Sonntag, Dezember 22, 2024
»Je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto länger dauert die Arbeit«

Stefan Ufertinger, AFRY Austria Gmbh, kümmert sich bei großen Infra­strukturprojekten um die örtliche Bauaufsicht. Er weiß, wo bei Großprojekten Stolpersteine lauern und an welchen Schräubchen man drehen muss, um eine Baustelle zu optimieren. Dazu hat er ein Buch geschrieben und gestaltet seit November 2019 auch einen eigenen Podcast. Welche Rolle die Baubesprechung für eine erfolgreiche Baustellenabwicklung spielt und wie man sie effizient gestalten kann, verrät er im Report-Interview.

Report: Sie veröffentlichen den ersten Podcast zum Thema Baustellenabwicklung. Was war die Idee dahinter?

Stefan Ufertinger: Ich möchte zu einer erfolgreicheren und stressfreieren Baustellenabwicklung beitragen. Bereits mit meinem Buch »Handbuch Örtliche Bauaufsicht« habe ich dieses Ziel verfolgt. Das Format Podcast hat den Vorteil, dass man sich quasi nebenbei weiterbilden kann. Ideal für den Weg in die Arbeit, beim Sporteln oder Kochen. Zudem kann ich ein bisschen persönliche Note reinbringen. Mir macht es Spaß und ich hoffe, dass ich einigen Zuhörern die Projektabwicklung erleichtern kann.

Report: In einer Folge beschäftigen Sie sich mit dem Thema »Kommunikation bei Bauprojekten«. Darüber wurde in letzter Zeit viel gesprochen, das Thema vielleicht sogar schon überstrapaziert. Was ist Ihr Ansatz?

Ufertinger: Mir ist es speziell um die Baubesprechung gegangen, da wir diese als ÖBA verantworten. Ich wollte zunächst jedoch ein paar kommunikative Grundlagen vermitteln. Ich habe es schon oft erlebt, dass Besprechungen sehr emotional geführt wurden. Dabei kommt nichts heraus. Ich will dazu beitragen, dass mehr Kollegen ihre Emotionen wahrnehmen und steuern können. Zudem ist die Baubesprechung die wichtigste Dokumentationsmöglichkeit einer Baustelle. Dort kann ich alles gesammelt in einem Dokument zusammenfassen.

Report: Seine Emotionen in den Griff bekommen klingt gut und schön. Wie gelingt das im stressigen Arbeitsalltag, wo Entscheidungen sehr rasch getroffen werden müssen?

Ufertinger: Das ist nicht so einfach. Sobald ich in eine Situation komme, die Emotionen auslöst, gerate ich in eine Stressreaktion. Diese löst einen Hormoncocktail aus, der rationales Denken erschwert. Der Kreislauf, der dann entsteht, kann zu verheerenden Ergebnissen führen. Man muss es schaffen, diesen Kreislauf frühzeitig zu unterbrechen. Wichtig ist, Abstand von den eigenen Emotionen zu gewinnen. Man muss realisieren, dass die Emotion nicht man selbst ist, sondern eine Körperreaktion, ein Muster, das abläuft. Die Auslöser für diese Muster können vielfältig sein. Das Ergebnis ist immer das gleiche: Streit, Wut und Zwietracht.

Report: Das klingt ja durchaus logisch und vernünftig. Aber haben Sie auch einen konkreten Tipp, wie man das schafft?

Ufertinger: Einen Tipp direkt nicht. Aber mir persönlich hat das Wissen da­rüber schon sehr viel gebracht. Man muss es schaffen, sich selbst beobachten zu können. In der Psychologie gibt es eine Theorie: Zwischen Reiz und Reaktion gibt es immer eine Lücke. Diese Lücke müssen wir finden, dann sind wir unseren Emotionen nicht mehr hilflos ausgeliefert. Zu Beginn ist diese Lücke sehr klein. Hat man sie aber einmal gefunden, findet man sie immer öfter. Und aus der ehemals kleinen Lücke wird auf einmal ein riesengroßer Spalt. Mein Tipp: immer wieder nach der Lücke Ausschau halten.

Achja, einen ganz konkreten Tipp dazu gibt es wirklich: täglich meditieren. Dadurch bekommt man Abstand zu seinem Denken und Verhalten. Mir hat dies unvorstellbar viel gebracht.

Report: Kommen wir zurück auf die Baubesprechung. Wie gelingt es, die Baubesprechung effizient zu moderieren?

Ufertinger: Da gibt es mehrere Aspekte. Aber die Weichen werden sicher im Vorfeld gestellt. Eine richtige Vorbereitung ist Goldes wert. Hier geht es zum einen um den Teilnehmerkreis. Der Grundsatz lautet: nur Kollegen einladen, die auch was beitragen können. Ich habe es oft erlebt, dass Gott und die Welt bei einer Baubesprechung anwesend waren. Dies schafft Unruhe. Je mehr Teilnehmer, desto ineffizienter werden Besprechungen.

Zweitens: die Themen so weit wie möglich vorbereiten. Im Vorfeld bekannte Themen können im Protokoll bereits vorformuliert werden. Dies spart enorm viel Zeit.

Drittens: einen straffen, aber realistischen Zeitplan festlegen. Es gibt das Parkins‘sche Gesetz, das besagt, dass sich Arbeit in dem Maße ausdehnt, wie Zeit zur Verfügung steht. Dies gilt in gleichem Maße für Besprechungen, Also unbedingt einen Endtermin festsetzen. Niemals das Ende offen lassen. Der Vormittag eignet sich gut, dann will jeder zu Mittag fertig sein.

Report: Worauf sollte man bei der Besprechung selbst achten?

Ufertinger: Zunächst einmal sollte allen Teilnehmern bewusst sein, dass die Besprechung effizient abgearbeitet werden soll. Soll heißen: Allen müssen gewisse Regeln bewusst sein. Diese sollte man vermitteln. Wenn nötig auch ganz explizit. Damit ist ein erster wichtiger Schritt hin zur effizienten Besprechungsführung getan. Ich habe das Thema Besprechungsregeln in Podcast Nr. 020 intensiv behandelt. Mit den Tipps kann man die Regeln charmant kommunizieren und es schaffen, dass sich die Teilnehmer auch zur Einhaltung verpflichten.

Das zweite ganz wichtige Thema ist, dass das Protokoll in Echtzeit, also direkt in der Besprechung, geschrieben wird. Dies spart enorm viel Zeit und vermeidet nachträgliche Einsprüche und Diskussionen über das Protokoll.

Report: Wir haben jetzt über eine effiziente Besprechungsführung gesprochen. Was gibt es zum Inhalt der Baubesprechung zu sagen?

Ufertinger: Ich habe ja bereits betont, dass die Baubesprechung für mich das wichtigste Dokumentationstool einer Baustelle ist. Daher sollte auch alles Wichtige drin sein. Wobei ich gleich vorweg sagen möchte, dass dies nur technische Themen umfassen sollte. Sämtliche wirtschaftlichen Dinge sollten ausgeklammert werden, um Emotionen weitestgehend heraus zu halten.

Für mich hat sich bewährt, die Baubesprechung zu nutzen, um alle wiederkehrenden Themen auf einer Baustelle abzuklopfen. Sind alle Pläne da? Gibt es offene Planungsfragen? Sind neue Subunternehmer zu nennen? Sind alle Produktunterlagen da? Gab es Güte- und Funktionsprüfungen? Gibt es bauzeitliche Themen? Um hier nur einen Auszug dieser wiederkehrenden Themen anzuführen. Der Vorteil ist, dass ich als ÖBA nichts vergessen kann. Die wichtigsten Themen habe ich jede Woche in der Baubesprechung vor Augen. Dadurch verringert sich die Gefahr für beispielsweise einen Planverzug enorm.

Dazu kommen natürlich sämtliche Entscheidungen und sonstigen Vorkommnisse die Baustelle betreffend. Dadurch erhält man ein umfassendes Nachschlagewerk für die gesamte Baustelle.

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