Die Wohnbauförderung hat schon bessere Tage erlebt. Laut einer aktuellen Studie ist der Förderdurchsatz deutlich gesunken und es wird so wenig Geld ausgeschüttet wie zuletzt in den 80er-Jahren. Gegenüber dem Bau & Immobilien Report erklärt Studienautor Wolfgang Amann die Gründe für diese Entwicklung und warum die Wohnbauförderung dennoch kein Auslaufmodell ist. Im Gegenteil: Die wohnungspolitischen Herausforderungen der Zukunft werden ohne Wohnbauförderung nicht zu lösen sein.
Die Studie »Wohnbauförderung in Österreich« des Instituts für Immobilien Bauen und Wohnen IIBW im Auftrag des Fachverbands Stein und keramische Industrie zeigt, dass die Wohnbauförderung schon bessere Zeiten erlebt hat. Während sich die Baubewilligungen seit mehreren Jahren auf konstant hohem Niveau halten, sind die Förderausgaben stark rückläufig. 2019 wurde mit 79.000 bewilligten Wohneinheiten der historische Höchstwert von 2017 mit 82.000 Wohneinheiten knapp verfehlt.
Dabei entwickelten sich alle Segmente des Neubaus gut. Die 18.400 baubewilligten Einfamilienhäuser sind einer der höchsten Werte seit den frühen 1980er-Jahren. Der Anteil der Eigentumswohnungen am gesamten großvolumigen Neubau ist seit den 2000er-Jahren von ca. 30 % auf über 50 % gestiegen. Auch die bewilligten ca. 21.000 Mietwohnungen liegen deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Im Vergleich dazu gab es 2019 österreichweit 23.400 Förderungszusicherungen, das ist gegenüber 2018 ein Minus von fast acht Prozent. Die zugesicherten 19.700 Förderungen für Geschoßwohnungen entsprechen dem langjährigen Durchschnitt.
Im Gegensatz dazu sind die 3700 geförderten Eigenheime 40 % weniger als der zehnjährige Durchschnitt und gerade noch ein Viertel des Volumens der 1990er-Jahre. Besonders auffallend ist, dass der Förderungsdurchsatz – also das Verhältnis von Förderungszusicherungen zu Baubewilligungen – bei Geschoßwohnungen seit der Jahrtausendwende von fast 90 % auf unter 50 % gesunken ist. Bei Eigenheimen liegt er gar nur noch bei 20 %.
Das macht sich auch bei den Ausgaben der Wohnbauförderung bemerkbar. Mit 1,99 Milliarden Euro lagen die Förderungsausgaben 2019 auf dem Niveau der 1980er-Jahre und 19 % unter dem zehnjährigen Durchschnitt. »Mit dieser Entwicklung verliert eines der wichtigsten wohnungspolitischen Lenkungsinstrumente zunehmend an Bedeutung. In den 1990er-Jahren wurden noch etwa 1,3 % des BIP für wohnungspolitische Maßnahmen ausgegeben, 2019 waren es nur noch 0,4 %. Damit liegt Österreich bei den wohnungspolitischen Ausgaben im europäischen Vergleich im unteren Drittel«, so Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik.
Sinkender Förderdurchsatz
Der deutliche Rückgang des Förderdurchsatzes im Geschoßwohnbau von fast 90 auf unter 50 % ist laut Studienautor Wolfgang Amann auf mehrere Entwicklungen zurückzuführen. Zum einen ist das der geänderte Stellenwert von Wohnungseigentum. »Seit die Preise vor etwa zehn Jahren kräftig anzuziehen begannen, sind Wohnungen ein interessantes Investmentprodukt geworden. Das trifft auch auf Vorsorgewohnungen zu.« Deutlich jünger ist die Entwicklung, dass institutionelle Investoren auf den Markt drängen, die sich ausschließlich für freifinanzierte Miete interessieren. »Seitens der Wohnbauförderung der Länder gab man sich angesichts des anziehenden freifinanzierten Neubaus mit konstanten Zusicherungszahlen zufrieden«, erklärt Amann.
Bei den Eigenheimen lief es anders. Seit langem werden die ökologisch bedenklichen Wirkungen des Eigenheims kritisiert und von verschiedenen Seiten gefordert, dies nicht auch noch mit Förderungen zu unterstützen. »Angesichts notorischer Budgetengpässe ergriffen die Länder die Gelegenheit und machten die Förderung durch verschärfte Anforderungen immer weniger attraktiv«, ist Amann überzeugt. Dies war freilich nur möglich, weil die Förderung für die Ausfinanzierung eines typischen Eigenheims auch nicht mehr nötig war. Die Banken füllen die Lücke problemlos.
Geringe Förderausgaben
2019 lagen die Förderausgaben bei 1,99 Milliarden und damit 19 % unter dem Zehnjahresschnitt und auf dem Niveau der 80er-Jahre. »Besonders drastisch ist es, wenn die Förderungsausgaben zur Wirtschaftsleistung in Bezug gesetzt werden«, erklärt Amann. Ende der 1990er-Jahren machte die Förderung des Wohnbaus 1,3 % des Bruttoinlandsprodukts aus, heute nur noch 0,4 %. Dies kann laut Amann negativ, aber auch positiv interpretiert werden. »Zweifellos hat die Wohnbauförderung an politischem Gewicht verloren. Andererseits haben die Länder weitgehenden Einfluss auf den leistbaren und sozialen Wohnbau bewahrt.« Hier hat das Zusammenspiel mit der Wohnungsgemeinnützigkeit einen besonderen Stellenwert.
Heute können leistbare Wohnungen mit einem Bruchteil des Förderungsaufwands früherer Jahre umgesetzt werden. »Dies liegt an den günstigen Kapitalmarktzinsen, aber auch daran, mit teilweise ziemlich gewitzten Maßnahmen die Bauträger bei der Stange zu halten«, sagt Amann. Gemeinnützige und nicht wenige gewerbliche Bauträger bauen weiter in großer Zahl geförderte Wohnungen, nicht weil sie ohne diese Finanzierungsquelle nicht auskommen würden, sondern z.B. in Wien, weil dies die Möglichkeit eröffnet, an günstiges Bauland zu kommen oder in Niederösterreich, weil nur so die Bewohner – und damit auch der Bauträger – durch zusätzliche Subjektförderungen abgesichert sind.
Wichtiger denn je
Auf die Frage, ob die Wohnbauförderrung bei all den genannten Entwicklungen vielleicht ein Auslaufmodell und nicht mehr das richtige Lenkungsinstrument ist, hat Amann eine klare Antwort: »Ganz im Gegenteil.« In der langen Zeit ihres Bestands habe sich die »Produktivität« der Wohnbauförderung massiv erhöht, nicht zuletzt durch einen konstruktiven Wettbewerb zwischen den Ländern um immer noch effizientere Instrumente. Dazu würden laut Amann auch andere Funktionen der Wohnbauförderung in den Vordergrund treten. »Früher ging es vor allem um das Schließen von Finanzierungslücken.
Das ist zwar weiterhin wichtig – Basel IV wirft seine Schatten voraus. Noch wichtiger ist aber die Funktion der Qualitätssicherung in sozialer und ökologischer Hinsicht«, ist Amann überzeugt. Ohne die Wohnbauförderung hätte der gemeinnützige Wohnbau nicht die Hälfte seiner Effektivität. Große Chancen bestehen darin, europäische Gelder in den österreichischen Wohnbau zu holen.
Die EU-Strukturfonds und die Europäische Investitionsbank brauchen aber effektive Instrumente, um ihre sozialen und ökologischen Vorgaben erfüllen zu können. »Die Wohnbauförderung ist dafür ein natürlicher Partner, indem nur entsprechend qualitative Projekte für die Kofinanzierung aus Förderung und EU-Geldern zugelassen werden«, so Amann. Die Länder haben damit die Chance, gleiche Wirkung mit noch deutlich geringerem Aufwand zu erzielen. Das werde ihnen bei der Bewältigung der Covid-Krise sicher entgegen kommen. Auch bei den Gemeinnützigen Bauvereinigungen hält man nichts davon, die Wohnbauförderung als Auslaufmodell abzustempeln.
»Wir sehen auch weiterhin einen Liquiditätsvorteil in der Wohnbauförderung: Als zusätzliche Finanzierungsquelle ist diese daher auch weiterhin sehr wichtig«, sagt Bernd Rießland, Obmann des Verband Gemeinnüttiger Bauvereinigungen. Darüber hinaus habe die Wohnbauförderung auch Steuerungseffekte und sei speziell in der Sanierung ein wichtiger Anreiz. Dass das in den letzten Jahren weniger zur Geltung gekommen ist, hat zumindest bei den Gemeinnützigen einen einfachen Grund.
»Bei den Gemeinnützigen wurden in den letzten Jahren die Gebäude der 1980er saniert, wo weniger gebaut wurde, daher gibt es auch weniger Sanierungen. Jetzt ist der Bestand der 1990er an der Reihe, in dem es deutlich mehr Wohnungen gibt, wodurch das Sanierungsvolumen und damit auch die abgeholten Fördergelder wieder steigen werden«, so Rießland.
Was sich dennoch ändern muss
Amann ist optimistisch, dass der Stellenwert der Wohnbauförderung in Zukunft wieder deutlich steigen wird. »Ganz neue Aufgaben kommen auf die Wohnbauförderung zu, wenn es gelingen soll, den Wohnungsbestand kohlenstofffrei zu machen.« Für die Instandsetzung aller Wohnungen auf einen zeitgemäßen thermischen Standard bedarf es aus heutiger Sicht weit über 100.000 umfassender Sanierungen pro Jahr oder entsprechend mehr Einzelbauteilsanierungen. Es werden noch fast 600.000 Eigenheime und Wohnungen mit Öl und 800.000 mit Gas geheizt, zudem fast 400.000 Zweit- und Ferienwohnungen. »Öl und Gas aus dem Wohnungsbestand raus zu bringen, erfordert eine enorme Kraftanstrengung. Ohne die Wohnbauförderung wird das nicht gehen«, so Amann.