Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf, über konstruktive Gespräche mit den Auftraggebern, wie Corona die Bauwirtschaft und das Unternehmen Leyrer + Graf auf Dauer verändern wird und warum man gerade jetzt den Optimismus nicht verlieren darf.
Report: Seit Mitte März hat uns Corona fest im Griff. Wie sieht Ihr aktueller Arbeitsalltag aus?
Stefan Graf: Die ersten vier Wochen waren fast ausschließlich von Corona dominiert. In der ersten Woche ging es darum, wieder Luft zu bekommen, nachdem die ganze Welt im Eis eingebrochen und im kalten Wasser gelandet ist. Ein ganz wesentlicher Schritt war dann für uns die Handlungsanleitung der Sozialpartner. Ab diesem Moment kam es zu einer Stabilisierung. Nach Ostern sind wir vom Krisenchaos in den Krisenmodus gekommen und ich konnte mich erstmals auch wieder um Themen abseits von Corona kümmern.
Ein großes Kompliment muss ich auch unseren Mitarbeitern aussprechen. Wie die sich in dieser für alle so schwierigen Situation verhalten haben und was sie geleistet haben, war großartig.
Report: Ich weiß, dass Sie das Wort »Problem« gern vermeiden, Sie sprechen lieber von Herausforderungen. Aber haben wir, hat die Branche und auch die Gesellschaft jetzt nicht ein ordentliches Problem?
Graf: Der Begriff der Herausforderung ist eine Art, auf ein Problem zu reagieren. Da schwingt positive Energie und Optimismus mit, »Problem« ist sehr negativ konnotiert. Da muss man auch aufpassen, dass man nicht in eine Negativspirale kommt.
Aber Sie haben recht. Probleme gibt es viele. Die gab es zum Teil aber auch schon vor Corona, Stichwort: Fachkräftemangel und Klimawandel. Leichter ist es jetzt aber sicher nicht geworden. Da kommen jetzt viele Fragen dazu, andere sind dafür komplett verschwunden.
Report: Welche sind das?
Graf: Wir haben uns Sorgen gemacht über Marktüberhitzungen und dass wir zu viel Arbeit haben. Auch vom Klimawandel haben wir länger nichts mehr gehört. Das ändert sich aber jetzt wieder und ist auch wichtig aus meiner Sicht. Andere Themen wie die Wirtschaftsentwicklung gewinnen massiv an Bedeutung.
Report: Vor dem Ausbruch der Coronakrise haben wir auch viel über Themen wie BIM, Lean Management, oder kooperative Projektabwicklung geredet. Werden diese Themen durch Corona weiter an Bedeutung gewinnen oder in den Hintergrund gedrängt?
Graf: Die Frage ist absolut berechtigt. In der ersten Phase der Krise müssen diese Themen in den Hintergrund treten. Da geht es um das nackte Überleben. Ein Ertrinkender macht sich auch keine Sorgen um seine langfristige Zukunft. Genauso ging es uns als Gesellschaft, in einem ersten Schritt mussten die Vitalfunktionen gesichert werden. Wir haben trotzdem versucht, die Themen BIM und Lean nicht ganz aus dem Fokus zu verlieren.
Unsere Mitarbeiter, die mit dem Thema betraut sind, haben sich auch weiter damit beschäftigt. Die Welt ist ja nicht untergegangen und es gibt ja auch ein Leben nach der Krise. Nicht zuletzt hat die Krise ja auch gezeigt, wie wichtig Digitalisierung ist. Nur damit konnte sich Telearbeit durchsetzen und Social Distancing eingehalten werden.
Report: Wie ist der aktuelle Status Ihrer Baustellen? Wie schwierig ist es, wieder einen geregelten Normalbetrieb zu schaffen?
Graf: Die Handlungsanleitung der Sozialpartner hat eine enorme Erleichterung gebracht. Das war ein großer Wurf von Politik und Sozialpartnern. Aber die Umsetzung ist natürlich schwierig. Jetzt geht es darum, die geforderten Maßnahmen sicherzustellen und die Abläufe anzupassen. Da sind die Bauleiter massiv gefordert.
Report: Wie gestalten sich die Gespräche mit den Auftraggebern? Wie groß ist das Verständnis für die jeweils andere Seite?
Graf: In den meisten Fällen nehme ich einen sehr partnerschaftlichen Zugang zur aktuellen Situation wahr. Zum Großteil treffen wir auf sehr verständnisvolle Auftraggeber. Auch hier hat die Handlungsanleitung viel Klarheit geschaffen, etwa welche Mehrkosten verrechnet werden dürfen. Es muss aber jedes Projekt einzeln und individuell betrachtet werden.
Report: Das Thema der kooperativen Projektabwicklung hat in letzter Zeit generell an Fahrt aufgenommen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Risikoteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Wird das Thema durch Corona weiter befeuert?
Graf: Ich glaube, dass Corona die Sensibilität für Risikoteilung beeinflussen wird. Das spürt man schon jetzt sehr stark. Überall dort, wo die richtigen Leute zusammenkommen, die ein gemeinsames Interesse und Verständnis füreinander haben, profitiert das Projekt. Es geht um Kooperation statt Konfrontation.
Report: Wie sehr wird die Coronakrise die Bauwirtschaft und das Unternehmen Leyrer + Graf für immer verändern?
Graf: Ich bin Optimist. Kurzfristig wird man eher weniger spüren. Wir fahren auf einem sehr hohen Level und befinden uns bei 80 bis 100 Prozent unserer Produktivität. Auch der Forecast ist positiv, solange die Infektionszahlen auf einem niedrigen Niveau und die Lieferketten aufrecht bleiben. Viele Projekte sind am Laufen. Aber natürlich wird es Einbußen geben.
Mittelfristig werden wir eine Delle spüren, weil das Investitionsvolumen zurückgehen wird. Konsumenten, Unternehmen und auch der Staat sind massiv betroffen. Da stellt sich die Frage, wo noch Geld vorhanden ist, das investiert werden kann. Langfristig rechne ich wieder mit einer positiven Entwicklung. Wie andere Generationen vor uns werden auch wir diese Krise bewältigen. Das Leben wird nicht stillstehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir unsere positive Grundeinstellung nicht verlieren.
Wir sehen durch die Krise auch, dass bestimmte Dinge besser funktionieren, als man angenommen hat. Ich persönlich wäre skeptisch gewesen, dass die Telearbeit in so kurzer Zeit und in diesem Umfang so reibungslos umsetzbar ist. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut klappt. Die Digitalisierung ist generell für mich ein enorm wichtiges Thema. Die Krise gibt diesem Weg auch recht und ist für mich Ansporn, das Thema weiter zu forcieren. Das sind Aspekte, die wir aus der Situation mitnehmen und die unser Unternehmen sicher verändern werden.