Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg wählt die Bundeshauptstadt einen neuen Landtag. Wir haben nachgefragt, welche Pläne die im Landtag vertretenen Parteien für die Bau- und Immobilienbranche haben, wie der Konjunkturmotor angekurbelt werden soll, welche Förderungen denkbar sind und welche Projekte Priorität haben. Die Antworten im O-Ton.
1. Die Bauwirtschaft gilt unter Experten als wichtiger Motor für die allgemeine Konjunktur. Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie setzen, um diesen Motor nach der Coronakrise wieder in Gang zu bringen?
2. Wie könnten konkrete Landesförderungen aussehen, die der Bauwirtschaft zugute kommen?
3. Das Thema Wohnen ist ein politischer Dauerbrenner. Wie hoch ist aus Ihrer Sicht der (jährliche) Bedarf an neuen Wohnungen in Wien und wie wollen Sie diesen Bedarf decken?
4. Thema Infrastruktur: Welche Projekte haben Priorität, welche müssen noch warten? Woher soll das Geld für die Bauvorhaben kommen?
SPÖ
Michael Ludwig
1. »Wir sind trotz Corona hoch aktiv und verstehen uns als wichtiger Partner der Bauwirtschaft. Aktuell sind in Wien rund 24.000 geförderte Wohnungen in Bau oder Planung. Und zusätzlich 4.000 neue Gemeindewohnungen. Hinweisen möchte ich auch auf unsere Initiative ›Wien baut vor‹, mit der wir gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien für mehr Akzeptanz für Bauarbeiten und Baustellen werben.«
2. »Der geförderte Wohnbau in Wien ist natürlich generell ein ganz wichtiger Motor für die Wiener Bauwirtschaft. Allein die bereits erwähnten 24.000 Wohnungen werden von der Stadt mit insgesamt rund 900 Millionen Euro gefördert.«
3. »Wir verwenden hier ganz bewusst ein Modell, das einen guten Mix darstellt aus Mechanismen des freien Marktes und dem regulierenden Eingriff der öffentlichen Hand. Somit können wir weitestgehend die Bildung von Blasen vermeiden, aber gleichzeitig leistbaren und lebenswerten Wohnraum zur Verfügung stellen.«
4. »Wir bauen wirklich in der ganzen Stadt. Im Süden, im Norden, im Osten, im Westen, diesseits wie jenseits der Donau, aber auch in innenstädtischer Lage wie etwa auf dem Areal des ehemaligen Sophienspitals, wo im 7. Bezirk gerade 180 geförderte Wohnungen und ein Gemeindebau Neu entstehen. Und natürlich arbeiten wir auch mit sanfter Verdichtung und errichten, wo es geht, neuen Wohnraum im Dachgeschoß. Diese Vielfalt quer durch die Bezirke ist mir politisch sehr wichtig, weil das eine Grundlage für die soziale Durchmischung und die hohe Lebensqualität in Wien ist.«
Die Grünen
Birgit Hebein
1. »Wir wollen die Coronakrise und die Klimakrise gleichzeitig lösen: Wenn wir unsere Gebäude mit Sanierungsmaßnahmen bis 2040 klimafit machen, dann ist das eine riesige Chance für die Bauwirtschaft. Wir wollen 450 Millionen Euro pro Jahr in den Ausstieg aus Öl und Gas investieren. Außerdem wollen wir weiter in den Stadtentwicklungsgebieten leistbaren, qualitativen Wohnraum schaffen.«
2. »Wir wollen die Wohnbauförderung ökologisieren – auch für die Sanierung. Außerdem wollen wir 450 Millionen Euro in den Ausstieg aus Öl und Gas investieren.«
3. »Wir haben in den letzten Jahren mit der Flächenwidmung für 10.000 Wohnungen pro Jahr Vorsorge für den Bedarf an neuen Wohnungen getroffen. Zwei Drittel davon sind leistbare Wohnungen. In den kommenden Jahren werden wir weiter entlang der Bevölkerungsentwicklung für ausreichend Wohnraum sorgen. Hier müssen auch die Auswirkungen von Corona beobachtet werden.«
4. »Für uns hat der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und der Ausbau der sozialen Infrastruktur wie Schulen und Kindergärten Vorrang, aber auch die Versorgung mit ausreichend Grünraum. Es ist uns wichtig, den Städtebau und die Verantwortung für den Klimaschutz zusammenzudenken und als wirtschaftliche Chance für Klimajobs und ein zukunftsfähiges Wirtschaften zu sehen.«
Die neue Volkspartei
Wolfgang Ulm
1. »Aufgabe der Stadt Wien wäre es, den Wohnbau in Wien zu erleichtern. Mit den städtebaulichen Verträgen hat sie das Bauen und damit die Wohnungen aber verteuert. Mit den ›Planungsgrundlagen zur Widmung geförderter Wohnbau‹ hat sie mögliche Bauvorhaben erschwert oder sogar verunmöglicht. Freifinanzierter Wohnbau muss wieder in vollem Umfang ermöglicht werden. Geförderte Mietwohnungen werden günstiger, wenn die Grundkosten nieder gehalten werden können. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Stadt Wien Grundstücke hortet. Und die Stadt Wien muss einen Basissockel für den sozialen Wohnbau auf gemeindeeigenen Grundstücken garantieren.«
2. »Als konkrete Maßnahme wäre für uns ein Baukindergeld nach bayrischem Vorbild vorstellbar, um den Bau oder Kauf der ersten eigenen Immobilie zu erleichtern. Mit dem Baukindergeld des Bundes bekommen Familien und Alleinerziehende pro Kind und Jahr 1.200 Euro über zehn Jahre. Der Freistaat Bayern erhöht mit dem Bayerischen Baukindergeld Plus das Baukindergeld des Bundes von 1.200 Euro um zusätzlich 300 Euro pro Kind und Jahr über einen Zeitraum von zehn Jahren.«
3. »Aus unserer Sicht wäre das Doppelte des jährlichen Zuzugs erforderlich. Leider wurde in den letzten Jahren viel zu wenig gebaut. Auch wenn sich die Lage mittlerweile wieder beruhigt, so ist dennoch festzustellen, dass zumeist im falschen Segment gebaut wird. Im geförderten Wohnbau gibt es nach wie vor zu wenig Angebot.«
4. »Wichtige Infrastrukturprojekte wie etwa der Lobautunnel dürfen nicht im Koalitionsstreit zwischen SPÖ und Grünen stecken bleiben, sondern müssen endlich umgesetzt werden. Einsparungspotenziale gibt es in Wien zuhauf, wenn man beispielsweise an die Kostenexplosion beim Krankenhaus Nord oder an Pop-up-Radwege und den Gürtelpool denkt.«
NEOS
Christoph Wiederkehr
1. »Wir wollen ein Wiener Investitionspaket von 750 Millionen Euro auf den Weg bringen. Dieses soll zum großen Teil aus dem Vorziehen von ohnehin geplanten, dringlichen Infrastrukturmaßnahmen bestehen wie glasfaserbasierte WLAN-Infrastruktur für alle Wiener Volksschulen oder die Beschleunigung des Schulsanierungspakets II, ein Vorziehen des bereits geplanten Straßenbahnausbaus und ein Vorziehen von Teilen des 2. Schienen-Infrastruktur-Pakets der Stadt Wien und der ÖBB. Dazu kommen neue, zukunftsorientierte Maßnahmen wie eine Photovoltaikoffensive sowie ein Programm zur Errichtung einer offenen Glasfaserinfrastruktur mit Fokus auf Betriebsgebiete.«
2. »Für die langfristige Entwicklung des geförderten Wohnbaus brauchen wir ein neues Wohnbaufördermodell. Baurechte auf Grundstücken der Stadt Wien sollen durch einen offenen Wettbewerb an Bauträger eingeräumt werden, die darauf kostengünstigen, geförderten Wohnraum schaffen. Die Stadt Wien mietet die neu geschaffenen Wohnungen als Langzeitmieter an und vermietet diese dann weiter an Menschen, die sich für geförderten Wohnraum qualifizieren. Das schafft einerseits Planungssicherheit für die Bauträger bei der Finanzierung und andererseits soziale Treffsicherheit. Darüber hinaus wollen wir mit dem oben genannten Konjunkturpaket die Bauwirtschaft stimulieren.«
3. »Der Bedarf an neuem Wohnraum schwächt sich etwas ab. Weiterhin großer Bedarf besteht allerdings nach leistbarem Wohnraum.Wir gehen daher in den kommenden Jahren von einem Bedarf von 5000 bis 7000 neuen Wohnungen pro Jahr vor allem im Bereich des leistbaren Wohnraums aus. Geförderter Wohnbau soll, abgesehen von dem oben genannten neuen PPP-Modell, durch Verdichtung im bestehenden Stadtgebiet geschaffen werden: durch Dachgeschoßausbau von Gemeindebauten oder durch die Überbauung von eingeschoßigen Supermärkten. Mit einem Einkommensmonitoring im Gemeindebau wird sichergestellt, dass bei steigendem Einkommen auch die Miete angepasst wird. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen sollen in den Neubau investiert werden.«
4. »Der öffentliche Verkehr spielt für uns eine wesentliche Rolle. Abgesehen von den oben genannten Investitionsmaßnahmen wünschen wir uns die Schaffung eines S-Bahn-Rings um ganz Wien, großteils auf bestehenden Gleisen. Zusätzlich müssen wir dringend in Infrastruktur für die Klimawandelanpassung investieren; vor allem in Form von neuen Grün- und Wasserflächen.«
FPÖ
Dominik Nepp
1. »Generell sollten arbeitsintensive Vorhaben wie Dachgeschoßausbauten, Renovierungen, thermische Sanierungen und Reparaturen forciert werden. Damit werden in erster Linie lokale kleine und mittelständige Betriebe betraut.«
2. »Bestehende Landesförderungen wie Wohnbauförderung, Förderung umfassend thermisch-energetischer Sanierung und anderer Sanierungsmaßnahmen könnten erhöht und vor allem ›entbürokratisiert‹ werden. Das Verfahren vom Ansuchen bis zur Auszahlung ist zu kompliziert und dauert zu lange. Zusätzlich zu den bestehenden Förderungen wäre ein Handwerkerbonus sehr hilfreich und wirksam: Förderung von 25 % auf Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten von Wohnungen oder Wohnhäusern, die von österreichischen Betrieben durchgeführt werden, bis zu einer Obergrenze von 20.000 Euro.«
3. »Der geschätzte jährliche Bedarf an Wohnungen in Wien dürfte bei ca. 12.000 liegen. Ein großer Teil dieser Nachfrage ist durch Zuwanderung entstanden und daher ist der zukünftige Bedarf schwer einschätzbar. Ab 2020 könnte erstmals mit einer Bauleistung von rund 18.000 Wohneinheiten der jährliche Bedarf übertroffen werden und eine Entspannung am Wohnungsmarkt erfolgen. Makler sprechen bereits von einer geringeren Nachfrage. Die Errichtung von Wohnungen mittels der aktuellen Wohnbauförderung und frei finanzierte Wohnungen sollten den Wohnbedarf in Wien künftig abdecken.«
4. »Eine gute Infrastruktur beginnt bei der Planung! Der aktuelle Stadtentwicklungsplan ist unbrauchbar und nimmt keine Rücksicht auf die Anliegen der Bezirke. Wohnmöglichkeiten, Arbeitsplätze, Schulen, Kindergärten und Nahversorgung sollte es im Grätzel geben. Der öffentliche Verkehr sollte ohne Behinderung des motorisierten Individualverkehrs ausgebaut werden. Verkehrsbehindernde Begegnungszonen wird es mit uns nicht geben! Bei sparsamem Umgang mit dem vorhandenen Geld wäre genug davon vorhanden, um ein flottes und spannungsfreies Vorwärtskommen aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.«