Sonntag, Dezember 22, 2024
Der Allianzvertrag  aus Sicht des Auftragnehmers
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Das Gemeinschaftskraftwerk Inn GKI ist das erste Projekt im deutschsprachigen Raum, das als Allianzvertrag abgewickelt wird. Auftraggeber GKI Gmbh zieht eine äußerst positive Zwischenbilanz, schließlich können bis zu zehn Prozent der Kosten gespart werden und es herrscht unmittelbar nach Projektabschluss absolute Rechtssicherheit. Aber auch das Fazit der Auftragnehmer fällt positiv aus, denn sie müssen nicht mehr fürchten, auf etwaigen Mehrkosten sitzen zu bleiben. Außerdem wurde für den Fall des unverschuldeten Überschreitens der Zielkosten mit dem AG eine entsprechende Vergütung vereinbart. Teil 2 der Serie.

Ende 2014 fiel in der Tiroler Gemeinde Prutz der Startschuss für das Gemeinschaftswerk Inn. Es handelt sich dabei um das seit vielen Jahren größte Flusskraftwerksprojekt Österreichs, das nach der Fertigstellung jährlich über 400 Millionen kWh nachhaltigen CO2-freien Strom aus Wasserkraft erzeugen soll.  Ein wesentlicher Teil des Projekts ist ein knapp 22 km langer Triebwasser­stollen, für den rund eine Million Kubikmeter Gestein aus dem Berg gebrochen werden. Aufgrund des für beide Seiten unbefriedigenden Baustellenfortschritts wurde Ende 2016 den Vertrag mit dem damaligen Auftragnehmer aufgelöst und die Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH beschloss, das Projekt in Form eines Allianzvertrags nach australischem Vorbild fortzuführen. Vereinfacht gesagt versuchen Allianzverträge, »die Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten auf ein gemeinsames Ziel, die bestmögliche Realisierung eines Bauprojekts, auszurichten«, erklärt Daniel Deutschmann, Experte für alternative Vertragsmodelle bei Heid und Partner Rechtsanwälte. Während in Australien rund ein Drittel aller Tief- und Infrastrukturbauprojekte als Allianzvertrag ausgeschrieben wird, betraten beim Gemeinschaftskraftwerk Inn sowohl Auftraggeber als Auftragnehmer, eine ARGE aus Strabag, Jägerbau und Hinteregger, absolutes Neuland im deutschsprachigen Raum.

Im Gegensatz zum hierzulande üblichen Claim Management wird bei Allianzverträgen die Zufriedenheit einer Partei nicht auf Kosten der anderen erreicht. Einen wesentlichen Unterschied stellt das dreistufige Vergütungsmodell dar. Stufe 1 enthält die tatsächlichen Kosten, Stufe 2 die Overheadkosten und einen Teil des Gewinns und Stufe 3 eine Bonus/Malus-Systematik auf Basis von im Vorfeld errechneten Zielkosten. Aus der Differenz von Ziel- und tatsächlichen Kosten ergibt sich bei Kostenunterschreitung ein Bonus und bei Kostenüberschreitung ein Malus. Bei Kostenüberschreitungen werden nur die tatsächlichen Kosten erstattet, bei Kostenunterschreitung haben die Allianzpartner Anrecht auf eine prozentuelle Beteiligung der Unterschreitungskosten. Es gewinnen oder verlieren also alle Beteiligten gleichermaßen, Win-lose-Situationen sind ausgeschlossen.

Vorteile Auftraggeber

Für die Auftraggeber versprechen Allianzverträge eine deutlich erhöhte Planungssicherheit. »Wenn das Projekt beendet ist, ist auch die Abrechnung beendet. Es gibt keine jahrelangen Gerichtsstreitigkeiten und keine offene Forderungen, die ich in der Bilanz zurückstellen muss«, erklärt Johann Herdina, Vorstand des GKI-Mehrheitseigentümers Tiwag. Zudem haben Berechnungen ergeben, dass durch den Allianzvertrag Einsparungen von sechs bis neun Prozent lukriert werden können. Entsprechend positiv fällt Herdinas Zwischenfazit zum GKI aus. Deshalb plant die Tiwag, schon im Herbst ein weiteres Kraftwerksprojekt als Allianzvertrag auszuschreiben (siehe auch Bau & Immobilien Report Ausgabe 4 Seite 24). 

Vorteile Auftragnehmer

Auftragnehmer wiederum haben bei Allianzverträgen die Gewissheit, nicht auf ihren eventuellen Mehrkosten sitzen zu bleiben. Wirklich verdienen können sie allerdings nur bei einer Unterschreitung der Zielkosten. Das wird im konkreten Fall des Gemeinschaftskraftwerks Inn aufgrund der schwierigen und so nicht erwarteten geologischen Verhältnisse nicht gelingen. Doch obwohl der Allianzvertrag im konkreten Fall zu einem reinen Kostenerstattungsvertrag mutiert ist, fällt auch das Fazit der Auftragnehmer positiv aus. »Der große Vorteil von Allianzverträgen liegt in der partnerschaftlichen Abwicklung der Projekte auf Augenhöhe, mit dem gemeinsamen Ziel einer qualitativen aber zugleich kostenoptimierten Leistungsdurchführung, sowie die zeit- und kostensparende Problemlösungsmethodik«, erklärt Franz Urban, Unternehmensbereichsleiter Tunnelbau bei der Strabag.

Dass die schöne Theorie der kooperativen Projektabwicklung auch tatsächliche Auswirkungen auf den Baustellenalltag hat, bestätigt Bauleiter Robert Wäger. »Alle Beteiligten ziehen an einem Strang. Dazu kommt, dass durch diesen wertschätzenden und vertrauensvollen Umgang deutlich schneller gemeinsam Lösungen bei auftretenden Problemen gefunden werden als bei herkömmlichen Baustellen.« Außerdem sind die Ausfallzeiten bei sämtlichen Mitarbeitern signifikant niedriger als bei vergleichbaren Baustellen. Beweisen kann er es zwar nicht, aber Wäger ist überzeugt, dass auch dies ein Ergebnis der Vertragsform ist, die eine positive Arbeitsatmosphäre fördert. Ähnliche Erfahrungen mit deutlich reduzierten Ausfallzeiten hat die Strabag übrigens auch bei anderen partnerschaftlich abgewickelten Baustellen gemacht. 

Die Haupterkenntnis für Wäger ist aber, dass man bei Allianzverträgen mit einer deutlich schlankeren Organisation arbeiten kann als bei vergleichbaren Projekten auf herkömmlicher Vertragsbasis. »Ein wesentlicher Grund dafür ist der Wegfall Claim Managements.« Das betreffe nicht nur die Nachforderungen an sich, sondern auch dazugehörende umfassende Dokumentation.

Die Erfahrungen aus dem Allianz-Pilotprojekt GKI zeigen, dass Adaptierungen beim Bonus/ Malus System interessant für Auftraggeber und Auftragnehmer sind. Die kooperative Vertragsform hat aber auf jeden Fall Zukunft, und deshalb wird die Strabag das Thema weiter vorantreiben. »Wir sind an alternativen Vertragsabwicklungsmodellen, darunter auch Allianzprojekten, sehr interessiert und werden an entsprechenden Ausschreibungen teilnehmen sowie in Abstimmung mit Bauherren derartige Projekte auch in Zukunft gerne mitentwickeln«, so Unternehmensbereichsleiter Tunnelbau Franz Urban.


Was Allianzverträge anders machen

Die wesentlichen Punkte, in denen sich Allianzverträge von herkömmlichen Vertragsmodellen unterscheiden:

Risk-Sharing-Ansatz: Bei Allianzverträgen wird zusätzlich zu den Risikobereichen von Auftragnehmern und Auftraggebern eine gemeinsame Risikoebene eingeführt. Durch die gemeinsame Risikoübernahme steigt das Bestreben, auch gemeinsame Lösungen zu finden.

Vergütungsmodell: Allianzverträge bauen auf einem dreistufigen Vergütungsmodell auf. Stufe 1 enthält die tatsächlichen Kosten, Stufe 2 die Overheadkosten und einen Teil des Gewinns und Stufe 3 eine Bonus/Malus-Systematik auf Basis von im Vorfeld errechneten Zielkosten. Aus der Differenz von Ziel- und tatsächlichen Kosten ergibt sich bei Kostenunterschreitung ein Bonus und bei Kostenüberschreitung ein Malus, wobei der Malus mit dem Gewinn aus Stufe 2 begrenzt ist.

Organisationsstruktur: Auftraggeber und Auftragnehmer besetzen gemeinsam eine hierarchische Projektgesellschaft, die ähnlich aufgebaut ist wie ein Unternehmen.

Problemlösung: Probleme werden innerhalb der Projektallianz gelöst. Es geht nicht um eine Fehlerzuweisung, sondern darum, so schnell wie möglich alle Ressourcen für die Projektlösung zu aktivieren.

Auswahlverfahren: Bei der Auswahl des passenden Auftragnehmers geht es darum, das beste Team für ein Projekt zu finden. Weil ohnehin die tatsächlichen Kosten vergütet werden, kann der Preis in den Hintergrund treten. Ein funktionierendes, harmonisches Team erhöht aber die Chancen auf ein erfolgreiches Projekt, wovon beide Seiten monetär profitieren.


Auftragnehmer und Allianzverträge: Lessons learned

Permanentes Value Engineering: Durch die Gleichschaltung der unmittelbaren monetären Ziele und der Bonus/Malus-Regelungen findet ein permanenter Value-Engineering-Prozess statt, welcher ohne formelle zusätzliche Regulierung funktioniert

Kostenminimierung: Bei üblichen Vergaben sind Anfechtungen ein beachtliches Zeit- und Kostenthema. Bei Allianzverträgen entfällt das Hauptkriterium »Angebotspreis«. Eine Vergabe ohne Angebotspreis versetzt den AG in die Lage, an jenen Bieter anfechtungssicher zu vergeben, der für das Projekt aufgrund seiner Firmen- und Personalreferenzen, seiner Angebotsunterlagen sowie seiner projektspezifisch erarbeiteten umsetzbaren Ideen am besten geeignet erscheint. Durch das Partnerschaftsmodell entfallen auch Teile der oft überbordenden Baustellendokumentation.

Freie Ressourcen für den Baubetrieb: Bei klassischen Baustellen ist ein erheblicher Teil der Ingenieure mit allen Facetten des Nachtragsmanagement beschäftigt. Beim GKI hingegen kommt eine sehr schlanke Bauleitungsorganisation zum Einsatz, die dennoch ausreichend Zeit findet, den Baubetrieb zu optimieren und die im Zuge der Arbeitsvorbereitung permanentes Value Engineering betreibt.

Problemlösung im Sinne »best for the project«: Die einstimmige Erfüllung des Allianzauftrages »best for the project« ist im Rahmen der Allianzorganisation ungleich leichter und schneller umsetzbar als bei sonst üblichen AG-Entscheidungsstrukturen und hat in keiner Situation zu längeren Diskussionen geführt.

Quelle: »Allianzvertrag am GKI« von Klaus Mitteregger und Robert Wäger (Auszug)

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