagt Kern. Und Wagner ergänzt: "Konsumenten entscheiden heute immer bewusster, wenn es um die Art und Herkunft von Produkten geht. Transparente und nachhaltige Lieferketten erhöhen die Glaubwürdigkeit."

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