Samstag, November 23, 2024

Salzburg unterschreibt als letztes Bundesland die ­§15a-Vereinbarung über die Ökologisierung der Wohnbau­förderung.

Der Einfluss des Bundes auf die Umsetzung der ­verschärften Klimaschutzrichtlinien ist allerdings begrenzt. ­Die Solarbranche freut sich, die Mineralölwirtschaft weniger – Ölheizungen werden nicht mehr gefördert.


Der österreichische Umweltminister Niki Berlakovich ist voll der Freude: Er ortet einen »Durchbruch für den Klimaschutz im Gebäudebereich«. Grund für die ministerielle Euphorie: Mitte August hat Salzburg nach langem Verweigern als letztes aller neun Bundesländer die §15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern unterzeichnet, in der es um »Maßnahmen im Gebäudesektor zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen« geht. Diese Klimaschutz-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die nach der Ratifizierung nun als Bundesgesetz in Kraft treten kann und bis zum Ende der laufenden Finanzausgleichsperiode 2013 gilt, definiert klimarelevante Kriterien, die die Vergabe von Wohnbaufördermittel neu regeln.
Niedrigstenergiestandard ab 2012
Und diese Kriterien haben es in sich: Um Wohnbauförderung zu erhalten, müssen laut dieser Vereinbarung neu errichtete Einfamilienhäuser ab 2012 einen Heizwärmebedarf von 36 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) nachweisen können. Was bedeutet, dass alle Wohnhäuser, die ab diesem Zeitpunkt fertiggestellt werden, Niedrigenergiehäuser sein müssen – mit Baukosten, die um rund 5 % über denen eines konventionellen Hauses liegen. Eine stärkere Wärmedämmung, kontrollierte Wohnraumlüftung, Wärmeschutzgläser und die Nutzung passiver Sonnenenergie durch südseitig ausgerichtete verglaste Bauteile wie Wintergärten sind dabei ein Muss. Noch rigoroser wird es für Bauträger und Errichter von mehrgeschoßigen Wohnbauten: Mit einem maximal zulässigen Heizwärmebedarf von 20 kWh/m2a müssen Wohnanlagen, wollen die Bauträger dafür Wohnbauförderung erhalten, dem Niedrigstenergiestandard entsprechen. Das bedeutet bis zu 30 cm Wärmedämmung, dreifachverglaste Fenster und eine kontrollierte mechanische Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung samt Verzicht auf ein konventionelles Heizsystem.

Beschränkung des Heizwärmebedarfs
Damit, so hofft Berlakovich, soll Österreich seine Klimaschutzziele doch noch erreichen. Laut EU müssen ja alle Staaten ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 20 % gegenüber dem Jahr 1995 reduzieren, laut Kyoto-Protokoll um 13 % gegenüber dem Stand von 1990. Sämtliche Experten sind der Meinung, dass der Zug längst abgefahren ist und Österreich diese Ziele nie fristgerecht erreichen kann. So wurden laut Wirtschaftsforschungsinstitut im Jahr 2006 bereits 91,1 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, laut Kyoto-Ziel sollen es im Mittelwert 2008 bis 2012 jedoch nur 68,8 Millionen Tonnen pro Jahr sein. Um das Defizit wettzumachen, müssen aus dem Ausland Zertifikate in der Höhe von neun Millionen Tonnen zugekauft werden.
Um dennoch zumindest in die Nähe der Klimaziele zu kommen, hat Österreich in der Vereinbarung mit den Bundesländern die schrittweise Beschränkung des Heizwärmebedarfs als Voraussetzung zur Gewährung von Wohnbauhilfe festgelegt (siehe Kasten). Großes Gewicht wird in der §15a-Vereinbarung zum Klimaschutz im Wohnbau vor allem auf die Heizungs- und Warmwassersysteme eines Gebäudes gelegt. Denn sie sind für etwa 13 % der CO2-Emissionen in Österreich verantwortlich, rund drei Viertel davon stammen von Wohngebäuden. Laut §15a-Vereinbarung werden Förderungen zukünftig auf »innovative klimarelevante Systeme« beschränkt.

Strenge Förderrichtlinien
»Nach drei Jahren Verhandlungen ist das ein Schritt in Richtung Vereinheitlichung der Wohnbauförderung auf strengem Niveau«, begrüßt Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar, einer Vereinigung der Anbieter von thermischen Solaranlagen, die getroffene Vereinbarung. Einen großen Marktschub für die Solarbranche erwartet er dennoch nicht unmittelbar. Denn einerseits haben einige Bundesländer schon bisher in ihren Wohnbauförderrichtlinien festgelegt, dass etwa im Neubau die Installation von Gasheizungen nur in Kombination mit einer thermischen Solaranlage zur Erzeugung von Warmwasser gefördert wird, andererseits gibt es aber Ausnahmen. So werden für Holzheizungen auch dann Förderungen ausbezahlt, wenn keine Solaranlage installiert wird. Und spezielle Sanierungsförderungen für die Installation von Solaranlagen gibt es derzeit lediglich in den Bundesländern Wien, Tirol und Vorarlberg.
Daher werde die Verknüpfung der Wohnbauförderung mit einer solchen Anlage erst dann zum Hebel für die Solarbranche, wenn die von der Bundesregierung angestrebte Erhöhung der Sanierungsrate von derzeit rund 1 % auf 3 % gelingt, hofft Hackstock. Erreichen will die Regierung diese Rate durch die Schaffung von finanziellen Anreizen, um den Gebäudebestand aus den Jahren 1945 bis 1980 thermisch zu sanieren. Und dort liegt das wahre Marktpotenzial, nimmt sich doch der Neubau, der ohnehin rückläufig ist, im Vergleich zum sanierungsbedürftigen Wohnungsbestand bescheiden aus.

Ungeförderte Ölheizung
Als Kriterium für die Gewährung von Wohnbauförderung gilt, neben der allgemein gehaltenen Aufforderung zur Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe, der Einsatz erneuerbarer Energien – neben der Solarthermie vor allem Biomasse oder auch Fernwärme. Was im Umkehrschluss die Förderung von Heizsystemen auf Basis ausschließlicher fossiler Brennstoffe ausschließt. Nicht mehr förderungswürdig sind daher auch Ölheizungen, zurzeit noch in einem Viertel aller Haushalte vertreten. Das Aus für diese Technologie im geförderten Wohnbau – und zwar sowohl im Einfamilienhaus- als auch im großvolumigen Wohnbau – schmerzt die Branche natürlich. »Eine Ungleichbehandlung« sieht erwartungsgemäß das Institut für wirtschaftliche Ölheizung (IWO) in den neuen Förderbestimmungen. »Diese Vereinbarung entbehrt jeder objektiven Basis«, meint IWO-Geschäftsführer Martin Reichard. CO2 entstehe schließlich bei jeder Verbrennung, meint Reichard im Hinblick auf die Frage der Emissionen (und vergisst allerdings darauf hinzuweisen, dass das bei der Verbrennung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz entstehende CO2 im Laufe des Baumwachstums vorher bereits gebunden wurde und daher keine zusätzliche Emission in der CO2-Bilanz bedeutet). Immerhin hat die Politik in der §15a-Vereinbarung den Ländern Übergangsfristen eingeräumt, die ein abruptes Ende der Ölheizung vermeiden, wenn moderne Öl-Brennwerttechnik eingesetzt wird. Die österreichische Mineralölwirtschaft hat prompt reagiert und über ihren Fachverband in der Wirtschaftskammer gemeinsam mit dem Energiehandel die Initiative »Heizen mit Öl« auf die Beine gestellt, die bis 2016 privaten Haushalten und Gewerbebetrieben den Umstieg von einer alten Ölheizung auf einen Ölbrennwertkessel schmackhaft machen. Heuer wurden pro Antrag 3.000 Euro zugeschossen, finanziert wird die Aktion von den Fachverbandsmitgliedern, sprich von der OMV und den namhaften Treibstoffkonzernen.
»Eine moderne Ölheizung ist ein Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz«, behauptet IWO-Geschäftsführer Reichard. Mit den sogenannten »Neuen Erneuerbaren« Sonne, Biomasse & Co könne der steigende Energiebedarf allein nicht abgedeckt werden, argumentiert er. Und die Umstellung einer bestehenden Ölheizung auf einen anderen Energieträger sei technisch schwierig und daher sinnlos, so Reichard.

Zulasten des geförderten Neubaus
Welche Auswirkungen die §15a-Vereinbarung, die alle Bundesländer verbindlich in ihren Wohnbaufördergesetzen verankern, auf den geförderten Wohnbau und die gemeinnützigen Bauvereinigungen haben, lässt sich nicht abschätzen. Denn seit die vom Bund bezahlten, ursprünglich für die Wohnbauförderung gebundenen Zuschüsse von 1,78 Milliarden von den Ländern nicht mehr für den Wohnbau eingesetzt werden müssen, hat auch ein Umweltminister Berlakovich keine Kontrolle darüber, wie die Länder diese Mittel verwenden.
Sicher ist allerdings, dass mit der Vereinbarung die Sanierung von Wohnungsbestand noch stärker als schon in den letzten Jahren zulasten des Neubaus gehen werde, befürchtet Karl Wurm, Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen (gbv). Und da es keinen Wohnungsneubau mehr unterhalb des Niveaus des – kostenintensiveren – Niedrigstenergiestandards mehr geben wird, werde auch die Summe der Wohnbaufördermittel knapper werden, ist Wurm besorgt.


Salzburg: Keine Harmonisierung.
Aber nicht nur bei der Umsetzung der Wohnbauförderrichtlinien hat der Bund weniger Einfluss, als es die Regierung Glauben machen will. Auch die Hoffnung des Umweltministers, dass sich die verschärften Klimakriterien der §15a-Vereinbarung auch beim Baurecht – das ebenfalls in der Kompetenz der Bundesländer liegt – umsetzen lassen, wird eine solche bleiben. Denn die unter der Leitung des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) ausgearbeitete bundesweite Harmonisierung der technischen Bauvorschriften kommt nicht vom Fleck, weil Niederösterreich und Salzburg die entsprechende Vereinbarung zwar unterschrieben, aber nicht in den Landtagen ratifiziert haben. Salzburg ziert sich vor allem bei der Umsetzung der Richtlinie 6, in der es um Energieeinsparung und Wärmeschutz und damit um die angestrebte Reduzierung von Treibhausgasemissionen beim Bauen geht. Alle sechs Richtlinien der harmonisierten Bauvorschriften umgesetzt haben Tirol, Vorarlberg, Wien und Burgenland, Ober- und Niederösterreich haben heuer die Richtlinie 6 ratifiziert, Kärnten und Steiermark haben entsprechende Novellen in Begutachtung. Rainer Mikulits, Geschäftsführer des OIB, rechnet damit, dass 2010 in zumindest sechs Bundesländern die harmonisierten Bauvorschriften gelten werden.
In der Zwischenzeit arbeitet das OIB aber schon an einer Novellierung der Wärmeschutzrichtlinie 6, um sie den Anforderungen der neuen EU-Gebäuderichtlinie anzupassen, wie Mikulits berichtet. Die wichtigsten geplanten, aber noch nicht ausverhandelten Änderungen: neue Anforderungen an den Primärenergiebedarf und die CO2-Emissionen eines Gebäudes, verschärfte Anforderungen an die Aussteller von Energieausweisen und ein Benchmarkingsystem für den Wärmeschutz. Fertig werden soll die überarbeitete Richtlinie noch heuer, beschlossen werden müsse sie nächstes Jahr, um wie geplant 2011 in Kraft treten zu können, so Mikulits. Wollen die Landesfürsten nicht, wird auch diese neue Richtlinie eine schöne Absicht bleiben.

Wer spart, wird gefördert

Laut §15a-Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländern werden in den Wohnbaufördergesetzen Mindest-Energiekennzahlen als Anforderung an den Heizwärmebedarf von Wohngebäuden festgelegt:

Neubau:    EFH    mehrgeschoßige Wohnbauten
    Bis Ende 2009:     65 kWh/m2a     35 kWh/m2a
    Ab 2010:     45 kWh/m2a     25 kWh/m2a
    Ab 2012:     36 kWh/m2a     20 kWh/m2a
    Für 2015 wird der Passivhausstandard (10 kWh/m2a lt. OIB) angestrebt.

Sanierung:     EFH    mehrgeschoßige Wohnbauten
    Bis Ende 2009:     80 kWh/m2a     43 kWh/m2a
    Ab 2010:     75 kWh/m2a     35 kWh/m2a

Alle Bundesländer haben die §15a-Vereinbarung ratfiziert. Salzburg und Kärnten haben die Vereinbarung allerdings noch nicht als Landesverordnung erlassen. Die beiden Landesregierungen haben dazu bis Jahresende Zeit. In den anderen sieben Bundesländern wurden die Verordnungen bereits erlassen, in Oberösterreich im vergangenen Juli.

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