Die politischen Vorschläge für leistbares Wohnen greifen zu kurz. Sie fassen die Ursachen für steigende Baupreise und anziehende Mieten nicht an, sagt Andreas Kreutzer. Im letzten Teil der Serie »Leistbares Wohnen« widmet er sich hemmenden Planungstraditionen, einer innovationsfeindlichen Grundstimmung und der trägen Politik.
Teil 3 der Serie "Leistbares Wohnen"
In der letzten Ausgabe des Bau & Immobilien Report haben wir gezeigt, wie die mangelnde Produktivität der Baubranche zum größten Hemmschuh der Wohnbauproduktion geworden ist. Ein Anheben der Produktivitätspotenziale wird auch durch eine vergleichsweise geringe Planungstiefe erschwert. Das hat vor allem traditionelle Gründe.
Der Zugang wurzelt in einer Zeit, in der der Handwerker vor Ort gewöhnlich über mehr Material- und Ausführungswissen verfügte als der beteiligte Architekt. Ob dieses Know-how auf den Baustellen auch noch heute im selben Ausmaß vorhanden ist, sei dahingestellt. Tatsache ist: Weil es schwerer ist, qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren, steigt der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte ohne österreichische Fachausbildung kontinuierlich, im Jahr 2018 alleine im BUAG-Bereich auf über 40 Prozent. Beschäftigte in TGA-Gewerken, bei Bodenlegern sowie Malern und Anstreichern also nicht einmal mitgezählt.
Unübersichtlicher Planungskrake
Nichtsdestotrotz hat sich am Planungsmodus nicht viel geändert, sieht man davon ab, dass eigene Haustechnikplaner zumindest im großvolumigen Wohnbau zur Norm geworden sind. BIM steckt ja noch in den Kinderschuhen. Speziell für Arbeiten im Ausbaubereich liegt aber nach wie vor vielerorts entweder nur eine rudimentäre Ausführungsplanung vom beauftragten Handwerksbetrieb vor oder manchmal nicht einmal eine solche. Als nicht förderlich für die Qualität des Planungsstandes erweist sich auch das im deutschen Sprachraum beliebte »baubegleitende Planen«.
Und das aus gutem Grund, stehen doch in vielen Bauprojekten durch den Bauherrn initiierte bzw. wegen Sondierungsmängeln notwendige Planungsänderungen quasi auf der Tagesordnung. Die ursprünglich als Effizienzmaßnahme ersonnene Planungsmethodik hat sich mittlerweile allerdings nicht nur zu einem unübersichtlichen Planungskraken entwickelt. Vielmehr lädt sie den Auftraggeber quasi dazu ein, selbst im weit fortgeschrittenen Bauprozess noch Planungsadaptionen zu bestellen.
Im besten Fall kommt es dadurch nur zu zeitlichen Verzögerungen. Im schlimmsten Fall müssen bereits ausgeführte Bauteile wieder rückgebaut werden. Allerdings sind nachträgliche Planungsänderungen und Sondierungsdefizite für die Bauunternehmen eine nicht unwesentliche Quelle zur Ertragssteigerung.
Denn die damit verbundenen finanziellen Nachforderungen an den Bauherrn sind gewöhnlich weitaus besser kalkuliert als das im Rahmen der Ausschreibung abgegebene Angebot. In den großen Baukonzernen sind die Abteilungen, die sich mit Claim Management befassen, mittlerweile stark angewachsen. Die Realisierung von leistbarem Wohnraum ist daher auch für die Bauwirtschaft eine Herkulesaufgabe. Denn am Ende des Tages geht es um nichts weniger als sich a) hinsichtlich der Bauprozesse aus der Komfortzone zu bewegen und b) die Geschäftsmodelle zu überdenken.
Innovationsfeindliche Grundstimmung
Dass es der Bauwirtschaft schwer fällt, Produktivitätspotenzial zu heben, liegt zudem aber auch in einer im ausführenden Sektor insgesamt innovationsfeindlichen Grundhaltung. Im Jahr 2015 (letzte verfügbare Zahlen) lag der Anteil der Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklungen (F&E) bei gerade einmal 0,35 Prozent der Bruttowertschöpfung. Der Wert für alle Wirtschaftsbereiche lag bei 2,3 Prozent, also nahezu dem Siebenfachen. Jetzt könnte man einwerfen, dass am Bau die Möglichkeiten für F&E eben beschränkt sind und die Innovationen in der Bauwirtschaft aus den vorgelagerten Wertschöpfungssegmenten, also der Zulieferindustrie kommen.
Das tun sie auch, werden aber oftmals von den planenden und ausführenden Gewerken nur zögerlich aufgenommen. Ein anschauliches Beispiel ist etwa der Einsatz von Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung. Obgleich es seit einigen Jahren taugliche Modelle gibt, die direkt mit den Fenstern montiert werden und wodurch man sich den üblichen Installationsaufwand zur Gänze erspart, setzt man nach wie vor auf klassische Systeme, die eine Montage von Lüftungskanälen erfordern. Smart Home macht sich zwar in der Presse ganz gut, tatsächlich werden Elektroinstallationen im Wohnbau aber nur äußerst selten als Bus-System ausgeführt.
Dabei ist nicht zuletzt die Verwendung dieser Technologie eine Voraussetzung dafür, dass mit vorgefertigten Wandsystemen gebaut werden kann, in die nicht nur die Leerverrohrung integriert ist, sondern bereits auch Kabel eingezogen sind. Denn nur beim Einsatz eines Installationsbus hat die Verkabelung keinen Einfluss auf die individuelle Schaltung. Die Liste mit mehr oder weniger gescheiterten Produktinnovationen könnte noch lange fortgesetzt werden.
Als Blockade erweisen sich in der Regel Partikularinteressen jener Gruppen, die sich durch eine Innovation, eine neue Technologie oder bloß durch ein alternatives Material bedroht fühlen. Und da infolge der arbeitsteiligen Planung und Produktion, der komplexen Zuliefererströme und des zum Teil widersprüchlichen ordnungspolitischen Rahmens die Anzahl der Stakeholder nahezu unüberschaubar ist, hockt im Prinzip hinter jeder Ecke ein Heckenschütze. Vielleicht ist es diese Erfahrung, warum es am Bau – überspitzt formuliert – ein Motto zu geben scheint: »Nur nicht rühren«, im wahrsten Sinne des Wortes.
Politik gefragt
Schlussendlich ist jedoch auch der Gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen, trägt doch auch er maßgeblich dazu bei, dass Wohnraum empfindlich teurer geworden ist. Abgesehen von den mitunter schwerfälligen Bewilligungsverfahren wurden in den letzten 30 Jahren die Bauordnungen und Förderbestimmungen mit Anforderungen überfrachtet, die mit Wohnen im eigentlichen Sinn manchmal nur peripher zu tun haben, beispielsweise die verpflichtende Einrichtung von Parkplätzen, Gemeinschaftsräumen, großzügigen Kinderspielplätzen uvm. Hinzu kommen rein politisch motivierte energie- oder sicherheitstechnische Vorgaben, wenn einschlägige Lobbys gut gearbeitet haben.
Eine Durchforstung der geltenden Rechtsnormen und eine weitgehend bundesweite Harmonisierung würden wahrscheinlich einen guten Teil der angedachten neuen Regelungen obsolet machen.
Notwendiges Maßnahmenbündel
Status quo: Nachfrage übersteigt Angebot
Maßnahme: Gefördertes Neubauvolumen weiter erhöhen, bis Leerstandsrate auf über sechs Prozent steigt
Staus quo: Steigende Grundstückspreise
Maßnahme: Baulandmobilisierung über befristete Flächenwidmung mit sinkender Nutzungsintensität; Abschöpfen von Umwidmungsgewinnen zugunsten des Bauherrn
Status quo: Langwieriger Bewilligungsprozess/unterschiedliche Bauordnungen
Maßnahme: Vorbewilligte Wohngebäude (Typenbewilligung), die bundesweit lediglich mit einer Baubeginnanzeige errichtet werden können
Status quo: Kaum Produktivitätsteigerungen
Maßnahmen: Logistik und Bauprozesse auf den Baustellen optimieren, durch deutlich höhere Planungstiefe. Nachträgliche Planänderungen durch Bauherren erschweren
Über den Autor
Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER, mit Sitz in Wien. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt KFP Unternehmen in der Marktanalyse, dem Business Development sowie in M&A-Projekten und Öffentliche Auftraggeber bei der Evaluierung von Programmen.
Vortrag: »Die Hürden zum leistbaren Wohnen«
Referent: Andreas Kreutzer
Dauer: ca. 60 Minuten
Preis: 4.990,– Euro zzgl Reisespesenund USt.