Kürzere Bauzeiten und höhere Belastbarkeit sind ohne den Einsatz von Zusatzmitteln kaum möglich. In praktisch allen Bereichen greift man in die bauchemische Trickkiste, um die Produktivität auf Baustellen zu erhöhen.
Alles Leben ist Chemie – diese Weisheit gilt auch für die Bauwirtschaft. Bei Baustoffen geht nichts mehr ohne chemische Produkte oder Zusatzmittel, die zur Optimierung der Eigenschaften beitragen.
Bauchemische Stoffe beschleunigen oder verzögern je nach Anwendungsfall die Aushärtung von Beton, Fließestrich und Fliesenkleber. Exponierte Gebäudeteile können mit speziellen Anstrichen, Beschichtungen, Dichtungsstoffen oder Putzen geschützt, abgedichtet und saniert werden.
Bauwerke sind dadurch belastbarer und gegenüber Umwelteinflüssen wie Wasser, Salz oder Temperaturschwankungen beständiger. Zudem ermöglichen ausgeklügelte Rezepturen – siehe Betonbau – die Umsetzung spektakulärer Gebäudegeometrien, die früher undenkbar waren.
Individueller Mix
Bei Beton ist die Bandbreite der angebotenen Produkte am größten. Neben Stahl- und Glasfasern, Gesteinsmehl und Silikatstaub, die die Festigkeit von Beton erhöhen, gibt es inzwischen auch eine ganze Reihe von chemischen Zusatzmitteln, die in sehr geringen Mengen – unter fünf Prozent des Zementanteils – beigefügt werden. »Im Baubereich spielt eine schnelle und termingerechte Fertigstellung der Projekte bei konstant hoher Bauqualität eine große Rolle. Einen klassischen Bereich für den Einsatz von Zusatzmitteln stellt der Bereich Beton bzw. Betonverarbeitung dar, mit den unterschiedlichen Anwendungsfeldern wie etwa Estrich oder Betoninstandsetzung«, sagt Andreas Wolf, Geschäftsführer der Mapei Austria GmbH.
Rund 80 % der Betonzusatzmittel entfallen auf Fließmittel, Luftporenbildner und Verzögerer. Fließmittel verflüssigen den Beton und machen ihn weicher und besser verarbeitbar. Luftraumbildner erzeugen kleine kugelförmige Poren im Beton, die den Wasseranspruch sowie den Eisdruck vermindern, wenn im Winter das Wasser in den Kapillarporen des Betons gefriert. Verzögerer verlängern die Verarbeitungsdauer des Betons, was bei hohen Temperaturen oder größeren Bauteilen, die fugenlos betoniert werden müssen, von Vorteil ist.
»Betonzusatzmittel werden zur Modifizierung bestimmter Eigenschaften eingesetzt. Der quantitative Einsatz wird durch die äußeren Objektbedingungen, die Bauzeit oder die Baukonstruktion selbst bestimmt«, bestätigt Peter Reischer, Vertriebsleiter der Murexin GmbH. Weitere Zusatzmittel wie Trennmittel, Stabilisierer, Schaumbildner, Schwindreduzierer oder Recyclinghilfen kommen angepasst an die jeweiligen technischen Anforderungen zum Einsatz. Entscheidende Faktoren sind der Wasserbindemittelwert, der Zement- und der Wassergehalt.
Mapei, mit 31 Forschungszentren führend im Bereich Bauchemie, verfügt für die genaue Analyse über modern ausgestattete Prüflabors. »Der Einsatz von Zusatzmitteln wird individuell je nach Anforderungen dosiert und gesteuert«, erklärt Wolf. »Eine wesentliche Rolle spielen hier die Labore und Baustoffprüfer. Mapei unterstützt hier die Partner mit mobilen Laborbussen direkt vor Ort und kann so auf die individuellen Projektanforderungen eingehen.«
Keine Kostentreiber
Betonzusatzmittel zählen inzwischen in allen Produktgruppen zum Standard – als Pasten, Granulate, Pulver oder flüssig. Somit bleibt eine feine Durchmischung gegeben und der Raumanteil des Betons konstant. Die Anwendung erfolgt im gesamten Massivbaubereich, in Verbundabdichtungen oder bei Putzen. »Überall dort, wo Mörteleigenschaften zeitlich und qualitativ angepasst werden sollen«, sagt Murexin-Experte Reischer. »Die häufigste Anwendung liegt im Beton- und Stahlbetonbau, bei mineralischen Nassestrichen, immer häufiger auch in der Beschichtungstechnik.«
Nicht zuletzt der Zeitdruck am Bau forciert die stetige Weiterentwicklung chemischer Zusätze und Produkte. »Wir stellen schon über einen längeren Zeitraum fest, dass die Forderung nach immer kürzeren Bauzeiten den Einsatz von Betonzusatzmitteln begründet. Zum Beispiel gibt es kaum generelle Winterpausen am Bau. Betonzusatzmittel beeinflussen durchgängig den Bauprozess und die Qualitätssicherung am Bau«, meint Reischer.
Ähnlich argumentiert Mapei-Chef Wolf: »Die Produktivität kann aufgrund der Zeiteinsparung erhöht und damit ein engerer Bauzeitplan erreicht werden, beispielsweise durch beschleunigte Estriche. Das gilt aber selbstverständlich für alle Zusätze, welche direkt im Beton oder bei Betoninstandsetzungsprodukten zum Einsatz kommen.«
Trotz der teilweise komplexen Berechnungen der Rezepturen sind Zusatzmittel keine Kostentreiber. »Unserer Erfahrung nach verteuern Betonzusatzmittel, bezogen auf die Bauteilmasse, die Bauteilkosten nur unerheblich«, sieht Reischer überwiegend Vorteile: »Setzt man den Zeitfaktor bei der Herstellung des Bauteils selbst – kürzere Material-Stillstandzeiten, kürzere technologische Prozesse, die Einsparungen an zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen, wie z.B. bei Abdichtungen und Schutzmaßnahmen – entgegen, sind sogar Kostenersparnisse am Gesamtwerk prognostiziert.« Beschleuniger bei Flüssigabdichtungen, wie sie Murexin derzeit zur bitumenfreien Spezialabdichtung WD-1K anbietet, verkürzen die Arbeitszeit erheblich, so Reischer: »Unterm Strich erhöhen Zusatzmittel die Produktivität.«
Verbesserte Ökobilanz
Vor allem bei Baustoffen, die im Innenbereich zur Anwendung kommen, nimmt das Thema Nachhaltigkeit einen besonderen Stellenwert ein. So sorgen Konservierungsmittel in Wandfarben für längere Haltbarkeit und Bodenbeschichtungen ermöglichen eine leichtere Säuberung – alle Produkte müssen jedoch emissionsarm sein, um Allergien auslösende Substanzen zu vermeiden.
Viele Unternehmen setzen bereits auf bitumen- und lösungsmittelfreie Produkte. An ökologischen Alternativen für sensible Bereiche wird intensiv gearbeitet. Dahinter steckt viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Ein Drittel der Umsätze wird mit Produkten erzielt, die erst seit fünf Jahren auf dem Markt sind.
Michael Jernei, bei Sika Österreich für Forschung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Verkauf Export verantwortlich: »Unsere Zusatzmittel, ob flüssig oder in Pulverform, für Trockenbaustoffe als auch für Beton sind ein unverzichtbarer Bestandteil, um hochwertige, nachhaltige, CO2- und bindemitteloptimierte Baustoffe herzustellen.«
Bereits bei der Produktion der Baustoffe wird in der Branche vielfach auf ressourcenschonende Herstellung und Umweltverträglichkeit der Produkte geachtet. So trägt Bauchemie neben qualitativen Vorteilen zur Optimierung des ökologischen Fußabdrucks bei. Neue Klebstoffe, Abdichtungen und Beschichtungen verlängern den Lebenszyklus eines Bauwerks. Eine um 50 % schnellere Betonerhärtung bedeutet um bis zu 15 % reduzierte Energiekosten und somit eine deutlich verbesserte CO2-Bilanz.
Es bedarf jedoch einer Abstimmung der Zusatzmittel wie auch der Fertigprodukte auf die individuellen Anforderungen der Kunden sowie der Baustellen, meint Sika-Bereichsleiter Michael Jernei: »Beim Einsatz dieser optimierten Produkte und Systeme geht es meistens um Reduktion von Manpower und von Wartezeiten. Dadurch kommt es beispielsweise zu weniger Anfahrten auf die Baustelle.«