Von einer Vorrichtung zur Hangabsicherung über Fundamente für Windräder und neue Verschlusselemente für Fenster bis zu neuen Ortbetonschutzwänden: Jedes Jahr werden am österreichischen Patentamt rund 300 Patente aus dem Bauwesen angemeldet. Der Bau & Immobilien Report hat sich angesehen, in welchen Unternehmen die klügsten Köpfe sitzen.
Die heimische Bauwirtschaft ist besser als ihr Ruf. Zumindest wenn es um das Thema Innovation geht. Dass die Branche erzkonservativ und veränderungsunwillig ist und nur auf das vertraut, was sich seit Jahrzehnten oder mehr bewährt hat, ist ein hartnäckiges, aber auch falsches Vorurteil. Das zeigen nicht nur neue Methoden wie BIM oder Lean Construction, sondern lässt sich auch anhand von harten Zahlen und Fakten überprüfen.
In den letzten fünf Jahren wurden am österreichischen Patentamt in der Kategorie »Bauwesen« 1.619 Patente und Gebrauchsmuster (siehe auch Glossar) angemeldet. »Österreich ist in vielen Bereichen, die zum Bauwesen gehören, extrem gut und erfinderisch. Das reicht von Textilbeton über energieproduzierende Gebäude bis hin zu den kleinsten Details bei Möbeln«, bestätigt auch die Präsidentin des österreichischen Patentamts Mariana Karepova. Ebenso groß wie die Produktvielfalt ist auch die Bandbreite der Patentanmelder; sie reicht vom Großkonzern bis zum berühmten Garagentüftler.
Viele KMUs und Start-ups unterschätzen laut Karepova aber immer noch, wie wichtig Patente sind, um die eigenen Ideen zu schützen. »Patente sind daher für jeden, der mit seinen Erfindungen ins Geschäft kommen möchte, unentbehrlich. Sie gewähren den Inhaberinnen und Inhabern eine Art Monopol für die Herstellung und den Vertrieb ihrer Erfindung. Und wenn sie selbst nicht produzieren oder vertreiben möchten oder können, können sie Dritten mit einer Lizenz die Erlaubnis dazu erteilen«, erklärt Karepova. Außerdem kann man nur mit einem Patent oder mit einer registrierten Marke wirksam gegen Fälscher vorgehen.
Die Top-Innovatoren
Der Bau & Immobilien Report hat sich die Patentanmeldungen der letzten fünf Jahre am österreichischen Patentamt genauer angesehen und daraus ein Ranking der innovativsten Branchenvertreter erstellt. Darin finden sich Bauunternehmen ebenso wie Baustoffhersteller, Fensterproduzenten oder Entwickler von Spezialbaumaschinen. Dass die Namen der ganz großen internationalen Player fehlen, liegt darin, dass Unternehmen wie etwa Wienerberger, die ihre Produkte weltweit vertreiben, gleich den Weg zum europäischen Patentamt wählen.
Den ersten Platz in Österreich sichert sich mit Respektabstand die Julius Blum GmbH. Gerade bei den insgesamt 129 Patenten von Julius Blum zeigt sich, dass nicht jedes Patent für eine bahnbrechende Neuerung oder echten Game Changer steht. Oftmals sind es auch nur kleine Weiterentwicklungen von Details.
Hinter dem Hersteller von Spezialbaumaschinen Plasser & Theurer mit 80 Patenten belegt mit EVVA ein Unternehmen den dritten Platz, dessen innovativer Anspruch schon im Namen steckt. 1919 als Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-Anstalt gegründet, zählt EVVA heute mit 382 aufrechten Patenten zu den weltweit bedeutendsten Herstellern von mechanischen und elektrischen Schließsystemen. Dabei setzt EVVA sowohl auf eine hausinterne Forschungs- und Entwicklungsabteilung, arbeitet aber auch mit Institutionen wie der TU Wien oder externen Technologiepartnern zusammen. »Unser Anspruch ist es, langlebige Produkte in höchster Qualität selbst zu erfinden und weiterzuentwickeln«, erklärt Stefan Ehrlich-Adam, CEO der EVVA Gruppe.
Dafür werden jährlich rund fünf Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. Messbares Ergebnis sind 14 Patente, die in den letzten fünf Jahren neu hinzugekommen sind. Die Kirchdorfer Gruppe investiert in Schwerpunktjahren bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes in Forschung und Entwicklung. Daraus sind in den letzten fünf Jahren elf neue Patente entstanden, darunter mit Zero-Debris Concrete ein abplatzungsfreier Beton für Fahrzeugrückhaltesysteme und mit Steelbloc eine Stahlschutzplanke, die beweist, dass die Kirchdorfer-Gruppe mehr als nur ihr Kerngeschäft mit Zement und Beton beherrscht. »Erfolgreiche Innovationen, vorausschauende Ideen, höchste Qualität und führende Technologie ermöglichen uns, Märkte zu formen und unsere Marktposition zu behaupten und weiter auszubauen. Dies zieht sich durch alle Sparten. Innovation ist für uns sowohl Antrieb als auch Erfolgsrezept«, erklärt Thomas Edl, Spartenleiter Road & Traffic in der Kirchdorfer Gruppe.
Glossar
Zwischen Patent und Gebrauchsmuster gibt es kleine, aber wesentliche Unterschiede. Ein Patent schützt eine technische Erfindung. Um ein Patent zu bekommen, muss diese Erfindung wirklich neu sein. Alles, was vor der Anmeldung irgendwo auf dieser Welt, auf welche Weise auch immer, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist Stand der Technik und damit nicht mehr neu.
Beim Gebrauchsmuster wird nicht wie beim Patent so lange geprüft, bis schützbare Ansprüche vorliegen, sondern die Neuheit recherchiert. Ein Gebrauchsmuster schützt eine Erfindung in Österreich genauso wie das Patent. Man benötigt dieselben Anmeldeunterlagen wie bei einer Patentanmeldung, aber es gibt Unterschiede im Verfahren, in der Schutzdauer und auch bei den Kosten.
Die Kosten für ein Patent inkl. Schriftengebühr, Verfahren, Erteilung und Veröffentlichung belaufen sich auf 530 Euro. Jahresgebühren sind erst ab dem sechsten Jahr fällig. Diese bewegen sich von 104 Euro ab dem sechsten Jahr bis 1.775 Euro für das 20. und damit letzte Jahr. Die Kosten für ein Gebrauchsmuster inkl. Schriftengebühr, Verfahren, Erteilung und Veröffentlichung belaufen sich auf 321 Euro. Jahresgebühren sind hier ab dem vierten Jahr fällig und reichen von 52 Euro bis 470 Euro für das zehnte und damit letzte Jahr. Der Nachteil gegenüber einem Patent ist, dass Dritte einen Nichtigkeitsantrag stellen könnten.