Sonntag, Dezember 22, 2024
„Jetzt Abweichungen gezielt analysieren und gegensteuern“

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Drees & Sommer Österreich Geschäftsführer Marc Höhne über den Restart nach der Krise. Er verrät, wie Unternehmen die Zeit des Stillstands zur Optimierung von Baustellen und Projekten nutzen können, wie man Fehler der Vergangenheit beheben kann und wie Unternehmen die knapper werdenden Ressourcen effektiver einsetzen können.

Eine Baustelle, die längere Zeit stillgestanden ist, wieder hochzufahren, ist nicht immer einfach. Worauf muss beim Restart geachtet werden?
Marc Höhne: Das Wichtigste ist, dass der Stillstand einer Baustelle für das Projekt genutzt wird. Aus diesem Shutdown können sich auch Chancen ergeben. Ein echter Stillstand wäre die komplett falsche Herangehensweise. Man muss sich jetzt mit den Problemen und Herausforderungen auseinandersetzen, die in zwei, vier oder sechs Wochen auf ein Projekt zukommen. Die Probleme sind vielfältig, müssen jetzt sichtbar gemacht und vorausschauend abgearbeitet werden. Das beginnt bei vertraglichen Regelungen und geht über Projektorganisation bis zum Termin- und Ressourcenmanagement. Denn auch wenn die Baustellen jetzt wieder hochfahren, ist davon auszugehen, dass die Arbeitskraft nicht in dem Ausmaß vorhanden sein wird wie vor Corona. Viele Mitarbeiter kommen gar nicht ins Land. Die immer schon knappe Ressource Arbeitskraft wird jetzt noch knapper.

Was empfehlen Sie Unternehmen?
Höhne: Man muss die vorhandenen Ressourcen viel effektiver einsetzen. Darüber muss man sich jetzt Gedanken machen, nicht erst dann, wenn die Baustellen wieder am Laufen sind. Man muss priorisieren, wo auf der Baustelle der Druck am Größten ist. Gerade bei großen Baustellen ist das enorm wichtig.

Im regulären Baustellenbetrieb gibt es kaum die Möglichkeit, das Geschehen einmal anzuhalten und zu analysieren, was gut und was schlecht läuft. Ergeben sich daraus nicht auch Chancen?
Höhne: Das meine ich, wenn ich sage, man muss diesen Shutdown als Chance begreifen. Aufgrund der hohen Auslastung in den letzten Jahren waren sowohl Ausführende als auch Planende immer am Anschlag und am Rande des Machbaren. Gerade bei großen Projekten ist man mit der Planung oft hinten dran. Das kann man jetzt aufholen. Dafür muss man das Projekt an dieser Stelle aber noch einmal anschauen und ggf. neu aufsetzen sowie neue Methoden und Tools implementieren.

Welche Tools können das sein?
Höhne: Das gibt es mehrere Möglichkeiten. Das reicht von Lösungen wie Microsoft Teams bis zu geeigneter Software für Lean Management und anderen agilen Methoden. Damit kann man Abläufe auf den Prüfstand stellen und neu definieren. Denn diesen Prozess kann man nicht vorgeben. Da muss man alle Stakeholder an einen Tisch oder im aktuellen Fall in die Konferenz holen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Wir haben das in den letzten Wochen mit einigen Kunden gemacht und extrem gutes Feedback erhalten.

Unternehmen sehen und nutzen diese Chance des Stillstands also auch tatsächlich?
Höhne: Ja, wir haben diese Erfahrung gemacht. Viele Unternehmen wollen diese Zeit sinnvoll nutzen. Gerade Auftraggeber wollen wenn möglich digital weitermachen, das bietet sich insbesondere in der Planung an. Teilweise ergeben sich hier sogar Möglichkeiten eines ergänzenden Value Engineerings, für welches vorher die Zeit gefehlt hätte.

Wird das Thema Lean Management durch die Krise noch aktueller und wichtiger?
Höhne: Wir beschäftigen uns seit zehn Jahren mit dem Thema Lean. Wir haben aus verschiedenen Lean Ansätzen unsere eigene Methode entwickelt. Wir nennen das „Lean Construction Management“, im Anforderungsmanagement „Target Value Design“, in der Planung „agiles Design Management“ und auf der Baustelle „Lean Site Management“. Bei unseren eigenen Projekten arbeiten wir nur noch damit. Wenn wir die Bauaufsicht haben, ist Lean Site Management Pflicht. Mittlerweile haben wir über 400 abgewickelte Lean-Projekte, die meisten davon in Deutschland und der Schweiz, aber jetzt auch schon die ersten Projekte in Österreich. Wir sehen, dass Projekte deutlich transparenter werden und sich viel partnerschaftlicher abwickeln lassen als mit herkömmlichen Methoden.

Es ist daher ein großer Vorteil dieser Shutdown- und Restartphase, Projekte, die nicht perfekt gelaufen sind, mit allen Beteiligten jetzt evaluieren und optimieren zu können. Man kann Fehler analysieren und ausmerzen. Warum kam es zu Verzögerungen und was kann man dagegen machen. Vielleicht haben zwar alle nach einem Terminplan gearbeitet, der aber am Ende zu komplex und wenig transparent war sowie zu wenige Vorgaben beinhaltete, wo mit welcher konkreten Ressource gearbeitet werden soll. Man muss auch hinterfragen, wie man mit Störungen umgegangen ist. Wurde das Problem tatsächlich gelöst oder hat man nur versucht, es zu umgehen, indem man an anderer Stelle weitergearbeitet hat.

Wenn wir uns in diesen Prozess begeben, dann brechen wir den Gesamtprozess der Baustelle in Einzelbereiche runter und schauen uns jeden einzelnen genau an. Das funktioniert rückwärts betrachtet über die Gesamtprozessanalyse. In der darauffolgenden Prozessplanung werden dann in der Regel die Optimierungspotenziale freigelegt. Mit unserem Lean Construction Management erreichen wir über eine Taktung der Ressourcen am Ende einen deutlich effizienteren Einsatz. Wir können Spitzen glätten und sorgen so dafür, dass der Ressourceneinsatz für die Ausführenden besser planbar wird.

Sind Unternehmen, die schon in der Vergangenheit auf Lean Construction gesetzt haben, besser auf so eine Ausnahmesituation reagieren können?
Höhne: Unternehmen, die schon bislang auf Lean gesetzt haben, sind auf jeden Fall besser vorbereitet als andere. Das sind in erster Linie die Big Player, die auch international agieren. Für viele kleinere Unternehmen wird der Restart unter den beschriebenen Randbedingungen sicher eine enorme Herausforderung.

Wie wird die Branche aus Ihrer Sicht durch die Krise kommen? Mit welchen langfristigen Auswirkungen ist zu rechnen?
Höhne: Es wird wohl eine gewisse Marktbereinigung und sicher auch eine Verknappung der Ressourcen geben, vor allem im Bereich der Arbeitskräfte. Der Druck, zu bauen, bleibt aber hoch. Es gibt immer noch jede Menge Geld am Markt, das investiert werden will. Das wird auch nach der Krise nicht nachlassen. Es wird aber sicher in der einen oder anderen Asset-Klasse einen Einbruch geben, etwa im Bereich Hospitality. In den Asset-Klassen Wohnen und Büro sind wir uns aber sicher, dass der Druck, vielleicht mit leicht veränderten Vorzeichen, unverändert hoch bleiben wird.

 

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