Schallschutz zum Außenraum wird primär mit dem Bereich Fenster assoziiert. Die Fassade stellt jedoch ebenfalls einen wesentlichen Faktor dar.
Dem Thema Schall und Akustik wird bei der Planung von Gebäuden noch zu wenig Beachtung geschenkt. Das haben mehrere Fachleute der Baubranche dem Bau & Immobilien Report bestätigt. Dabei kann gerade in Gebieten mit höherem Verkehrsaufkommen die Lärmbelastung mit der richtigen Wahl von Baustoff, Konstruktion und Geometrie spürbar reduziert werden. Die wirksame Schalldämmung einer Raumaußenwand wird in der Regel durch die Fensterflächen bestimmt. Nachträglicher Schallschutz lässt sich oft nur mit hohem baulichen Aufwand erreichen.
Schallregulator Fenster
Schallschutzfenster und -türen sind eine Lösung, die Reduzierung der Lärmübertragung lässt sich vor allem durch die Vermeidung großflächiger Verglasung erzielen. Weiters zu berücksichtigen: Je dicker die Einzelscheibe der Isolierverglasung, desto besser wirkt sich das zwar auf die Schalldämmung aus, es ist aber ungünstig für den oberen Frequenzbereich von 1.600/2.000 Hertz, da muss man dann Verbundgläser einsetzen.
Ungünstig wirkt sich auch die moderne Raumgestaltung aus. »Kahl gestaltete Räume mit glatten Oberflächen, glatten Möbeln, ohne akustisch wirksame Raumtextilien, führen zu einem höheren Schallpegel im Raum«, bemerkt Heinz Ferk, Leiter des Labors für Bauphysik an der TU Graz.
Bild oben: Der Trend zu Großflächenverglasungen ist eine Herausforderung an den Schallschutz.
Es gibt zwar speziell absorbierende Oberflächen, eine einfache Möglichkeit hier sind aber gut zB. mit Polstermöbeln, Vorhängen, Teppichen, aber auch akustisch wirksamen Raum- und Deckenpaneelen ausgestattete Räume. Begrünungen an der Fassade könnten die Lärmbeeinträchtigung zwar auch reduzieren, es besteht aber das Problem der Reinigung und laufenden Erhaltung, denn absorbierend oder gar begrünt bedeutet uneben und wartungsintensiv.
Auf eine Hightech-Lösung weist das IBO hin – die aktive Schallunterdrückung oder active noise control. »Mit einem Mikrofon wird das eindringende Geräusch gemessen, ein schneller Prozessor erzeugt ein Gegengeräusch, das über Lautsprecher die Quelle neutralisiert«, erklärt Bauakustikexperte Franz Dolezal. »Das funktioniert in sehr kleinen Volumina recht gut (Kopfhörer, Auto) ist aber schwierig bei ganzen Räumen und würde entsprechende Bautiefen für die tiefen Frequenzen erfordern.«
Grenzen der Optimierung
Die erste Assoziation bei Lärm und Schall lautet Optimierung der Glasflächen, d.h. höherer Schallschutz bei Fenstern und Türen. Dem steht aber der Trend der modernen Architektur Richtung großflächiger Verglasung entgegen, wodurch der Schallschutz minimiert wird. »Es gibt zudem eine Systemgrenze für Rahmen und Flügel«, betont Thomas Walluschnig, Geschäftsführer Osteuropa bei Internorm und stellvertretender Präsident beim Verein Plattform Fenster Österreich. »Ich kann kein 500 kg schweres Schallschutzglas einbauen, weil das Gesamtsystem es nicht trägt.«
Ein Problem ist auch, dass aufgrund der Wärmedämmung das Fenster aus der tragenden Ebene in die Dämmebene hinausgesetzt wird. Auch damit geht Schallschutz verloren. Die TU Graz weist darüber hinaus auf ein Temperaturproblem hin: Verbundglasscheiben weisen zwar prinzipiell eine deutlich bessere Schalldämmung auf als gleich dicke Einzelscheiben. Die Schalldämmung nimmt jedoch in der kalten Jahreszeit bei diesen Gläsern durch die steifer werdende Folie in der Verbundglasscheibe etwas ab.
Können <-> Wollen
Laut der Plattform Fenster ist die Erfüllung hoher Schallschutzanforderungen keine Frage des Wollens, sondern des Könnens. Die österreichische Fensterindustrie lässt sich dennoch nicht entmutigen. Actual erhöht den Schalldämmwert des Fensters mit speziellen Gläsern und der Rahmenausstattung. Gut schalldämmende Varianten und kostenmäßig vertretbare Gläser liegen in einem Bereich von 39 dB bis 46 dB. Bei noch höheren Schalldämmwerten sind besonders starke Spezialgläser notwendig, die jedoch die Kosten des Produktes unverhältnismäßig erhöhen und dabei oft schlechtere Wärmedämmwerte aufweisen.
Bild oben: Das Branchenthema Schallschutz muss rasch vorangetrieben werden, es gibt noch viel Entwicklungspotenzial. Die TU Graz forscht zurzeit z.B. an der Ertüchtigung größerer Fassadenflächen. »Hier tritt auch das Problem der Schall-Längsleitung zwischen den Nutzungseinheiten auf«, betont Heinz Ferk. (Im Bild: Messung der Schalldämmung an einer Glasfassade im Labor der TU Graz)
»Manchmal ist zu beobachten, dass in Städten extreme Schallschutzwerte ausgeschrieben werden, was zu unverhältnismäßigen Kosten und sogar dazu führt, dass sie mit einer modernen serienmäßigen Fensterrahmen-Konstruktion technisch nicht mehr realisierbar sind«, zeigt Geschäftsführer Ingo Ganzberger auf. Nächtliche Lüftungserfordernisse zur Vermeidung von sommerlicher Überwärmung im Raum stehen zudem oft in krassem Widerspruch zu der geforderten hochschalldämmenden Fensterkonstruktion.
Schallregulator Fassade
Die Fenstertechnologie stößt an ihre Grenzen – Lösungsansätze bestehen nun darin, verstärkt die Fassade einzubeziehen. Schallmessungen von Baumit haben ergeben, dass u.a. Wärmedämmungen durch ihre höhere Elastizität den Außenschall minimieren. Im Portfolio bei Baumit findet sich dazu die Holzweichfaser-Dämmplatte WDVS Nature. Sto unterbietet mit StoTherm Wood das von der ÖNORM geforderte Bauschalldämmmaß.
In den Kinderschuhen befindet sich noch der Wechsel von der reflektierenden zur absorbierenden Fassade. An der FH Salzburg läuft dazu das Forschungsprojekt »Smart Skin – Salzburger Multifunktionsfassade«. »In diesem Projekt wird der Ansatz verfolgt, durch Anwendung einer absorbierende Fassade den Umgebungslärm zu minimieren, um die Freiräume wieder nutzbar zu machen«, informiert Markus Leeb, Forschungsleiter Intelligente Energiesysteme. Zum Einsatz kommt die Hybrid-Fassadenplatte Evolution von Velox, eine mineralisierte Holzspan-Platte mit inhomogener Oberflächenstruktur, die sich für Fassadenverkleidungen im Wohn- Gewerbe- und Industriebau eignet. Der Prototyp wird beim Projekt »Wohnen findet Stadt« an einem Wohngebäude in Hallein getestet.
Forschungsprojekte zur absorbierenden Fassade laufen auch an der TU Graz. »Wir kreieren Oberflächen, die optisch ansprechen, witterungsbeständig und schallabsorbierend sind. Dazu arbeiten wir mit der Praxis zusammen«, berichtet Ferk. Derzeit finden sich absorbierende Wände v.a. im Verkehrsbereich, im Hochbau sind sie die Ausnahme. »Da geht es erst um wenige Quadratmeter«, ergänzt Werner Kaufmann, Lärmschutz Europa bei Rieder. Die Holzbeton-Absorber des Salzburger Unternehmens werden auf die Betonwand geklebt und erzielen eine Schallreduktion um bis zu 20 dB. Ausgangsmaterial sind zu 100 % heimische Weichholzspäne. Bei Smart Skin, dem Forschungsprojekt der FH Salzburg, sind laut Architekt Paul Schweizer bereits 75 % der Fassade absorbierend ausgeführt.
Aktuelles zu Wärmedämmverbundsystemen
Im Rahmen der alljährlichen Generalversammlung der Güteschutzgemeinschaft WDVS-Fachbetrieb wurde Obmann Andreas Traunfellner von der Wilhelm Sedlak GmbH für eine weitere Amtsperiode bestätigt. Im Anschluss lud die Güteschutzgemeinschaft zu einer Informationsveranstaltung unter dem Titel »Aktuelles bei Wärmedämmverbundsystemen«.
Die Vorträge im Detail
Clemens Hecht, Sprecher der Qualitätsgruppe WDVS, informierte über die neue Verarbeitungsrichtlinie, die noch detailliertere Angaben im Bereich der Planung und Ausführung als die Norm gibt, die in vielen Bereichen nur als Rahmen gefasst ist. Bei der neuen VAR 2019 wurde vor allem die Planung, aber auch die Nutzung (Pflege und Wartung), neben der fachgerechten und gescheiten Verarbeitung, stärker betont. Für Clemens Hecht bleibt aber klar: »Wichtig für die WDVS-Qualität ist: immer vorher miteinander reden.«
Georg Pommer, Leiter der MA 39 – Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien, forderte in einem Vortrag, den Blick auf Wärmedämmverbundsysteme, insbesondere auf jene mit dem Dämmstoff Styropor, wieder zurechtzurücken und die Sinnhaftigkeit des Systems umfassend und korrekt darzustellen. Pommer relativiert auch den Ausgangsstoff Erdöl im Styropor: »Eine WDVS-Fassade mit Styropor für eine durchschnittliche Wohnung enthält nicht mehr Erdöl als eine Füllung eines Autotanks und erspart der Umwelt über Jahrzehnte unnötige Heizenergie bzw. Treibhausgasausstoß«.
Und schließlich gab Elmar Hagmann von der Wilhelm Sedlak GmbH noch einen kurzen Einblick in die Trendthemen »Digitalisierung« und Building Information Modeling. Die Hoffnung sei, dass im Zusammenhang mit BIM das Ende der baubegleitenden Planung erreicht sei. Die Professionisten würden so in ihrer Funktion als Fachplaner künftig früher in den Planungsprozess integriert werden. Allerdings bedeute BIM die zwei- bis dreifachen Kosten in der Planung. »Dies ist nur dann sinnvoll, wenn ein dauerhafter Gebäudezwilling erstellt und über einen langen Zeitraum genutzt wird.« Erst in der Mehrfachnutzung z.B. für Umbau-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten können die Mehrkosten wieder hereingebracht werden, da nicht jedes Mal der Status des Gebäudes für das jeweilige Vorhaben wieder und wieder neu erhoben werden muss.