Sonntag, Dezember 22, 2024
ToolSense: Baumaschinen intelligent vernetzen

»Die jungen Wilden«: Teil 1 der Serie über Startups, die die Bauwirtschaft verändern (könnten)

Mit Lösungen wie ToolSense können Hersteller von Baumaschinen und -geräten zu echten Partnern der Bauunternehmen werden, mit dem Ziel, die Produktivität zu steigern, ist Mitgründer und CEO Alexander Manafi überzeugt. Vernetzt und mit jeder Menge Intelligenz ausgestattet, können Störungen prognostiziert und die Lebensdauer verlängert werden. Außerdem sind Lösungen wie ToolSense die Basis für künftige Pay-per-use-Modelle. »Und die werden auf jeden Fall kommen«, ist Manafi überzeugt.

Der Startschuss für ToolSense fiel im Jahr 2016. Weil sie immer wieder von Maschinen- und Gerätediebstählen auf Baustellen gehört haben, entwickelten Benjamin Petterle, Rostyslav Yavorskyi, Stefan Öttl und Alexander Manafi in ihrer Freizeit eine eigene Anti-Diebstahl-Lösung. Aus der Freizeitbeschäftigung wurde ein Seminarprojekt an der FH Technikum und nachdem sie einen ersten Prototyp entwickelt haben, beschlossen die vier Freunde, aus der Idee ein richtiges Unternehmen zu machen.

»Wir haben begonnen, mit möglichen Kunden und Partnern zu sprechen und schnell gemerkt, dass es einen Markt gibt«, sagt der heutige CEO von ToolSense, Alexander Manafi. Mittlerweile beschäftigt ToolSense 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sieben Nationen und arbeitet mit mehr als 25 Herstellern von Baumaschinen und Baugeräten in Europa und den USA zusammen. Der Unternehmensgegenstand hat sich im Laufe der Jahre aber geändert: Weg von Anti-Diebstahl-Lösungen, hin zu Predictive Maintenance, der voraus schauenden Wartung.

Details dazu verrät Manafi im Report-Interview.

Report: Predictive Maintenance ist ein absolutes Trendthema der Branche. Was unterscheidet die ToolSense-Lösung von anderen Lösungen?

Alexander Manafi: Uns geht es in erster Linie darum, die Produktivität eines Gewerkes zu erhöhen. Basis dafür ist das Internet der Dinge. Allerdings setzen wir technologisch nicht auf Cloudlösungen sondern auf eine Ultra Edge-Technologie. Das heißt, wir bringen die Daten weg von der Cloud hin zum äußersten Rand des Netzwerks, also den Geräten und Maschinen selbst.

Dafür haben wir unser ToolSense-Modul entwickelt, in das wir anders als bei klassischen Telematik-Lösungen richtig viel Intelligenz gepackt haben. Das sind eigentlich richtige kleine Computer, die mithilfe von Machine Learning erkennen, ob Störungen unmittelbar bevorstehen.

Report: Welche Vorteile hat diese Technologie gegenüber klassischen Cloudlösungen?

Manafi: Diese Elektrowerkzeuge und auch kleinere Maschinen sind extrem preissensitiv. Das sind keine Kettenbagger. Da muss man sehr kostensparend arbeiten. Wie viele Daten schickt man überhaupt hoch, was ist relevant? Bei einem Kombibohrer generieren wir innerhalb von ein paar Arbeitsstunden mehrere Gigabyte an Daten.

Das alles in die Cloud zu schicken und dort auszuwerten, ist gar nicht möglich oder zumindest nur sehr eingeschränkt. Deshalb sitzt bei uns die Intelligenz direkt am Modul und es müssen nur noch ein paar Megabyte an relevanten Daten in unsere Cloud oder die Cloud des Hersteller hochgeschickt werden. Der große Rest wird einfach weggeschmissen. Von der Cloud gehen die aufbereiteten Informationen dann an das Frontend oder die Smartphone-App.

Report: Was genau passiert dann am Gerät?

Manafi: Wir sammeln mittels Sensoren auf den Geräten zahlreiche Daten. Und mithilfe von künstlicher Intelligenz trainieren wir ein neurales Netz, das eine drohende Störung automatisch erkennen kann. Uns ist es gelungen, eine Lösung zu entwickeln, die so klein und effektiv ist, dass sie am Gerät selbst laufen kann.

Report: Welche konkreten Informationen können Sie auslesen?

Manafi: Bleiben wir beim Beispiel des Kombibohrers. Wir können erkennen, in welchem Modus die Maschine genützt wird, wie viele Schrauben reingedreht werden. Mit unserer Lösung kann man auch nachvollziehen, ob ein Gerät richtig eingesetzt wird und damit die Wartungskosten deutlich reduzieren.

Damit können wir die Lebensdauer vorhersagen und verlängern, aber auch erkennen, in welchen Bereichen vielleicht Nachschulungen für die Mitarbeiter nötig oder hilfreich sein könnten. Bei einem Winkelschleifer kann man etwa genau auslesen, wie oft die Scheibe stecken bleibt oder überhitzt. Damit kann man sowohl die Sicherheit als auch die Produktivität erhöhen.

Report: Ist ToolSense auch mit anderen Systemen kompatibel oder proprietär aufgebaut?

Manafi: Wir haben eine Schnittstelle, mit der ToolSense in jedes System integriert werden kann. Damit können die Maschinendaten auch im ERP- oder Projektmanagementsystem abgerufen werden.

Report: Wie stark ist die Nachfrage bei Maschinenherstellern und Bauunter-  nehmen?

Manafi: Es beschäftigen sich derzeit eigentlich alle Hersteller mit dem Thema. Auch bei den Bauunternehmen wächst das Bewusstsein speziell in Hinblick auf BIM und Produktivitätssteigerungen.

Report: Ist ToolSense jetzt schon BIM-fit?

Manafi: Noch nicht, aber wir arbeiten daran. Es geht auf jeden Fall in diese Richtung.

Report: Sie sind ein Quereinsteiger in die Bauwirtschaft. Wie würden Sie generell den Digitalisierungsgrad der Branche einschätzen?

Manafi: Ich komme ursprünglich aus dem Industrie 4.0-Bereich und habe dort viel Erfahrung gesammelt, die mir jetzt in der Bauwirtschaft zugute kommt. Die Industrie ist natürlich sehr viel weiter, einfach weil es sich um lineare Prozesse handelt. Aber wir sehen schon, dass die Dynamik in der Branche deutlich zunimmt.

Allerdings sind aktuell aufgrund der guten Konjunktur die Prioritäten anders verteilt. Jetzt machen sich die meisten Bauunternehmen Gedanken, wie sie ihre Baustellen abschließen können, und nicht welche Daten die Maschinen liefern. Aber gerade in Hinblick auf die Zukunft, auf Effizienz- und Produktivitätssteigerungen führt auch für die Bauunternehmen kein Weg an der Digitalisierung vorbei.

Report: Im Individualverkehr gibt es immer mehr Sharing-Angebote. Werden diese Pay-per-use-Modelle auch bei Baumaschinen und -geräten an Bedeutung gewinnen?

Manafi: Absolut. Ich bin überzeugt, dass der Trend dahin geht, nur für die Leistung zu zahlen, die man auch tatsächlich benötigt. Man zahlt dann nicht mehr wie jetzt einfach für eine gewisse Zeit, sondern auch dafür, was man mit einem Gerät macht. Die technologische Basis dafür sind das Internet der Dinge und Lösungen wie ToolSense. Ohne exakte Maschinendaten gibt es keine Pay-per-use-Modelle. Und wenn die Konjunktur abflaut, werden diese Themen auch für Bauunternehmen an Bedeutung gewinnen.

Und auch für die Hersteller wird das Thema immer wichtiger, um sich zu differenzieren, speziell bei kleinen Maschinen. Überspitzt formuliert ist ein Akkuschrauber wie der andere. Worauf es ankommt, sind die Dienstleistung und das Service. Damit können Hersteller zu echten Partnern werden, die helfen, die Produktivität zu steigern. Dafür braucht es auch neue Geschäftsmodelle. Wie kommen die Geräte zum Nutzer? Wie stelle ich die Verfügbarkeit sicher? Wie wird verrechnet?  

Report: Wie konkret können diese neuen Geschäftsmodelle aussehen?

Manafi: Es gibt das schöne Wort »Servitization«. Für die Maschinenhersteller bedeutet das, weg vom reinen Verkäufer, hin zu product enabled services. Die Hersteller müssen sich die Frage stellen, welche Services sie rund um die Maschinen anbieten können, damit die Kunden bestmöglich arbeiten und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Das ist die Zukunft.

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