Sonntag, Februar 23, 2025
Spagat zwischen Verpflichtung und Haftung

Die Einstellung, dass im Gebäude schon nichts passieren und daher auf Nachrüstung in der Gebäudesicherheit verzichtet wird, kann böse Folgen haben.

Der fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist laut §80 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist laut §88 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. Fahrlässig steht hier für den Verzicht auf Investitionen in die Gebäudesicherheit. Regelmäßige Sichtungen sind daher entscheidend. Baumeister Karl Poschalko, der Kurse zum Thema Gebäudesicherheit hält, betont, dass die Gebäudesicherheit immer in der Eigenverantwortung des Eigentümers liegt.

»Nach der ÖNORM B1300 ist immer er der Verantwortungsträger.« Das ist der Baubranche sicher bekannt, aber nach wie vor stehen nicht alle umfassender Gebäudesicherheit offen gegenüber. »Baumeister vielleicht noch, aber Hauseigentümer sind manchmal der Meinung, bei ihnen im Haus ist in den letzten Jahren nichts passiert, da werde auch weiterhin nichts passieren«, meint Poschalko.

Laut Bauingenieur Klaus Pohlplatz, Geschäftsführer von Pohlplatz Bauconsult, holen Hausverwaltungen nur bei Themen mit hohem Gefährdungspotenzial Sachverständige ins Team. Generell werden für B1300-Begehungen relativ wenig finanzielle Mittel eingesetzt. Aber Achtung: In der Nichtdurchführung können Richter einen Verschuldensmaßstab finden.

Hausverstand gefragt

Karl Poschalko übt Kritik an den Sichtungen, denn es werde sehr oft nach völlig individuellem Maßstab bewertet. »Ich habe Prüfungsbegehungen gesehen mit drei Seiten und zwei Fehlern und bei einem nachträglichen Gang durch das Haus wurden eindeutige, aber nicht dokumentierte Mängel sichtbar. Andererseits gibt es Gutachten mit 100 Seiten, bei denen jede Putzabblätterung als Mangel angeführt ist.« Die Sichtungen schießen für ihn manchmal über das Ziel hinaus.

Bild oben: »Bei Gebäudesicherheit muss man sich am aktuellen Stand halten«, fordert Alfred Popper und verweist auf die Fachtagung »Gebäudesicherheit« des ARS am 6. Juli 2020, Wien. Diese wird sowohl als Präsenzveranstaltung als auch als Webinar angeboten.

Auch Helmut Schöberl, Geschäftsführer von Schöberl & Pöll, erkennt eine sehr breite Bandbreite und sieht in der B1300 einen Spagat zwischen einer Anwendungshilfe für Objektsicherheitsprüfungen und Haftungsfragen, die daraus resultieren können, wenn den Empfehlungen keine Nachrüstungen folgen. Die B1300 definiert die Objektsicherheitsprüfungen für Wohngebäude. Demnach muss eine regelmäßige fachmännische Kontrolle des Hauses auf Schäden und Gefahrenquellen Gefährdungsbereiche von Bauteilen und Ausstattungen aufzeigen sowie Haftungen minimieren oder vermeiden.

»Das richtige Maß findet man mit dem Hausverstand«, hält Bauingenieur Klaus Pohlplatz fest. Das Alter müsse ebenso einbezogen werden wie die Nutzung des Objektes.

Die Prüfroutine, sprich die laufenden Objektsicherheitsprüfungen sind einmal jährlich durchzuführen. Die Begehung kann vom Gebäudebetreiber auch selbst durchgeführt werden. Er muss dabei aber gleiche Kenntnisse wie ein Fachmann vorweisen. Usus ist, dass größere Liegenschaftseigentümer wie Genossenschaften sich fachlich qualifizierter Personen bedienen, bei kleineren Gebäuden ist es im Graubereich, wer die Begehung vornimmt. Ergibt sich Gefahr in Verzug, muss sofort gehandelt werden. Besonderes Augenmerk muss auf Absturzsicherungen, Verglasungen, Handläufe, das Abwenden der Rutschgefahr, aber auch Beschilderung gelegt werden.

Sicherheitslücken

Das Problem ist, dass Alt- und Neubauten mit denselben Parametern behandelt werden, man sie aber nicht über einen Kamm scheren kann. »Der Stand der Technik ändert sich permanent«, so Schöberl. Die laufende Nachrüstung von historischen Gebäuden ist unmöglich. »Begeher sollten Herz haben und ihren Hausverstand einschalten«, fordert Baumeister Karl Poschalko. Viele würden den organisatorischen Objektschutz vergessen. Es gebe manchmal andere Wege, die gesetzlichen Anforderungen umzusetzen, etwa durch Kennzeichnung von Gefahrenstellen. Es komme aber auf die Situation an.

Bild oben: »Regelmäßige Gebäudesichtungen sind entscheidend«, sagt Baumeister Karl Poschalko.

Bei einem fehlenden zweiten Handlauf genügt es etwa nicht, darauf hinzuweisen. Die Haftung des Gebäudebesitzers nach § 1319 ABGB setzt Erkenn- bzw. Voraussehbarkeit der Absturzgefahr voraus. Alfred Popper, Richter im Ruhestand, Universitätslektor und Trainer zu den Themen Wohnrecht und Haussicherheit, nennt dazu die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5Ob118-19t: Durch ein herabfallendes Mauerteil einer vor 2,5 Jahren renovierten und auf Schadenfreiheit geprüften Fassade wurde eine Passantin lebensgefährlich verletzt. Der OGH verwies darauf, dass die Hauseigentümerin selbst im Haus wohnt und täglich auf die Fassade sieht. Eine Gebäudesichtprüfung nach der B1300 hätte daher kein anderes Ergebnis gebracht.

In die Jahre

Bauingenieur Klaus Pohlplatz, der auch als Gutachter für Gebäudebegehungen arbeitet, nennt die häufigsten Mängel im mehrgeschoßigen Wohnbau. »Diese liegen hauptsächlich im Bereich Fassaden, speziell bei Hauptgesimsen.« Durch Undichtigkeiten im Bereich des Dachsaums, mangelhafte Wartung der Dachrinnen und dadurch bedingte Schäödigung der Gesimskonstruktion ergibt sich eine Absturzgefährdung von Putz und Ziegelteilen auf den Gehsteig. 

Bei Gründerzeithäusern ist speziell im Kellerbereich oftmalig eine mangelhafte bzw. unzureichende Beleuchtung anzutreffen. Vielfach sind auch Absperrventile, insbesondere von Gas und Wasser, nicht beschildert oder schwer zugänglich. Feuerwehrzufahrten und Fluchtwege müssen 4x jährlich kontrolliert werden. Hier ergibt sich vielfach das Problem, dass Bewohner Fluchtwege sowie Zugänge zu Sicherheitseinrichtungen verstellen.

Tiefgaragen werden durch die Ablagerung von Hausrat, Autoreifen und Benzinkanistern vielfach zur Brandlast. »Bei Elektroin­stallationen sehe ich weniger ein Problem, das wird ernster genommen und die vorgeschriebenen Kontrollen erfolgen regelmäßig«, berichtet Pohlplatz.  Im Neubau ist die Objektsicherheit durch Bauordnungen, Landesbaugesetze und die OIB-Richtlinien ausreichend gut geregelt. Bei Baustellen erfolgt die Umsetzung der Gefahrenprävention durch den Planungskoordinator nach dem gültigen Bauarbeitenkoordinationsgesetz.

Häufigste Mängel im mehrgeschoßigen Wohnbau

- Bereich Fassaden, speziell bei Hauptgesimsen
- mangelhafte Beleuchtung v.a. in Gründerzeithäusern
- fehlende Beschilderung, erschwerte Zugangsmöglichkeit zu Absperrventilen, insbesondere von Gas und Wasser
- eingeschränkte Zugangsmöglichkeit für Feuerwehr
- Brandlast Hausrat, Autoreifen, Ersatzkanister … in Tiefgaragen

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