Teil 1 der Serie "Leistbares Wohnen"
Die politischen Vorschläge für leistbares Wohnen greifen zu kurz. Sie fassen die Ursachen für steigende Baupreise und anziehende Mieten nicht an. Eine ungeschminkte Analyse über Unvermögen und Partikularinteressen entlang der Wertschöpfungskette »Wohnbau«.
Wohnen« ist in Österreich ein mächtiger Wirtschaftsfaktor. Die Wertschöpfungskette »Wohnen« von der Baulandbereitstellung bis hin zum Facility-Management erwirtschaftete im Jahr 2018 eine Bruttowertschöpfung von rund 78 Milliarden Euro oder 21 Prozent des BIP. Allerdings sind seit dem Jahr 1980 auch die Baupreise im Wohnungs- und Siedlungsbau – inflationsbereinigt – um etwa 50 Prozent, die Mieten sogar um das Doppelte gestiegen. Die Eindämmung des Preisauftriebs bei den Wohnkosten zählt in Österreich daher zu den wichtigsten politischen Anliegen.
An Vorschlägen, dieses Ziel zu erreichen, mangelt es nicht. Die Palette reicht von der Mietpreisbremse über die Abschaffung der Maklergebühr für Wohnungssuchende bis hin zu gesetzlichen Regelungen zur Baulandmobilisierung. Wie immer man zu diesen Ideen stehen mag, eines haben sie gemein – im besten Fall lindern sie den Schmerz. Die dem Preisauftrieb zugrunde liegenden Probleme werden aber nicht angepackt. Denn dass Bauen und Wohnen immer teurer werden, dass sich also die Baupreise und noch mehr die Mieten seit rund 20 Jahren mehr und mehr von der Inflation abkoppeln, ist ursächlich in Bereichen verortet, die von der Politik entweder überhaupt nicht thematisiert werden, denen tatenlos gegenüber gestanden wird oder aber durch die Währungspolitik der EZB befördert werden.
Angebot und Nachfrage
Aber alles der Reihe nach. Am Beginn stehen wie in allen Wirtschaftssektoren Angebot und Nachfrage. Ja, auch wenn das so manche nicht hören wollen. Wohnraum ist eine Ware, fast wie jede andere auch. In einigen Punkten stärker gesetzlich geregelt, aber ansonsten frei handelbar. Nur in einem Punkt unterscheidet sich Wohnraum von anderen Waren und Dienstleistungen elementar – Grund und Boden ist ein endliches Gut. Während etwa der Erzeugung und dem Vertrieb von Haustüren theoretisch kein Limit gesetzt ist, kann Bauland auf die Lage bezogen nicht vermehrt werden. Angebot und Nachfrage sind daher immer lokal determiniert. Es hilft nichts, wenn Bauland im Waldviertel für acht Euro pro Quadratmeter angeboten wird, wenn sich die Nachfrage auf urbane und suburbane Zentren sowie die Siedlungsachsen konzentriert und dort das Angebot bei weitem übersteigt. Seit Beginn der 2000er-Jahre haben sich die Grundstückspreise österreichweit im Durchschnitt verdoppelt.
Alleine in den letzten drei Jahren lag der Preisauftrieb in Wien bei 145 Prozent, in Salzburg sogar bei 160 Prozent, in Linz und Innsbruck bei gut 80 Prozent. Im Wiener Umland zahlte man im letzten Jahr um bis zu 50 Prozent mehr als drei Jahre davor, in Westösterreich zwischen 40 und 55 Prozent. In anderen Regionen des Landes sind die Grundstückspreise hingegen gesunken, nicht zuletzt, weil trotz vergleichsweise geringer Nachfrage das Angebot stieg (es wurde überdurchschnittlich viel Agrarland in Bauland umgewidmet).
So sanken etwa seit 2015 die Baulandpreise in den Bezirken Hollabrunn und Horn um jeweils knapp 30 Prozent oder im Südburgenland um nahezu 40 Prozent. Die Entwicklung der Grundstückspreise ist zweifelsohne eine der wesentlichen Ursachen für die Verteuerung von neu errichteten Wohngebäuden in stark nachgefragten Regionen und indirekt auch im dortigen Gebäudebestand. Trotzdem fehlen bislang die politischen Konzepte, wie dem Preisauftrieb begegnet werden könnte, etwa durch befristete Flächenwidmungen mit sinkender Nutzungsintensität oder der Abschöpfung von Spekulationsgewinnen zugunsten der Bauherren.
Leerstand nötig
Begünstigt wird der Preisauftrieb durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Denn Wohnungseigentum ist mittlerweile nicht nur für private Anleger eine attraktive Anlagemöglichkeit. Zunehmend drängen auch institutionelle Investoren auf den Markt. Alleine im Jahr 2018 stieg deren Investment am österreichischen Markt um 173 Prozent gegenüber Vorjahr auf 3,6 Milliarden Euro. In keinem anderen europäischen Land war die Steigerungsrate des Transaktionsvolumens im vergangenen Jahr höher. Mittlerweile werden sechs von zehn neu errichteten Eigentumswohnungen nicht für den Eigenbedarf, sondern zur Weitervermietung gekauft. Die hohen Kaufpreise für Eigentumswohnungen schlagen dadurch voll auf die Mieten durch. Auch deshalb traf der Mietpreisauftrieb der letzten acht Jahre überproportional die Neuvermietung und hier insbesondere jene in Ballungsräumen.
Wer seine 75-Quadratmeter-Mietwohnung etwa Mitte der 80er-Jahre bezogen hat, zahlt heute im bundesweiten Durchschnitt inklusive Betriebskosten rund 420 Euro pro Monat. Wurde der Mietvertrag vor zwei Jahren abgeschlossen fallen für die gleiche Kategorie durchschnittlich 690 Euro an, also um etwa zwei Drittel mehr. In Ballungsräumen ist mit zumindest 800 Euro pro Monat zu rechnen. Wer nun meint, mit Mietpreisbremsen oder ähnlichen Maßnahmen entgegenhalten zu können, versteht die Systematik des Marktes nicht wirklich. Denn der einzige Feind der Immobilienbranche ist der Leerstand. In Wien beispielsweise liegt dieser bei Wohnungen nach wie vor bei knapp zwei Prozent des Gebäudebestands. Möchte man Druck auf die Mietpreise ausüben, funktioniert das nur über eine steigende Leerstandsrate. Bei Gewerbeimmobilien liegt der Tipping Point bei sechs Prozent. Wenngleich also aktuell die Wohnbauproduktion brummt, wird nach wie vor zu wenig gebaut, um über einen signifikanten Leerstand Druck auf die Mieten auszuüben.
Steuerungsfunktion abgegeben
Eigentlich wurde die Wohnbauförderung seinerzeit als politisches Vehikel für eine hohe, leistbare Wohnbauproduktion konzipiert. Heute ist davon weniger übrig. Die öffentliche Hand zieht sich quantitativ mehr und mehr von ihrer steuernden Rolle zurück. Lag die Neubau-Förderquote im Geschoßwohnbau in den 1990er-Jahren noch bei über 90 Prozent, wurde in den letzten Jahren nur noch jede zweite Wohnung mit einer Förderung errichtet. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sank der Anteil des geförderten Neubaus in den letzten Jahren sogar unter 30 Prozent. Im Gegenzug werden die qualitativen Auflagen für geförderte Wohnungen von Jahr zu Jahr höher, quasi analog zum allgemeinen politischen Trend: »Mehr mitreden, aber substanziell weniger beitragen.«
Lesen Sie in den nächsten Folgen der Report-Serie:
Teil 2: Sinkende Produktivität und wenig Industrialisierung
Teil 3: Fehlende Planungstiefe und innovationsfeindliche Grundstimmung
Vortrag:
»Die Hürden zum leistbaren Wohnen«
- Referent: Andreas Kreutzer
- Dauer: ca. 60 Minuten
- Preis: 4.990,– Euro zzgl Reisespesen und USt.
Der Autor:
Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER mit Sitz in Wien. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt KFP Unternehmen in der Marktanalyse, dem Business Development sowie in M&A-Projekten und öffentliche Auftraggeber bei der Evaluierung von Programmen.